so viel zurückblieb, als die Bewegung Zeit
gebrauchte, bis in diese geographische und
psychische Abgeschlossenheit ihre Wellenkreise
zu ziehen; daher ein Verharren bei den Tradi-
tionen mittelalterlicher Kunst bis tief in die
zweite Hälfte des XVI. Jahrhunderts hinein, bis
zu einer Epoche, wo die übrige Welt schon
längst fieberhaft durchzuckt war vom Gären
und Ringen eines neuen Geistes.
Die Ausbildung der Architektur ist vor allen
Dingen abhängig von dem gegebenen Materiale.
Wie auch die Grundideen dieselben sein, die-
selben Grundformen hervorrufen mögen: die
besondere Gestaltung und künstlerische Durch-
führung wird eine andere sein, wo man Marmor
und andere edle Steinarten in Fülle zur Ver-
fügung hat, eine andere, wo man aus gröberem
Material seine Werkstücke nimmt, eine andere,
wo der Mangel festen Gesteins zur Anwendung
gebrannten Tones zwingt. Allerdings sehlt es
auch in Westfalen nicht an steinarmen Gegen-
den. Die westlich an Holland grenzenden Teile
namentlich gehören dazu. Allein der Werk-
steinbau war im ganzen Lande so sehr das
Vorherrschende, daß selbst in Orten, wo man
genötigt war, den Körper des Baues aus Ziegeln
zu formen, das Fensterstabwerk, die Türeinfas-
sungen, kurz alle Stellen, die eine bestimmte
künstlerische Bearbeitung des Materials beding-
ten, gleichwohl aus Hausteinen gefertigt wurden.
So findet man es an der Kirche zu Ramsdorf
und selbst der Klosterkirche zu Marienfeld. Nur
hin und wieder begegnet man in den westlichen
Gegenden Spuren eines geringen Anlaufes zur
Entwicklung der Backsteinarchitektur, die man
als untergeordnete Einssüsse angrenzender Ge-
biete zu betrachten haben wird.
Im übrigen bietet die mannigfache geo-
logische Gliederung des Landes reichliches Mate-
rial an Steinen, deren Eigenschaften in nicht ge-
ringerem Maße manchmal die besondere Art
der Entwicklung einzelner Kunstgebiete modifi-
ziert haben. So verbot der weiche, poröse,
grünliche oder gelbliche Mergelsandstein, der
sich an dem nördlichen Abhange des Haardt-
rückens hinzieht, gerade in den reichsten, bau-
tätigsten Gegenden Westfalens eine feinere Aus-
bildung der Außenarchitektur, weil das Binde-
mittel in dieser Steinart sehr unregelmäßig ver-
breitet ist und eine Auswaschung oder Abblätte-
rung begünstigt. Dagegen besaß Münster an
den trefflichen Baumberger Steinen, die durch
große Dichtigkeit und feines Korn ausgezeichnet
sind, ein Baumaterial, dem es mit zuzuschreiben
ist, daß dort einzig in Westfalen die Außen-
architektur eine zierlichere und zugleich konse-
quente Entwicklung erfahren hat.
Wir dürfen annehmen, daß mit wenigen Aus-
nahmen die westsälische Architektur bis zum An-
fänge des XII. Jahrhunderts den Charakter höchster
Einfachheit und Schmucklosigkeit trug. Von den
Der Dom (Patroklikirche, Soest).
Aufnahme Hartkopf, Soest.
Die Pfeiler der Bogenhalle sind durch vorgelegte Bündel-
säulchen, Ecksäulchen, sowie durch rundstabige Einkerbung
der Ecken aufs reichste profiliert, desgleichen die Kanten
der Gurtbogen durch eine runde Auskerbung gemildert, so
dass hier die sonst im romanischen Stil etwas träge Masse
des Steines voll rhythmisch bewegten Lebens ist. (Lübke.)
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gebrauchte, bis in diese geographische und
psychische Abgeschlossenheit ihre Wellenkreise
zu ziehen; daher ein Verharren bei den Tradi-
tionen mittelalterlicher Kunst bis tief in die
zweite Hälfte des XVI. Jahrhunderts hinein, bis
zu einer Epoche, wo die übrige Welt schon
längst fieberhaft durchzuckt war vom Gären
und Ringen eines neuen Geistes.
Die Ausbildung der Architektur ist vor allen
Dingen abhängig von dem gegebenen Materiale.
Wie auch die Grundideen dieselben sein, die-
selben Grundformen hervorrufen mögen: die
besondere Gestaltung und künstlerische Durch-
führung wird eine andere sein, wo man Marmor
und andere edle Steinarten in Fülle zur Ver-
fügung hat, eine andere, wo man aus gröberem
Material seine Werkstücke nimmt, eine andere,
wo der Mangel festen Gesteins zur Anwendung
gebrannten Tones zwingt. Allerdings sehlt es
auch in Westfalen nicht an steinarmen Gegen-
den. Die westlich an Holland grenzenden Teile
namentlich gehören dazu. Allein der Werk-
steinbau war im ganzen Lande so sehr das
Vorherrschende, daß selbst in Orten, wo man
genötigt war, den Körper des Baues aus Ziegeln
zu formen, das Fensterstabwerk, die Türeinfas-
sungen, kurz alle Stellen, die eine bestimmte
künstlerische Bearbeitung des Materials beding-
ten, gleichwohl aus Hausteinen gefertigt wurden.
So findet man es an der Kirche zu Ramsdorf
und selbst der Klosterkirche zu Marienfeld. Nur
hin und wieder begegnet man in den westlichen
Gegenden Spuren eines geringen Anlaufes zur
Entwicklung der Backsteinarchitektur, die man
als untergeordnete Einssüsse angrenzender Ge-
biete zu betrachten haben wird.
Im übrigen bietet die mannigfache geo-
logische Gliederung des Landes reichliches Mate-
rial an Steinen, deren Eigenschaften in nicht ge-
ringerem Maße manchmal die besondere Art
der Entwicklung einzelner Kunstgebiete modifi-
ziert haben. So verbot der weiche, poröse,
grünliche oder gelbliche Mergelsandstein, der
sich an dem nördlichen Abhange des Haardt-
rückens hinzieht, gerade in den reichsten, bau-
tätigsten Gegenden Westfalens eine feinere Aus-
bildung der Außenarchitektur, weil das Binde-
mittel in dieser Steinart sehr unregelmäßig ver-
breitet ist und eine Auswaschung oder Abblätte-
rung begünstigt. Dagegen besaß Münster an
den trefflichen Baumberger Steinen, die durch
große Dichtigkeit und feines Korn ausgezeichnet
sind, ein Baumaterial, dem es mit zuzuschreiben
ist, daß dort einzig in Westfalen die Außen-
architektur eine zierlichere und zugleich konse-
quente Entwicklung erfahren hat.
Wir dürfen annehmen, daß mit wenigen Aus-
nahmen die westsälische Architektur bis zum An-
fänge des XII. Jahrhunderts den Charakter höchster
Einfachheit und Schmucklosigkeit trug. Von den
Der Dom (Patroklikirche, Soest).
Aufnahme Hartkopf, Soest.
Die Pfeiler der Bogenhalle sind durch vorgelegte Bündel-
säulchen, Ecksäulchen, sowie durch rundstabige Einkerbung
der Ecken aufs reichste profiliert, desgleichen die Kanten
der Gurtbogen durch eine runde Auskerbung gemildert, so
dass hier die sonst im romanischen Stil etwas träge Masse
des Steines voll rhythmisch bewegten Lebens ist. (Lübke.)
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