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11. FEBRUAR 1934
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VIII. JAHRGANG, Nr. 6
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LMONDE/teAKTS
ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DES BUNDES DER DEUTSCHEN KUNST- UND ANTIQUITÄTENHÄNDLER E. V. MÜNCHEN
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führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50
Die Erneuerung
des Louvre
Viele Monate hindurch war ein großer Teil
des Louvre dem Publikum verschlossen. Man
hat in einem großzügigen Bauprogramm die
Sammlungen neu geordnet und eine ganze
Reihe neuer Säle für das Museum hergerichtet.
Noch sind nicht alle Pläne verwirklicht, da das
Finanzministerium und das Marine-Museum
einen ganzen Flügel des Louvre besetzt halten,
der später den Kunstsammlungen zugute kom-
men soll. Doch schon jetzt war man bemüht,
nicht nur die inneren Zusammenhänge der
Kunstwerke in ihrem geschichtlichen Ablauf
stärker als bisher zu betonen, sondern man ver-
suchte auch, die Bestände aufzulockern und sie
in einer übersichtlicheren Form dem Beschauer
darzubieten. Aus einer Rumpelkammer ist ein
Tempel der Kunst geworden.
Mr. Henri Verne, der Direktor des
Museums, war sich bewußt, daß die Sünden, die
seit Generationen in diesen Sammlungen an der
Kunst begangen wurden, mit allen Wurzeln
ausgerottet werden mußten. Die verschieden-
sten Werke und Stile waren zusammen-
gewürfelt und ohne jeglichen Zusammenhang.
In dunklen Räumen waren die schönsten Stücke
mehr ab- als aufgestellt. Die Beschriftungen
waren falsch und ungenau; sie beleidigten den
Fachmann und täuschten den Laien.
Die vorbildliche Leistung der Berliner
Museumsbauten hat die französische Regierung
angeregt, große Summen für die Erneuerung
der Museen bereitzustellen und das unentwirr-
bare Chaos der Kunstschätze zu ordnen.
Vor allem begann man, die Abteilung der
Plastik vom Mittelalter bis zum Beginn des
XIX. Jahrhunderts neu zu ordnen. Bisher
waren diese Werke in den verschiedensten
Flügeln und in düsteren Sälen verteilt. Jetzt
hat man eine klar zusammenhängende Folge
von Räumen für sie geschaffen, in welchen die
Werke entwicklungs- und stilgeschichtlich
gruppiert sind. In der Aufhellung der Räume
ist man hier vielleicht aus Reaktion auf die
dämmrigen, meist rot getünchten alten Säle
etwas zu weit gegangen: denn eine völlig weiße
Wand ist nicht immer der geeignete Hinter-
grund für eine ebenfalls weiße Skulptur. Keine
einzige Epoche, außer dem bereits durch
Ressentiments belasteten Klassizismus, hätte
ihren Kunstwerken so die lebendigste Wirkung
genommen. Eine leichte
gelbe oder blaue Tö-
nung der Wände wäre
an vielen Stellen wün-
schenswert gewesen.
Man hat sie übrigens
mehrfach wirkungsvoll
in den Kabinetten der
Kleinkunst angewandt,
die mit den Räumen der
großen Skulpturen par-
allel laufen. Doch hier
stört das Nebeneinander
von Holz- und Stein¬
plastik in den Vitrinen,
vor deren brauner Holz¬
verkleidung die Wir¬
kung der unbemalten
Holzstatuetten neutrali-
siert wird. Eine dis¬
krete Stoffverkleidung
des Hintergrundes hätte
hier die einzelnen Werke
plastischer herausge-
hoben.
Im Vergleich mit der
früheren Aufstellung
ist diese Neuordnung jedoch ein Meisterwerk.
Viele große Denkmäler, die früher im Dunkel
dahindämmerten, wurden jetzt ins rechte Licht
gerückt. So sieht man jetzt erst die ganze
Pracht des farbig gefaßten Grabmals des
Philipp Pot, eines der Hauptwerke burgundi-
scher Plastik um 1400, das aus einem düsteren
Gewölbe in die lichte Klarheit eines großen
Raums versetzt wurde.
Die berühmten Sklaven des Michelan-
gelo, die ursprünglich für das Grabmal des
Papstes Julius II. bestimmt waren, standen
früher in einem finsteren Erdgeschoßraum vor
einem grauen Renaissanceportal (s. Abb.).
Durch eine Fensternische erhielten sie grelles
Seitenlicht und die Größe des Portals erdrückte
fast die Skulpturen. Jetzt stehen sie ebenfalls
vor einem Durchgang, doch sie sind lichtum-
flutet und wirken in ihrer ganzen Größe, ohne
durch nachbarlichen Zierat und ornamentale
Kleinkunst beeinträchtigt zu werden.
Auch auf dem Gebiet der ägyptischen
und spätantiken Kunst gibt es
wesentliche Neuerungen. Es wurde ein
saitischer Saal mit einer charakteristischen
Sphinxallee geschaffen und eine ganze Mastabä
in einem besonderen Raum aufgestellt und im
Innern beleuchtet. In einem Kellerdurchgang
hat man die Ausgrabungen aus Palmyra ver-
einigt, durch Ausnutzung der Nischen und
Wölbungen und durch indirekte Beleuchtung
wurde hier der Eindruck einer Grabkammer
erzielt.
Ein Binnenhof des Louvre, dessen Fassade
aus dem 17. Jahrhundert stammt, ist mit einem
Glasdach überdeckt worden. Dieser Raum er-
innert lebhaft an den Berliner Pergamonsaal.
Sicherlich wurde auch der französische
Architekt von diesem Vorbild beeinflußt. Die
hellenistischen Steindenkmäler, die hier ver-
einigt sind, gehen überraschend gut mit diesem
Bauwerk einer innerlich verwandten, um andert-
halb Jahrtausende späteren Epoche zusammen.
Die wenigen kostbaren Originalwerke der
archaischen und klassischen Kunst Griechen-
lands wurden in ihrer Aufstellung gelockert
und auf zwei Säle verteilt. Ein unverzeihlicher
Mißgriff ist es jedoch, wenn in den Sälen der
antiken Grabplastik auf Säulen marmorne
Vasen stehen, in denen Deckenstrahler ver-
borgen sind. Der Laie gibt sich keine Rechen-
schaft über den Zweck dieser Vasen und kann
sie nicht als moderne Beleuchtungskörper er-
kennen. Ebensolche Scheinwerfer sind in den
Gemäldesälen der italienischen Primitiven in
imitierten Frührenaissanceschalen verborgen.
Solche Anspielungen verwirren und wider-
sprechen allen museumstechnischen Prinzipien.
Unauffällige, moderne Beleuchtungskörper
wären hier angebrachter gewesen.
In den Oberlichtsälen des 3. Stockwerks
wurden die Gemälde der französischen Schule
des XIX. Jahrhunderts vereinigt. Die Haupt-
werke der Sammlung Moreau-Nelaton, die im
Kunstgewerbemuseum versteckt waren, haben
hier ihre Auferstehung gefeiert (Abb. S. 2). So
finden wir neben köstlichen Cezannes, Van
Goghs und Gauguins auch das „Frühstück im
Freien“ von Manet wieder. Doch ist in diesen
Sälen die Anordnung der Bilder zu bemängeln,
die nur nach Größe und Gewicht, aber nicht der
geistigen Entwicklung und Zusammengehörig-
keit entsprechend aufgehängt wurden.
Vortrefflich ist jedoch die Lösung des
ästhetischen Problems der großen Aufgangs-
treppe. Dort stand auf einer engen Plattform
vor rotem Grund, ganz an die Wand gedrückt,
die Nike von Samothrake. Einst schien sie,
auf dem Schnabel eines Schiffes stehend, im
Hafen von Samothrake den heimkehrenden
Schiffern entgegenzuschweben. Jetzt ver-
suchte man, den ursprünglichen Eindruck wie-
der zu erwecken: man hat die obere Plattform
der Treppe erweitert, das Schiff von der hell-
getönten Wand abgerückt und die Nike selbst
durch einen Sockel erhöht. Die Proportionen
sind so glücklicher gestaltet und die Nike hat
ihre alte wehende Leichtigkeit zurückerhalten.
Die wundervolle Bewegtheit von Licht und
Schatten im flatternden Gewand wird erst jetzt
lebendig im Strahl der von oben her leuchten-
den Scheinwerfer. Wenn man die Treppe hin-
ansteigt, glaubt man sie umstrahlt von dem
Licht und der Sonne ihrer Heimat.
Dr. Fritz N e u g a s s
AUSSTELLUNGEN
in Berlin:
Heinz Graf Luckner
Dieser nur sparsam produzierende und selten
ausstellende Künstler, seit seinen festlich be-
schwingten Freskoschöpfungen in Cappenberg
und der Polizeischule Charlottenburg eine der
stärksten Hoffnungen auf dem Gebiete der
Wandmalerei, erweist sich in einer Ausstellung
der GalerieCarlNicolaials ein Porträt-
maler von Rang. In einem Kinderbildnis, den
Porträts der Gräfin York von Wartenberg, der
Prinzessin Waldemar von Preußen u. a., be-
sonders jedoch in der Darstellung des Ober-
bürgermeisters Sahm spricht sich eine noble,
manchmal etwas zu zurückhaltende Art der
Darstellung aus, die im besten Sinne repräsen-
tativ wirkt. Frauenbildnisse scheinen dem
Künstler, der auch für die Farbigkeiten und
das Stoffliche der Gewandungen die diskrete-
sten malerischen Mittel aufzubringen weiß, am
meisten zu liegen. Unter den Kompositionen,
einigem Figürlichen und Landschaftlichen, die
neben diesen Porträts zu sehen sind und über-
wiegend noch den frischen Reiz der Skizze
haben, fällt besonders der langgestreckte Hase
(„Die Angst“) auf. Eine große ausdrucksvolle
Paris, Louvre: Malerei des 19. Jahrhunderts, Neuaufstellung
Paris Louvre: Michelangelo-Saal, Neuaufstellung