Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1923)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Der Geist des Werkes im Werk des Geistes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0113

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
er auf dersetben Ebeue, wemr auch au auderer Stelle wle tzauptmann, Mann
und ihr ganzes Geschlecht.

Warum ich gerade an Bartsch anknüpfe? Weil er ein seltsam lehrreiches
Schulbeispiel gegeben hat davon, wohin jener Verzicht auf Kunst zugunsten
der „Literatur" führt. Vor kurzem gab er ein Buch heraus, das sein „ganzes
Lebenswerk zusamrnenfassen" soll; seine „Glückseligkeitslehre", betitelt:
„Frohe Botschaft des Weltkindes", (Anion, Stuttgart). Ganz fern liegt es
mir, diesem Buch absprechend gegenüberzutreten. Diese Lehre von der ner-
venfeinen, sinnlich und seelisch tief empfangenen Natur-Seligkeit ist so rein
erlebt, so zwingend bekannt, in ihrer Gin-Seitigkeit so echt und sogar „not-
wendig", daß all ihr Abstand, all ihre stumme Lntferntheit von den bitteren
und großen, durchaus unentrinnbaren, von keiner Glückseligkeitslehre aus der
Welt zu schaffenden Problemen des „Kultur"-Menschen sie nicht entwertet!
Wohl denen, dieBartschsWege gehen können und ihnohne den hochmutder
Einseitigkeit, aus echter Liebe gehen. Wir geben an anderer Stelle in diesem
Heft Proben daraus zur Bekräftigung dieses freundschaftlichen Bekenntnisses.
tzier aber diene mir eine Anzahl beiläufiger Außerungen Bartschs in ande-
renr Sinne als Beispiel.

Im Eingang seines Bekenntnisbuches gesteht Bartsch: „Ich weiß ganz
gut, daß hier nicht viel mehr zu sagen sein wird, als was nicht schon in
meinen früheren Büchern stünde. Aber zusammengefaßt, kommentiert und
möglichst klar will,ich alles noch einmal und zum letztenmal geben. Darum
werde ich hier nur dann etwas erzählen, wenn der Deutlichkeit halber eine
selbstbiographische Anekdote angebracht erschiene. Auf mehr und anderes
Dichten verzichte ich hier gern und hätte es am liebsten immer so gehalten.
Mir lag nie viel an meinen Erzählungen: immer wollte ich zwar völlig
Dichter, aber selten wollte ich Künstler sein, und nur dann und wann freute
mich der kleinere Kristall einer wohlgeordneten Äovelle; wichtig war mir
das nichtz^ i

Denken wir uns Bartschs irrenden Sprachgebrauch berichtigt und dort,
wo „Dichter" und „Dichten" steht, „Lrzähler" und „Erzählen" gesetzt! denn
eben im Gegensatz zum Erzähler heißt uns der Wort-Künstler ein
„Dichter". Dann aber: was besagen diese offenen Worte? Einer unserer
Zeitgenossen wollte „wesentlich leben", wollte sein Innerstes, Bestes, Stärk-
stes geben in seinen Büchern. Er wählte die zeitbeherrschende Weise des
Bücherschreibens, die Erzählung. Er hat stärkste Erfolge. Und er bekennt
mittelbar nach fünfzehn Iahren, ihm sei der „eigentliche" Erfolg, daß man
nämlich sein „Wesentliches" aus jenen Büchern erfasse, nicht beschieden
gewesen. Er muß alles noch einmal sagen, „zusammengefaßt, kommentiert
und möglichst klar". „Offentlich werde ich mißverstanden, je länger ich
zwischen diesen sonderbar wichtigtuenden Verirrten der Literatur schaffe,
und privat ersticken mich die Anfragen und Unklarheiten derer, die mich
nur halb verstehen, in oft ergreifenden Briefen: Die sollen alle auf einmal
beantwortet werden, und hier geschieht es." Äberscharf formuliert: Der Dich-
ter greift zum öffentlichen Lehrbrief, nachdem es ihm mit seinem Dichtwerk
mißlungen ist, sich deutlich zu machen. tzieran wage ich mit einer noch schär-
feren Behauptung anzuknüpfen: Es ist ihm mißlungen, nicht obwohl er
„selten Künstler sein wollte", sondern weiler es nicht genug sein wollte.
Weil er selber nur ein „Verirrter der Literatur" war und nicht „Dichtung",
nicht „Kunst" machte. Weil er die große Aufgabe überhaupt nicht sah,
welche vor ihm lag: die Kunst zu finden, die dichterische Kunst, die sein<
 
Annotationen