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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 9
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Die große Berliner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0160

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Jan Toorop, Katwijk an Zee.
Drei Bräute. Aquarell.
Die grosse Berliner Ausstellung.

Als in den letzten Wintermonaten die ersten Vor-
bereitungen für die Ausstellung am Lehrter Bahnhof ge-
troffen wurden und die Liste der aufgestellten Juroren
publiziert wurde, ging ein Murren durch die Reihen der
einigermaßen fortschrittlich gesinnten Interessenten, das
sich in der Äußerung Luft machte: diesmal kann es gut
werden. Die Namen derer, die über sie zu Gericht sitzen
sollten, klangen ihnen mehr als fremd, und obgleich man
vielleicht kaum ihre Bilder betrachtet, — denn den Jungen
sind die Werke der Alten ebenso unbekannt, wie um-
gekehrt —, hatte man dennoch eine deutliche Vorstellung
von ihnen: Namen scheinen eine eigentümliche Suggestions-
kraft auf die Vorstellungsgabe zu üben. Selbst in den
Zeitungen wurden Bedenken gegen die Zusammensetzung
dieser Jury laut, von deren Seite eine entsprechende Ant-
wort nicht ausblieb. — Und dann kam es so ziemlich
anders. Schon nach einer Weile liefen Gerüchte von
Kampfs Reformator-Absichten um, und daß er im Aus-
land um gute Kunst werbe und daß die mit der „Sezession“
verzankte „Luitpold-Gruppe“ mit klingendem Spiel in die
Tore der „Großen“ einmarschieren werde. Und dann
wurde das Ganze widerrufen und behauptet, der „arme
Kampf“ habe sich gründlich die Finger verbrannt: ein
Druck von „oben“ hindere seine Absichten. Und als
dann der Firnistag kam, — an dem wirklich eine Malerin
ihr Bild firnißte —, war der Stand der Dinge zum andern
Mal ein unerwarteter: die Kritiker erlebten eine so an-
genehme Überraschung, deren Echo aus dem Blätterwald
als lautes Hallelujah rauschte. Mancher von diesen Herolden
wird freilich bald so etwas wie eine Aschermittwoch-
Stimmung gefühlt haben, denn er hatte sich zu weit und
rasch hinreißen lassen. Dabei sollen die Fortschritte nicht
verkannt werden. Kampf hat getan, was sich unter ge-
gebenen Umständen tun ließe. Er möchte gewiß weit
mehr tun, doch kann man unmöglich von ihm verlangen,
daß er Arm in Arm mit Anton v. Werner eine zweite

„Sezession“ gründet. Wie die inneren Verhältnisse so
gewisse nicht zu überwindende Hindernisse mit sich
bringen, so allein schon die äußern. Das Gebäude ist be-
kanntlich derart, daß eine vornehme, ruhige Intimität, wie
sie zum Kunstgenuß notwendig ist, nicht aufkommen kann.
Um den öden hallenartigen Charakter des Palastes einiger
maßen zu dämpfen, hatte man die drei großen Säle der
Mittelachse abgedeckt und mit einem vornehmen Schmuck
versehen, der leider ein wenig zu pomphaft und laut war.
Dann sind einige der kleinen Seitensäle geschlossen wor-
den. — Der Ehrensaal mit den in unverstandenem Patrio-
tismus sich ergehenden Hurra-Bildern ist selbstverständlich
wieder schlimm. Sonst erhielt man anfangs einen günsti-
geren Eindruck wie in den früheren Jahren, der nicht
zuletzt dadurch erzeugt wurde, daß man die Bilder der
verschiedenen Gruppen durcheinander verteilt und so hin
und wieder Inseln dem Auge geschaffen hat, an denen es
verweilend ruht. Schließlich aber, wenn wieder und wieder
sich Saal an Saal reiht mit minderwertigen Bildern, oder
einer allzugroßen Qualität gleichwertiger, wird man über-
drüssig und sagt sich: wozu! Ach, wann kommt der Mann,
der uns von diesen Bildermärkten, diesem notwendigen Übel
unserer Zeit befreit ? Der Vorschlag ist schon so oft gemacht
worden, wie auch der, uns doch von den Akademien zu be-
freien, diesen Brutanstalten der Mittelmäßigkeit. 1006 Bilder
zu betrachten, mit Zeichnungen, graphischen Blättern,
Illustrationen, den Entwürfen der Ärchitekten, den Werken
der Bildhauer und Gewerbler, insgesamt 1896 sogenannte
Kunstgegenstände, wer vermag es so, um auch nur einem
verschwindenden Teil Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Denn man kann wohl behaupten, 90 Prozent aller dieser
Produkte sind gleichwertig, so daß das Gros dieser Pro-
duzenten, im Gefühl, in „ihrem Erwerb“ geschädigt zu sein
(diese Ausdrucksweise ist heute eine gegen die Kritik
übliche und illustriert unsere Verhältnisse schlagender
als irgend etwas anderes), mit Recht ausruft, „dieser ver-

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