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ART^WORLD

E

9. SEPTEMBER 1934

VIII. JAHRGANG, Nr. 36


LMONDEfoAKES

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DES BUNDES DER DEUTSCHEN KUNST- UND ANTIQUITÄTENHÄNDLER E. V. MÜNCHEN

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto - Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
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Haag 145512; Paris 1700 14; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159


Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr.76-77 • Tel. B 5 Barbarossa 7228

Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk.5,50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50


HAUPTWERKE
NIEDERLÄNDISCHER GRAPHIK

im Berliner Kupferstichkabinett

Analog der vorangegangenen Ausstellung
zeigt Prof. Winkler im Kupferstichkabinett
nunmehr’ Meisterwerke der niederländischen
Graphik: im kleinen Saale die Primitiven und
die beiden Hauptmeister des 16. Jahrhunderts,
Lucas van Leyden und Pieter Bruegel d. Ä., im
Vorraum die Radierung des 17. Jahrhunderts
vor Rembrandt, insbesondere die herrlichen
Blätter von Herkules Seghers, und im großen
Saal die Radierkunst Rembrandts und seiner
Zeitgenossen. Wiederum zeigt es sich, welches
Verdienst das Interesse der früheren Leiter
dieser Sammlung, die noch einer Zeit stärkerer
Ankaufsmöglichkeiten angehörten, sich in Be-
zug auf Druckqualität und Sicherung selten-
ster, unikaler Kostbarkeiten erworben hat.
Darf in dieser Hinsicht die Leyden- und Rem-
brandt-Sammlung einzigartig in der Welt ge-
nannt werden, so nicht weniger die Gruppe
de. primitiven Meister, die selbst im Amster-

damer Kabinett nicht gleichwertig vertreten
sind.
Verglichen mit den vorangegangenen Aus-
stellungen graphischer Kunst, die deutsche
Meister umfaßte, zeigt sich hier die besondere
malerische Begabung der Holländer. Ver-
gleicht man deutsche und holländische In-
kunabeln, die Holzschnitte eines Jakob Cornelis
mit denen des Hans Baldung-Grien, die Kupfer-
stiche Lukas von Leydens mit denen Dürers,
so wird man stets auf der deutschen Seite die
größere plastische Stoßkraft der Form er-
kennen, während auf der holländischen die
milde Tonigkeit und Abdämpfung, die der ein-
zelnen Form kein zu mächtiges Vordringen ge-
stattet, charakteristisch ist. Trotzdem gibt es
neben diesen Unterschieden künstlerischer Ver-
anlagung der beiden Nationen Gemeinsam-
keiten in Gefühl und Phantasie, die der Zuge-
hörigkeit beider Länder zu dem germanischen
Norden zuzuschreiben sind: das tiefe und ur-
sprüngliche Verhältnis zur Natur, das einen

Dürer, Altdorfer und Huber kennzeichnet,
finden wir auch bei Bruegel, Seghers, Rem-
brandt und Ruisdael, auch die religiöse und
menschliche Empfindung, die Dürers Madonnen
so liebenswert macht, zeigt sich in Rembrandts
Darstellungen biblischer Szenen.
Von den 300 Radierungen Rembrandts,
welches das Berliner Kabinett besitzt, sind
59 Blätter ausgestellt, darunter die Haupt-
werke: das Hundertguldenblatt, Ecce Homo,
die drei Kreuze in den seltenen und kostbaren
ersten Zuständen. Von hervorragender Quali-
tät sind die radierten Porträts des Meisters,
darunter der berühmte Bürgermeister Six, ein
typisches Beispiel für die Psychologie sowohl
wie für die meisterhafte Auswertung der Ton-
werte. Eine besondere Koje umfaßt die Land-
schaftsradierungen, auch hier läßt sich die
Linie von dem zeichnerischen Aufbau bis zu
der malerischen Geballtheit der späten Ar-
velxüigexi. 4 Ein
besonders interessantes
Blatt, das in diese Ru-
brik gehört, ist die
eigenartige Darstellung
von „Adam und Eva“
(1638), auf der das
erste Menschenpaar
fast amphibisch, der
Erde noch ganz ver-
bunden, erscheint.
Derselbe Raum ent-
hält Arbeiten der haupt-
sächlichsten Rembrandt-
schüler: Lievens, Boi,
V'liet u. a. Es ist inter-
essant, zu verfolgen, wie
der Geist des Meisters
bei den Radierungen der
Schüler verschieden zum
Niederschlag kommt;
die größte Selbständig-
keit erreicht Lievens
als Porträtist, während
Boi, der unproblema-
tischste Schüler, ohne
viel eigene Zugaben
an den weichen Helldunkelstil der späten
dreißiger Jahre anknüpft. Bedeutend die
Landschaftsradierungen Ruisdaels, von dem
hier wenige prachtvolle Baumlandschaften
hervorzuheben sind. Von großem graphischem
Reiz die Marine- und Trachtenblätter des
Reinier Nooms (s. Abb.).
Im Raume der Frühniederländer fällt ins-
besondere die Reihe der Kupferstiche des
15. Jahrhunderts auf, kostbare Blätter vom
Meister der Liebesgärten, dem Meister des
Todes Mariae, dem Meister mit den Band-
rollen (s. Abb.). Außer bekannteren Blättern
von Pieter Bruegel d. Ä. sei auf eine künst-
lerische Delikatesse, die einzige erhaltene Ra-
dierung der „Hasenjagd“ (s. Abb.), hin-
gewiesen, ein Werk, das in der lockeren Be-
handlung des Räumlichen und in technischen
Effekten bereits Stilelemente vorwegnimmt,
die erst bei Rembrandt ihre volle und bewußte
Ausprägung erfahren haben.


ÖViveii' '

Meister mit den Bandrollen, um 1460: Streit der Weiber
um die Männerhose. Kupferstich, Lehrs 89 (Unikum)
Ausstellung: Berlin, Kupferstichkabinett

jx o o m es gen. Seemann, marine. ±5 1 lo/l
Ausstellung: Berlin, Kupferstichkabinett


Die Kolonialkunstausstellung
von Neapel

Die Beschickung der internationalen Kolo-
nialkunstausstellung wird so groß, daß das
riesige Castell Anjou, Neapels Wahrzeichen
und alte Königsburg, zur Unterbringung mit
all seinen Räumlichkeiten und auch unter Aus-
nutzung des großen Hofes nicht ausreicht.
Man hat die sogenannte „Casina Spagnola“
ein palastähnliches Ge¬
bäude, das zum jetzigen
Königsschloß hinüber¬
leitet, hinzufügen müs¬
sen und hat den ganzen
arabischen Bazar oder
Suk in den weiten Burg¬
graben verlegt. Außer-
dem aber hat man noch
auf der plattformarti-
gen Felskuppe, die das
Kastell trägt, im An-
schluß an die Casina
Spagnola zwei große
Pavillons im Bau. In
den Pavillons wird die
Ausstellung arabischer
Architektur unter¬
gebracht werden, außer-
dem die Ausstellung
der ägäischen Inselkolo-
nien Italiens. Auch die
gesamten ausländischen
Kunstausstellungen
werden außerhalb des
eigentlichen Kastells
Unterbringung finden.
Frankreich will eine
große Auswahl von
Werken seiner Künstler bringen, die sich an
kolonialen Motiven inspiriert haben; es ist er-
innerlich, daß schon im Jahre 1931 die franzö-
sische Ausstellung die interessanteste aller in

Rom zusammengekommenen Sammlungen ge-
wesen ist. Belgien konzentriert sich ganz auf
seinen Kongo und hat sich für die Neapolita-
ner Ausstellung bereits die Mitarbeit von
20 Malern und 5 Bildhauern gesichert. Außer-
dem wird es eine reiche Schau der Eingeborenen-
kunst aus privaten Sammlungen nach Italien

schicken. Groß scheint die portugiesische Teil-
nahme in diesem Jahre zu werden. Neapel
wird eine in Europa bisher nicht gezeigte
Sammlung von 3000 Statuetten altchinesischen


Pieter Bruegel d. Ae., Hasenjagd. Radierung
Ausstellung: Berlin, Kupferstichkabinett
 
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