Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:
Lur, Joseph August: Wie ich Töpfer wurde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0063

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



Mar Länger, Karlsruhe: Vase.

gebracht wird. Mittels der Blumen kann man die
Stichprobe machen: ein Raum, darin nicht die farbige
Wirkung der Blumen zur Geltung kommt, ist ein
ästhetisch vollkommen mißlungener Raum, und wäre er
auch mit verschwenderischem Reichtum ausgcstattet.
Zumindest ist er koloristisch mißlungen. Für unser
Farbengefühl ist das Beispiel maßgebend, daß die Natur
schöne starke Farben liebt. Leuchtend blau wölbt sich
die Himmelsglocke über dem smaragdenen Grün der
frischen Wiesen und der junggrünen Wälder, blendend-
weiße Aprilwolken, die voll Sonne sind, segeln weit
gebläht, hoch einher. „Die Welt ist grün und weiß
und blau". Sie kleidet sich in
heraldische Farben, und das tun
auch die Blumen, die Blumen der
Heimat, wegen ihrer kräftigen
schönen Farben auch Baucrnblumen
genannt, deren Farben ein Gleich-
nis der Natur sind. Von blutig-
roten Sonnenuntergängen träumen
die brennenden Cynien, die Nelken
in allen Abschattungen von Zin-
nober bis Karmin, Verbcncn, gar
sinnreich brennende Liebe genannt,
das glühende Mohnfeld und die
späten Dahlien; gleich blauen
Himmelswellen leuchten die Glo-
xinien und Kampanulen; vom
gelben Mittagssonnenschein erfüllt
sind die Kapuzinerkressen und
Ringelblumen, und das Schnee-
weiß geballter Frühsommerwölk-
chen haben die Margariten und

steht und, wenn er will,
alle künstlerischen Ausgaben
von dein Handwerk aus be-
greifen und fördern kann,
braucht niemand zu bezwei-
feln. Ich will es beweisen,
indem ich zum allgemeinen
Besten noch einiges von den
Gedanken und Empfindun-
gen mitteile, die mich bei der
Arbeit begleiteten und die
sich namentlich auf die An-
wendung dcS künstlerischen
Töpserwerkes beziehen, damit
auch die anderen davon was
profitieren.
Eigentlich soll hier auch
von den Blumen die Rede
sein, von der farbigen Pracht
der Blumen, nicht nur von
den bunten Töpfen, die dazu
gehören. Wir haben beides
sehr nötig für unsere Räume,
denen wir durch keine Kost-
barkeit jene Schönheit geben
können, die durch die farbige
Erscheinung der Blumen auch
im schlichtesten Heim hervor-

Max Länger, Karlsruhe Vase.

Max Länger, Karlsruhe: Blumentopf

Maßliebchen erkoren, die slockenweise weit über die
Wiese verstreut sind. Aber die Natur wirkt als echter
Heraldiker, indem sie nicht nur die leuchtenden satten
Farben gibt, sondern zugleich ihren komplementären
Gegensatz. Wir bemerken, daß sie den graubraunen
Frühlingswaldboden mit den gelben Flocken der Himmcls-
scblüssel schmückt und den Bachrand mit den sonnigen
Dotterblumen begrenzt. Aber neben diesen goldigen
Farben schafft sie den Gegensatz in dem Dämmerschatten-
blau der Veilchen, der Leberblümchen und der Küchen-
schelle. Im Sommer stehen neben der blauen Wald-
glockenblume die gelben Königskerzen, und im Hauö-
gartcn, wenn er mit den richtigen
heimischen Bauernblumen bepflanzt
ist, sehen wir lauter farbige Gegen-
sätze, die sich harmonisch verbinden.
Wildblühende Sommerwaldwiesen
tragen ein buntes Blumenkteid, an
dem alle komplementären Farben-
gegensätze sestzustellen sind. Har-
monie im Kontrast ist das natür-
liche Farbcngesctz. Das ist ein
Wink für die künstlerische Gestal-
tung, die sich in der Anwendung
der Blumen und in der Wahl
der bunten Keramik der Töpfe
und Vasen aus farbig glasiertein
Ton betätigt. Ja, die ganze far-
bige Behandlung unserer Wohn-
räuine beruht aus den Grundlinien,
die uns die Natur vorzeichnct.
Wenn wir das Farbengesetz aus
eine allgemein brauchbare Grund-
 
Annotationen