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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1923)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Deutschlands Weg
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0250

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hindurch durch seines Geistes Adern, und zu derselben ZeiL gebiert es
reinstes Werk der Freiheit. Lastend mit der Schwere ungezählter Atmo-
sphären drückt Not auf sein Leben, und zugleich blüht es heimlich empor,
allenthalben wie Frühlingblumen unterm Schnee. Das kranke, zum Tod
verurteilte Deutschland, das vergiftete, entnervte Deutschtum lesen wir in
den Zeitungen, hören wir in Reden und Ansprachen, und wissen zugleich,
daß es lebt und leben wird. Und wissen, daß es unserer geringen Kraft
möglich und geboten ist, mit scharfen Gedanken und liebevollem Willen
mitzuwirken an seiner Gesundung, möge die Schärfe der Gedanken noch so
tief in offene Wunden schneiden. Das soll geschehen! Zuvor aber laßt uns
eingedenk werden dessen, wovon wir sprechen.

Hsvrird es bang geführter Feder gelingen, Worte festzubannen, welche dies
^^aussagen: Deutschland? Wind des Gedankens, Sonnenwolke der Er-
innerung trage mich über die Gefilde. . . euch flüstere sich immerschwei-
gende Liebe zu vom stummen Tiefgrund der Seele.

Zackiges Niesengebirge, lichtgrüne Wiesenbreite auf Kammeshöhe, rübe-
zahlbärtiger Wildwald, klar gereckte Koppe — Blick über prangende Ebene
nordwärts — mein erstes Deutschland, von jungem Blick eingetrunken;
lustiges, spinnend-sinnendes, safterfülltes, behagenvolles, urmenschliches
Schlesiervolk. . . Endlos wogen nach Osten zu tragende Felder in Sommer-
licht, Land, Land, Land! Deutsche Arbeit schuf es um aus öder Breite in
fruchtende Ebene, von deutschem Wollen, Müssen, Werken und Drängen
zeugt es; Städte, nicht groß, nicht klein, einst bewehrt, einst Ouellen und
tzorte der Macht, heute erinnerungreich im Frieden, rötlich leuchtendes,
ein wenig armes Gemäuer aus gebackenem Stein: Deutschlands weiter
Osten. . . Was lächelst du, tzerz? weil blau-grünes Meer durch goldgrüner
Bäume Laub gesegnet aufglänzt und sanfte Welle der See warm und weich
lichtweißen Sandes Glätte streichelt? O ihr geschwungenen Küsten an lachen-
dem Meer, ihr Nehrungen, Buchenwälder, Fischerdörfer, du Rügen,
geheimnisvoll und süß im Kleid deiner Wälder, in der Kahlheit deines
grünen Gehügels, du Föhrden- und Buchtenland Schleswig — welche
seligen Tage dämmern herauf, da ich euer gedenke. Schleswiger — matt-
blonde Deutsche, starkknochig und blauen Auges, still und sanglos und im
tzerzen doch heißer Liebe voll zu der windigen meerumschlungenen tzeimat...
Graue Stadt nun an sturmgeplättetem Küstenland — Die Wandergans
mit hartem Schrei —, und, still tzerz! Ia, es sind Nordseewogen, grau,
schwer, wild, rollend auf langem Strand tief einsamer Insel, donnernd
und gischtend an rotem Kliff in salzfeuchte Luft, Lungen wundervoll füllend,
nie gekannte Luft, und dein Fuß beschreitet tzeideland, dein Blick tastet
über Dünen, Marsch und Watt, klingend von seligen Farben, indes un-
endlich hinaus ins Weltmeer sich die gischtbezackte Grauflut wölbt; konnte
Iugend, wild durchträumt an diesen starken Küsten, in armes, blickkreis-
umschränktes Leben weisen? . . . Viehdurchwandelte Marschen, Umland
weltzugewandter tzafenstädte, der tzüterinnen hansischen Erbes, gesegnet von
Arbeit stiller, schweigender Menschen, euch grüße ich nun. And das laute,
lachend zehrende Volk auf den fruchtschweren Ebenen, die dem breiten
Rhein dienstbar sind. . . Altgeschichtliche Städte, römische Erbtümer und
kecke Burgen, erstes deutsches Land würdigen Wachstums im Licht deut-
scher Werdezeit. . . And dort umsponnene Schlösser alter Geschlechter
neben brüllenden Werken, glühenden Ofen, wimmelnden Neu-Städten,
Schweißgeruch und Oualm, panzere dich, tzerz, da steckt nun das Messer

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