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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 9 (Juniheft 1923)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0149

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Sprache und Bedacht auf taktvolle und
doch eindringliche Erläuterung. Das
alles leitet nicht an zurn Äberblick über
„Entwicklungen", Stilfolgen und »perio-
den, verführt nicht zunr Gebrauch in-
teressanter Fremdwörter, sucht nicht
hundert Linzelheiten der Technik und
Stilistik dem armen Gedächtnis einzu-
prägen, sondern vermittelt fühlbar We-
sentliches. Dieses Büchlein lesen und
nachhaltig betrachten, heißt: daZ eigne
innere Verhältnis zur Sache grundsätz--
lich einigermaßen klären und sich so rü--
sten zu eindringlicherer Kenntnisnahme.
Lin gutes Ziel für ein Handbüchlein.

— E. Ahlenstich-Engels „Arabische

Kun st", 66 Seiten, Grundrißpläne,
5 Kartenskizzen, 50 Abbildungen, bil--
det ein Gegenbeispiel. Viel zu viel
Wissensstoff, zahlreiche Fachausdrücke,
Erörterung historischer Vorgänge, dürre
und zerrissene Werkbeschreibungen, im
Text keine hinreichende Bezugnahme
auf die gehäusten Abbildungen, ein
zerfahrenes Ganzes, unlesbar und in
der Erinnerung haftend höchstens als
ein Kenntnis-Vielerlei. Nebenbei
bemerkt: Grundrißpläne, die nur

Schwarzweiß-„Ornamente" ohne er-
läuternde Beischriften wenigstens zu
den Hauptteilstücken sind, wützen dem
Laien selten etwas; ein Grundriß kann
sehr nützlich sein, .muß aber dann
didaktisch besonders zugerichtet werden.

— Das höchste Ziel steckt sich Otto
Höver mit dem Band „Indische
Kun st", 88 Seiten, 2 Karten, Text-
skizzen, Abbildungen. Eine aus-
gezeichnete Einleitung, „Grundsätzliches
zur Würdigung indischer Kunst" räumt
Hindernisse des Verständnisses weg,
zeigt Ursprung, Prinzipien und Uin-
fang der Kunstgesinnung im Rahinen
knapper Charakteristik und die wich*
tigsten Stilprinzipien; sie rüstet vor-
trefflich zum Verständnis der folgenden
fünf Kapitel, welche die Hauptgebiete
(geographische und sachliche) knapp, mit
lehrreicher Beziehung auf die Bil-
der, mit Betonung des Entscheiden-
den, mit nützlicher Parallelisierung der
indischen Abläufe zu den europäischen
behandeln. Eine umsichtig-sachliche,
wesenverdeutlichende Sprache, eine ge-
wisse verstehend-vereinfachende Aber-
legenheit hilft das Wagnis vollenden:
auf geringstem Raum dem Leser zu

bleibendem, wohlausgeprägtem Schauen
zu verhelfen, welches sich! auf die
richtunggebenden Hauptzüge des Ge-
genstandes erstreckt. Mehr noch als
Bachhofer vermittelt Höver dem Leser
auch von den allgemeinen Grund-
zügen asiatischen Lebens, Denkens und
Empfindens.

Wir werden inskünftig im Kunst-
wart der asiatischen Kunst mehr Auf-
merksamkeit widmen als bisher.

__K. W. H.

Europa und Oftafien*

ergleicht man die Kunst Ostasiens
mit der Europas, so werden bald,
nach der Aberwindung des ersten
fremdartigen Eindrucks, grundlegende
Anterschiede klar werden: in der Ma-
lerei, neben dem eigenartigen, ckeichten
Material, das Fehlen der Modellie-
rung, die ungewohnte Art der Meder-
sicht für die Raumdarstellung, das An-
anthropozentrische in der Plastik.

Ls wurde viel über das Fehlen von
Licht und Schatten in der chinesischen
Malerei geschrieben; als Grund dafür
wurde angegeben, daß dem Ostasiaten
das Walten des Lichts als etwas Zu-
fälliges erscheine, das darzustellen ihm
nicht in den Sinn käme: nicht der flüch-
tige Augenblick, sondern das Bleibende
müsse im Bilde festgehalten -werden.
Aber die Anschauung, daß die Raum-
darstellung der Ostasiaten „fehlerhaft"
sei, ist man glücklich hinausgekommen.
Die steile Medersicht auf chinesischen
Gemälden hat den gleichen Anspruch
auf Anerkennung als künstlerischesAus-
drucksmittel wie die abendländische
Ientralperspektive. Die entscheidende
Frage wäre wohl die: warum kennt
der ostasiatische Maler die plastische
Wiedergabe des Objekts und die Zen-
tralperspektive nicht als die einzig
richtigen Darstellungsmittel an; läßt
sich das Fehlen dieser beiden Elemente
vielleicht auf eine gemeinsame Arsache
zurückführen?

Die Antwort könnte mit ein paar
Worten gegeben werden: der Grund
liegt in der prinzipiell anderen Ein-
stellung des Ostasiaten der Welt gegen-
über._

* Aus K. Bachhofers „Chinesischer
Kunst". Vergl. den vorhergehenden
Aufsatz. K.-L.
 
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