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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 9 (Juniheft 1928)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0240

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läßt Skatisches imd Dynamisches in uns
lebendig werden, strafsk uns oder reißt
uns auch wohl auf. Ähnliches gilt von
solchen Flächen und Körpern. Jn der
Erkenntnis und Hingabe an derartige
Wlrkungen beruht ein großer Teil des
augenmäßigen Formgeheimnisses. — Wir
haben heute aus der maschinellen Her-
stellung und von den technischen Gebilden
überhaupt einen besonderen Sinn für das
Einfache, Sachliche, Wesentliche einer
Form gelernt und erkennen immer mehr,
daß sie keineswegg leer, nüchtern, kalt zu
sein braucht, wie immer noch jene meinen,
die sich allzu einseitig an die „Ver-
zierung" gewöhnt haben und darin vor
allem die künstlerische Leistung an ge-
brauchsmäßigen Gegenständen sehen. Der-
bindet sich mit solcher Zweckgesinnung ein
künsklerischeü Gefühl, jo entstehen schon
in den schlichtesten Gebildcn ästhetische
Reize; ja noch mehr, sie fangen an, ein
geheimes Leben zu entfalten, für sich zu
werben, gleichsam Hausgenossen zu wer-
den — Die Kültur einer Zeit, eineö Dol-
kes liest sich nicht nur an der hohen Bau-
kunst, Bildnerei und Malerei ab, sie wird
fast noch mehr sichtbar an der Art, wie
das alltägliche Leben durch geschmackvolle
und künstlerische Bildungen durchformt,
gleichsam geweiht ist. Und es ist ein gutes
Zeichen für die Kulturgesinnung unserer
Technik, daß auch der Massenartikel, dic
serienmäßige Herstellung immer mehr auf
eine solche Gestaltung ihrer Erzeugnisse
ausgeht; es ist daS, was wir als Duali-
tätöware bezeichnen. Dabei gibt es na-
türlich viele Arten und Grade. Auch spielt
nicht nur die Form mit, sondern anch die
Wahl und Behandlung des Werkstoffes;
außerdem wird man sich immer bewußt
bleiben müssen, daß daS Edelste, Persön-
lichste, „Einzigste" immer nur die Hand-
Arbeit geben kann. Sie aber hat heute
den Charakter des Besonderen, Erlesenen,
ja fast Luxuriösen. Unsere Bilder zeigen
von beiden Bearbeitungstypen ausge-
zeichnete Beispiele. Wie sehr ein und die-
selbe Form durch eine weniger sorgfältige,
mehr mafchinelle, summarische Hersiel-
lung und geringeres Material verlieren
kann, zeigte sich vor dem Krieg an einem
interessanten Beispiel. Der Künstler und
Kunsthandwerker Eisenlöffel hatte ein
köstliches Teeservice in Messing gear-
beitet, das allgemeinen Beifall fand; die
einfachen, klaren, durchempfundenen For-
men sprachen in ihrcr Schönheit und Hei-

meligkeit sehr eindringlich. Da kaufte daS
Warenhaus Wertheim die Modelle und
ließ sie in flüchtigerer Art und dünnerem
Material als billige Massenware her-
stellen; damit wurden sie in allem ver-
gröbert — wenn auch verbilligt.

Je reiner die Form, desto mehr wird auch
das Material zur Geltung kommen wol-
len und sollen, wie der Form andererseits
von hier aus neue Reize und Werte zu-
wachsen. Das Glatte, Glänzende, Spie-
gelige, das Biegsame und Wölbige deö
Metalles als Blech osfenbart seine For-
menschönheik einschließlich der Farbe an
den verschiedensten Behälter- nnd Ge-
fäßzwecken: als Teller, Schale, Becher,
Kanne, Krug, Schüssel usw. Aus der je-
weiligen Gebrauchsform ersteht eine typi-
sche Erscheinung, di'e sich im Umriß auf
daS knappste und wirksamste ausspricht.
So wird die Silhouette schon eine beson-
dere Aufgabe der geschmacklichen und
ästhetischen Gestaltung sowie Zeugnis
künstlerischer Phantasie. Je ungezwun-
gener Zweck und Schönheit zusammen-
wirken, desto vollendeter ist ein derartiges
Gebrauchsstück. Man beachte daraufhin
unsere Abbildungen, und man wird von
der Schmiegsamkeit, LebendigkeitundViel-
seitigkeit der zwischen Anmut und Kraft
wechselnden Gebilde aufs höchste und an-
genehmste überrascht. Dazu kommt ihre
plastische Gestaltung als körperliche Er-
scheinung wie ihr Ausdruck als raumhal-
tige Form: welche Derschiedenheit in der
Art ihres Sich-Derschließcns und Dffnens!
Ferner ihre Gliederung. Welche Straf-
fung durch den knappen, sich versprei-
zenden Fuß, über dem sich der bauchige
Behälter weit und voll entsaltet oder stolz
und straff aufsteht; oder wie er aus einer
schmalen Fläche breir herausgleitet und
bald höher, bald weniger hoch empor-
wächst l Dann die verschiedenartigc Weise,
wie sich der Henkel hier als lustiger Rei-
fen aufbäumt, dort wie ein Brunnen-
schwengel spannt. Und wiederum anders
die blumenkelchartigen Bildungen. Welch
ein Unrerschieö m den beiden Teekannen
nach Material, Form, Farbe, Wuchkig-
keit! Dazu der Wechsel der Kupfer-, Sil-
ber- und Zinnformen. Die schweren, be-
haglichen, bürgerlichen Kupfcrformen, die
etwas Breitspuriges und Derlässiges
haben, aus deren Schatten die Lichter auf-
blitzen und aufflammen, die fast seltsame
Bilder in den Reflexen schasfen, wie an-
ders sind sie als daS lichte, weiche, stille

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