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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 9
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Die große Berliner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0162

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wir Stil nennen (nicht zu verwechseln mit Stilisieren),
wie die plastische Darstellung von Tieren, wie sie heute
üblich ist. So gibt es denn nichts Ungenießbareres wie die
Pferde unserer zahllosen Kaiserdenkmäler. Sehe ich so
ein Denkmal, erinnert mich in seiner kleinlichen Wirk-
lichkeitsdarstellung das Ganze stets an einen „Polizisten
auf Inspektionsritt“, während doch Herrschergröße dar-
gestellt werden sollte. Heiliger Verrochio, Schöpfer des
Colleoni, was würdest du selbst zu dem „Kaiser Friedrich“
des Maison sagen, der doch für heutige Verhältnisse eine
gute Leistung ist. Wer versteht heute die Tierpsyche?
Das Pferd eines Siegers und Kriegers darf nicht die
elegante schlappe Stute des Rennstalls sein, es darf nicht
„ein“, es muß „das“ Pferd sein. So vermochte nur Böcklin
Pferde darzustellen. Der meisterhafte Gaul gestaltet ja
hauptsächlich nur das kleinere Viehzeug und fast nur
in ruhender Pose. Wir pflegen heute zu sagen, das
moderne Kostüm eigne sich nicht für die Skulptur, und
streben Vereinfachung an, wie Lederer in seinem Roland-
Bismarck. Ich sage: eine Kürassieruniform ist nicht
weniger darstellbar wie der Kriegsanzug eines Renaissance-
Condottiere, man muß sich nur auf Größe verstehen. —
Die Figur eines Fechters, die Lederer für den Universitäts-
Brunnen zu Breslau geschaffen hat, ist technisch und
anatomisch gut. Doch genau genommen hat sie nichts
mit einem Brunnen zu tun: ein Brunnen ist ein Wasser-
werk und soll rein als solches gedacht sein. Man lerne
doch von Obrist, der neben Hildebrand der einzige ist,
der heute weiß, was ein Brunnen ist und ihn zu gestalten
vermag.
Es würde einiger Sonderaufsätze bedürfen, wollte ich
die Gruppen der „Graphiker“, „Illustratoren“, Architekten
und Gewerkler auch nur einigermaßen erwähnen.
Zum Schluß aber noch eins: Vor Eröffnung der
„großen Berliner Ausstellung“ gingen die Gerüchte, die

Jury habe scharf gewirtschaftet, und bei der Eröffnung
wurde dieser Umstand sogar von einem der „Offiziellen“
als ein löbliches Tun gepriesen. Bei Manchem jedoch,
der die Strenge der Jury vielleicht noch mehr anerkennt,
regte sich die Empfindung, es möchten nicht wenige weit
bessere Arbeiten refüsiert sein, wie manche ausgestellten.
Als sich nun gar eine Stimme erhob, man solle einen
„Salon der Refüsierten“ veranstalten, fand diese Beifall.
Ein solcher ist ja nun eine sehr heikle Sache, indem in
unseren Tagen, da wir eine „Sezession“ haben, meisten-
teils solche danach rufen, die, als Produzenten minder-
wertiger Kunst, sich in ihrem Erwerb geschädigt sehen.
Diese sind zu bedauern, ihnen ist aber nicht zu helfen.
Hingegen wäre es in der Tat interessant, von Zeit zu
Zeit zu konstatieren, wieviel wirkliche Kunstwerke
refüsiert werden. Unter oben angegebenen Umständen
wären aus moralischen Rücksichten jene eben als Un-
zulängliche gekennzeichneten natürlich nicht auszu-
schließen- Um einen solchen Salon unter diesen Um-
ständen erträglich zu machen und das Gute von der
Spreu zu scheiden, müßten die eingesendeten Werke
je nach ihrer Zugehörigkeit in strenge Kategorien geteilt
werden, und dieser Anordner müßte ein als tolerant und
kenntnisreich anerkannter moderner Kritiker sein, kein
Maler. Unter diesen Umständen würde sich heraus-
stellen, daß manches gute Bild refüsiert wird. Eine solche
Ausstellung, in der selbst der größte Kitsch nach seinem
„individuellen“ Gehalt streng gesondert würde, müßte in
diesem Punkte sogar amüsant wirken. Der Maler eifert
stets so gegen die Kritik; ich glaube, es würde um Manches
besser stehen, so die über ihn zu Gericht sitzende Jury
zur Hälfte aus Schriftstellern bestände: ein Geschworenen-
Gericht im Gegensatz zur Strafkammer.
Rudolf Klein.


Hugo Mühlig.
Wintertag.
Aus der Pfingst-Ausstellung des Kunst-
vereins für die Rheinlande und Westfalen.

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