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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 4 (2. Novemberheft 1914)
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In Sachen deutscher Kultur: eine Warnung an die Oberflächlichen unter ihren Verehrern
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0157

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wir mit ebenso herzlicher Anerkennung finnische Gesänge, serbische Volks«
lieder und botokndische Märchen aufgenommen haben.

Wir dürfen Fremdes ehren, weil wir im Grunde die einzigen sind,
die es können, die die Abersicht für einen Vergleich haben. Die einzigen,
die Einsicht sowohl als ruhige Gerechtigkeit genng haben, um Arteile
fällen zu dürfen. Gben damit haben wir auch die Pflicht zur Gerechtigkeit.

Ich habe einige von denen, über deren Undankbarkeit man sich jetzt
aufregt, nie für etwas anderes gehalten, als für die Neklamehelden, die
man jetzt in ihnen findet. Eben darum würde ich die jetzige Zeit für
die allerungeeignetste zur Bekämpfung dieser Leute halten. Wie sollten
wir sicherstellen, daß unser Urteil über ihre Werke ein sachliches nicht
nur selbst ist, sondern auch als sachlich verstanden, also gewürdigt wird?
Einige wiederum habe ich sehr verehrt, und sie verehre ich noch heute.
Ich würde sie gerade heute gerne nennen und loben, wo sie geschmäht
werden. Ich unterlasse es, weil das ebenso nnsachlich wirken würde. So
wenig ihre Werke darum schlechter geworden sind, daß ihre Schöpfer
menschliche Schwächen gezeigt haberr — verzeihliche, nämlich aus gereiztem
Patriotismus und aus falschen Annahmen hervorgegangene — so wenig
sollen sie dadurch gewinnen. Denn — das haben wohl die wenigsten von
denen, welche jetzt schreien, bemerkt, daß sie das etwaige Bedürfnis dieser
Leute nach Reklame höchst unverständigerweise unterstützen. Totschweigen
diese törichten Außerungen, wenn man sie strafen will, ist das Richtigste.

Denn letztlich prüfen wir etwas genauer, ob mehr als Torheit vortiegt.

Iedem Zeitungsleser ist bekannt, durch welche grotesken Lügen die von
der englisch-französischen „Kultur" geleitete Presse unser Ansehen in der
ganzen Welt zu untergraben gesucht hat. Heimkehrende Deutsche haben
uns ergreifende Schilderungen über die Verzweiflung gegeben, die sie
befiel, da sie diesen Nachrichten wohl oder übel Glauben schenken mußten.
Weshalb wundert man sich denn nun so gewaltig, daß Richtdeutsche
sie geglaubt und dementsprechend gehandelt haben?

Kurzum, diese ganze Entrüstung ist unser unwürdig. Wir sind stark
genug, und stehen hoch genug, um den Gleichmut zu wahren.
 
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