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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 8 (Maiheft 1923)
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Sokratiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0093

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Fein gar Pflegt ihr den Leib und duldet kein winziges Härchen
Dran: bald schwindet er hin, traurig, zum dürren Skelett.

Sage dir, Tag für Tag, o Mensch, wie schwach dein Vermögen,
Schränke des Lebens Bedarf auf eine Kleinigkeit ein,

Immer bedenkend im Herzen, solang' du weilst noch im Lichte,
Wie doch die Hälmchen so dünn, draus du. Lebend'ger, gefügt!

Aristippos

HsK^aßgebend für die Erkenntnis sind die Empfindungen: sie allein sind
^^erfaßbar und untrüglich: die Ursachen der Empfindungen dagegen sind

nicht erfaßbar und nicht untrüglich. Man kann untrüglich und unwider-
leglich sagen, daß wir die Empfindung »weiß« oder die Empfindung »süß«
haben; daß aber das, was die Empfindung bewirkt, weiß oder süß sei, läßt
sich nicht beweisen. Denn es ist möglich, daß jemand den Eindruck »weiß«
auch von etwas erhält, was nicht weiß, und den Eindruck »süß« von etwas,
das nicht süß ist. Wem es schwarz vor den Augen wird oder wer die Gelb--
sucht hat, bei dem bringt alles.die Wirkung der Blässe hervor, wer böse
Augen hat, bekommt einen rötlichen Schimmer; drückt man auf das Auge
von der Seite, so verdoppelt sich das wahrgenommene Bild; der Bacchant
sieht in der Ekstase Theben doppelt und glaubt auch die Sonne zweifach
zu schauen: in allen diesen Fällen sind die Zustände und Empfindungen,
wie das Erblassen, das Nötlichschimmern, das Doppeltsehen, Wirklichkeit;
dagegen wäre es falsch, anzunehmen, daß das, was die Empfindung bewirkt,
blaß oder rot oder doppelt sei. Ebenso ist es die vernünftigste Annahme, daß
wir nicht mehr als unsere Empfindungen erfassen können. Daraus folgt,
daß die Empfindungen oder auch die Ursachen der Empfindungen nur als
Erscheinungen aufzufassen sind . . . Es gibt daher keinen den Menschen
gemeinsamen Maßstab für die Erkenntnis, sondern nur die Bezeichnungen,
die sie ihren Arteilen geben, sind dieselben. Denn allerdings nennt man
allgemein etwas weiß oder süß; aber etwas an sich Weißes oder Süßes
gibt es nicht, denn jeder kann nur seine eigene Empfindung erfassen.

tzerr der Lust ist nicht, wer sich ihrer enthält, sondern wer sich ihrer zu
bsdienen weiß, ohne sich von ihr fortreißen zu lassen, wie auch Herr eines
Schiffes oder Rosses nicht ist, wer sich ihrer nicht bedient, sondern wer sie
nach seinem Willen zu lenken versteht.

Dikaiarchos

^vußer dem allen muß man daran erinnern, daß die Politik nicht darin
^besteht, daß man ein Amt verwaltet oder eine Gesandtschaft übernimmt
oder laut schreit in der Volksversammlung oder in Aufregung, redend oder
schreibend, um die Rednerbühne läuft: das ist die Vorstellung der großen
Menge von der Politik, gerade wie sie auch meint, die Philosophie bestehe
darin, daß man von einem Lehrstuhl aus redet und seine Vorträge zu Büchern
verarbeitet. Daß aber die Politik und die Philosophie gleichermaßen jeden
Tag fortgesetzt in Taten und Handlungen sichtbar wird, das bemerkt man
nicht. Denn von den Leuten, die in den Säulenhallen auf- und abgehen,
sagt man, sie treiben Philosophie, nicht aber von denen, die aufs Feld oder
zu einem Freund gehen. Die Philosophie ist jedoch mit der Politik verwandt.
Sokrates ließ keine Bänke aufstellen und setzte sich auf keinen Lehrstuhl
und bestimmte seinen Freunden keine feste Stunde zum Vortrag oder Anter-

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