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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 11 (Augustheft 1928)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0407

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gestählte Jugend — ohne alle Präten-
ston. Dabei sind sie gar rn'cht unge-
schlacht oder derb, rvohl aber strafs und
kräftig — gute Kämeraden deS Alltags,
die unauffällig, anspruchsloö ihre
Dienste erfüllen. Wie der heuti'ge
Mensch Bequemlichkeit pflegt, zeigt ein
Liegestuhl oon Bertsch, der in seiner ge-
schlossenen und offenen Form glelch eln-
ladend roirkt. Jnteressant ist auch der
Vergleich der Wanduhr von Tessenorv
mit der alten Standuhr. Jhre Sauber-
keit und Präzision hat einen geradezu
ethischen Charakter, mahnt zu Reinheit
und Sachlichkeit im Denken und Han-
deln; sie ist delikat im einzelnen und
von gedrängtester Form —- blitzblank
und stahlhaft. Das Gehäuse der gro-
ßen bürgerlichen Standuhr ist gewiß
auch von knappster Gestalt, aber im
Aufbau doch zu viel Architektur und hat
dadurch etwas Umständliches. Wir
wollen sie nicht schmähen, wollen
ihrer gediegenen Art uns freuen
und an ihrer Wohlgebildetheit uns
schulen, aber unsere Einfachheit ist eine
andere, unsere Gemessenheit eine ge-
drängtere und spannigere. Ähnlich wie
die Standuhr wirken das Konsoltischchen
und dcr Wandspiegel gegenüber den
Jlköbeln von Schneck u. a.

Besitzen unsere Formen auch noch nicht
jene gegenseitige Angleichung wie die
alten, sind sie mehr noch Einzelleistungen
alsNiveau,so sind sie dochaufdiesemWeg.
Aufgabe der gebildeten Käufer ist es,
solchc Gestaltung durch Erwerb zu fördern
und aus ihrem Geist den eigenen Sinn
zu klären, zu straffen, zu veredeln.

Carl Blechen (1798—16^0): „Die-
ser Künstler führt in Deutschland mit
weitem Vorsprung. Er ist ein Zeitge-
nosse von Constable und Corot gewesen
und im Jnstinkt über daS noch provin-
zielle Berlin hinaus ein Europäer. Dav-
um steht er in Deutschland für sich
allein da. Er gehört vrganisch zwar
in die Entwicklung der Berliner Kunst,
die von Chodowiecki und Schadow über
ihn zu Krüger, Menzel und weiter
führt; dennoch ist er ein Fremdling un-
ter den Genossen, er stammt scheinbar
aus ciner anderen Zone. Seine Kunst
hat nichts von der plastischcn Strenge
Schadows, nichts von KrügerS unendlich
begabtem Professionalismus, nichts von
Menzels Pflichtfanatismus. Seine Kunst
tut, was in Berlin die Kunst fast nie

getan hat: sie blüht. Sein RealiSmuS
ist m'cht charaktervolle llberzeugung, son-
dern ein schöner Jnstinkt; er wirkt nicht
östlich kolonial (obwohl er aus Kottbus
stammt), nicht märkisch frugal, nicht
kleinbürgerlich und selbstgerecht: unter
Männern derProsa ist er ein bcschwingter
Lnriker, ein Dichter. Er ist, was Corot
von sich sagte: eine Lerche und singt seinc
Lieder über dem märkischen Sande, seine
Kunst ist in ihren besten Teilen wie ein
holdes Wunder."

Diese Charakteristik geben wir zugleich
als Probe und Empfehlung des Wer-
kes, dem sie entnommen: „G e s ch i ch t e
der europäischen Malerei vom
KlassizismuS bis zum JmpressioniSmus"
von Karl Scheffler. (Br. Cassirer, Ber-
lin.) Der zweite Band behandelt die
Zeit „vom Jmpressionismus bis zur Ge-
genwart". Die gcfchichtliche Entwicklung
läßt immer wieder erkennen, daß diese
Seite der Darstellung dcm Verfasser
weniger liegt, aber ganz auSgezeichnet
ist sein Qualitätssinn. Man kann aus
diesen zwei Büchern außerordentlich viel
lernen, und es wird einem in kultivierter
Sprache anschaulich und eindringlich ge-
boten. ffch stche nicht an, das Werk alü
das interesfanteste und anregcndste zu
bezeichnen, das diesen Zeitraum behan-
delt. Die Abbildungen sind mit erlese-
nem Geschmack ausgewählt und vor-
züglich wiedergcgeben. Dabei handelt es
sich nicht darum, daß man überall dem
Urteil Schefflers zustimmt, wichtiger ist,
daß man hier mit den Augen eines
vi'elseitigen Kenners Kunst sehen und ge-
nießen lernt.

Die vorliegenden Blätter bilden einen
Beitrag zu dem Blechen-Artikel von
Walter Unus, der uns die Originale
aus seiner kostbaren Blechen-Sammlung
zur Derfügung gestellt hat. Sie zeigen
die farbige Gestaltungskraft des Künst-
lers in einer flotten Jmprovisation, die
voll unmittelbarer Natur steckt und im
Rhythmus der Bewegung wie im far-
bigen Klang der leichten Töne wahrhaft

schön ist. I. P.

*

as Scherzo unserer Beilage ist die
Arbeit eines Gymnasiästen, der in
seiner kleinen Stadt nebenbei den üb-
lichen Musikunterricht genießt und ,'n den
freien Stunden, wenn die unregelmäßi-
gen Derba richtig memoriert sind, eine
Komposition nach der andern schreibt.

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