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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 8 (Maiheft 1923)
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Sokratiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0089

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Wir geben im folgenden Proben aus den „Sokratikern", einem statt--
lichen Bande von über 300 Seiten. Vor allem Proben von Kynikern („Zy-
nikern"). Dieser Bame wird wie der der Epikuräer heute vielfach mißbraucht.
Im Sinne antiker Philosophie bedeutet er weder Verächtliches noch Ge-
meines. Diese Schule, welche den ernsten bedeutenden Antisthenes, den
witzig-scharfsinnigen Diogenes, den noblen, humanen Krates, den oolkstüm-
lichen Prediger Teles, den schwermütigen Dichter Leonidas und viele andere
umfaßte, war keine unernste Verächtergruppe, sondern eine geistige Gemein-
schaft von gleichem Rang wie andere auch. Ablehnung der „Kultur" frei«
lich, Askese war itzr.Zeichen, Alleskritik, gesteigert zu großer Härte, doch
auch zu harter Größe, in dem berühmten Diogenes vielleicht auch zu leicht
possenhafter, doch immerhin echter Allesverneinung; der Kern des Strebens
aber bleibt immer entscheidende Umwertung, Aufrichtung des Ideals „natür-
lichen" Lebens und Menschtums. Das dürfte auch Heutigen einiges zu
sagen haben.

Außer den Kynikern geben wir noch dem berühmten Kyrenaiker Aristoppos
und den Peripatetikern Theophrastos und Dikaiarchos das Wort; dies be-
darf wohl in geringerem Grade erläuternder Entschuldigung als die kecke
Kritik des Diogenes,an den Orakeln, an der „Offenbarung", an der Sitte.

Von den Späteren, die Nestle in den beiden letzten Bänden seines Werkes
darbietet, werden wir in einem der kommenden tzefte Proben geben. K-L^j

Antisthenes

rometheus sprach zu tzerakles: „Sehr verächtlich ist deine tzandlungs-
weise, daß du um weltliche Dinge dich bemühst; denn du hast die Sorge
um das Wichtigere unterlassen. Denn du bist kein vollendeter Mann,
bis du das gelernt hast, was höher ist als die Menschen, und wenn du dies
lernst, lernst du auch das Menschliche. Wenn du aber allein das Irdische
lernst, bist du irrend wie die wilden Tiere."

Die wichtigste Wissenschaft ist, das Böse zu verlernen.

K

Die Sittlichkeit des Mannes und der Frau ist dieselbe.

IS

Was ist mein Eigentum und was nicht? Mein Vermögen ist nicht mein
(Ligentum. Verwandte, tzausgenossen, Freunde, Ansehen, gewohnte Ört-
lichkeiten, Beschäftigung: all das sind fremde Dinge. — Was ist nun dein?
— Der Gebrauch meiner Gedanken. Diesen habe ich ungehindert und unge-
zwungen. Niemand kann mich davon abhalten, niemand mich nötigen, sie
anders zu gebrauchen, als ich will.

K

Man muß den guten Menschen höher schätzen als den Blutsverwandten.

K

Man muß dem Widerspruch nicht durch Widerspruch ein Ende machen,
sondern durch Belehrung; denn auch den Rasenden heilt man nicht, indem
man wieder gegen ihn rast.

Diogenes

nstrengung ist nur dann gut, wenn ihr Ziel Kraft und Anspannung des
^ Geistes ist, nicht nur des Körpers.

K

Die einzige richtige Staatsordnung ist die Weltordnung.

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