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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 12 (Septemberheft 1923)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0285

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Kreises", aus dem V. Müller, Thoma,
und besonders Lrübner, Schuch und
Sperl noch besonders hervorgehoben
und gewürdigt werden; von diesen sind
ebenfcrlls Werke abgebildet. Liebens-
würdig und vom Hauch einer ruhigen,
sicheren Zeit seltsam umströmt, spiegelt
sich das fruchtbar-ernste und das froh-
mutwillige Lreiben einer Malergruppe
darin, die den Besten ihrer Zeit genug
tat. K. W. H.

Das neue Kunsthandwerk

on dem Werk „Das neue Kunst-
handwerk in Deutschland und Öster-
reich", das Alexander Koch im eigenen
Verlag (Darmstadt (923) herausgab,
sagt er im Vorwort, es wolle u. a.
ein unterhaltendes formschönes Bilder-
buch sein. Das sei ihm nun zuerst be-
stätigt, daß es dies in Wahrheit und
Wirklichkeit ist; die mehr als dreihun«
dert Abbildungen, die es neben den
Äexten bringt, habe ich in kurzer Zeit
wohl ein dutzendmal durchblättert und
immer neue Anregungen daraus emp-
fangen, ich meine nicht „künstlerische
Anregungen", sondern solche, wie sie
ein rechtes Bilderbuch bietet: Erinne-
rungen ans Leben, aufsteigend aus der
Atmosphäre des Spiegels. Da sind
Wiener Porzellane und Intarsien, und
wie man sie betrachtet, ziehen durch
den Vorstellungsraum im Inneren
elegante Herren und noch elegantere
Damen, für deren selbstischen und ka-
priziösen Geschmack, für deren schwer
erringbares, sehr schwer zufriedenge-
stelltes Wohlbehagen diese erlesenen
Dinge geschaffen sind (mag sie in
Wahrheit kaufen wer will, die ameri-
kanische Millionärstochter oder der
tschechische „Sinekurist"!), sie unter-
halten sich leise und lustig und ein
wenig verschlagen mit instinktiv über-
legten Worten und lächeln und spielen
miteinander, es hat eine unerhört vor-
nehme Gebärde, dieses Spiel, aber der
Klang der Worte ist traulich, Mund-
art, durch welche Volkstum hindurch-
klingt, und diese Mundart entdeckt der
Blick auch in jenen raffinierten Hand-
werken noch, und etwas Musik dazu,
Musik von Freiheit und Grazie. In
das Lrlebnis mischt sich die Schöpferin
der Zierstücke — sie heißt übrigens
liebenswürdigerweise Wieselthier!

und erklärt, sie sei stolz, eine Hand-
werkerin zu sein, die ganz frei am
Werktisch arbeitet, und sie liebe das
Farbige, Freudige und Anregelmäßige,
und ihre Arbeit liebe sie mehr als
alles „was die Menschen Vergnügen
nennen", und ein „kleines, dummes,
glasiertes Wpfchen" könne am Ende
und vielleicht in einer bescheidenen
Wohnung den Besitzer ebenso freuen
wie irgendeine kostbare Plastik den In-
haber eines Salons. . . . Grüß Gott,
Vally Wieselthier! ich glaube, Sie sind
auf dem rechten Wege: vom Kunst-
gewerbe zur Handwerk-Kunst! Und nur
keine falsche Bescheidenheit! Es fordert
nicht nur heute ebenso viel „Opfer" im
Menschlichen, tzandwerk-Künstler zu
sein wie etwa Gemälde-Maler, sondern
allenfalls auch ebensoviel Schöpfertum.

Da schlage ich Möbel auf von
Bruno Paul und von Memeher. . . .
Ein kleiner Aufsatz dazu sagt, was
„Vornehmheit" ist — die Bilder zei-
gen, wie sie aussieht. Sie ist das
Wichtigste nicht auf Erden, aber sie
ist wundervoll! Diese Möbel würden
für sie zeugen, und wenn die ganze
Erde verbolschewistet würde. Würden
zwingend dartun, daß Menschen von
geistigem Rang einmal gelebt haben,
denn nur solche konnten dergleichen
schaffen und genießen. — And da ist
schon wieder Österreichisches! Tapeten,
Seidenstoffe, Budapester Schreine und
Schränkchen, Lülle, von Vally Wiesel-
thier beglückende Klöppel-Spitzen —
Wien ist niemals radikal gewesen; es
hat nie fanatisch gebrochen mit der
Vergangenheit und hatte es auch nicht
nötig, weil es sich nicht mit fanati-
scher Aberstürztheit in zeitlich-„mo-
derne" Seitenbahnen hineinverirrt
hatte; immer ist ein wenig Volkston
und ein wenig Äberliefertes in seinen
Erzeugnissen angeklungen: aus dem
Empire über die aristokratische, aus
dem besten Biedermeier über die bür-
gerliche Aberlieferung hinweg. And
heute, da wir im radikaleren Reich
(ohne dessen Vordrang Wien am Ende
auch stecken geblieben wäre) uns von
der Tyrannei des nüchternen, einmal
sehr heilsam gewesenen bloßen Mate-
rialgedankens und des ebenso nüch-
ternen, ebenso heilsam gewesenen
bloßen Sach-- und Zweckformgedankens

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