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VIII. JAHRGANG, Nr. 38
23. SEPTEMBER 1934
ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DES BUNDES DER DEUTSCHEN KUNST- UND ANTIQUITÄTENHÄNDLER E. V. MÜNCHEN
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führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50
ANFÄNGE DES KUNSTHANDELS
Der Handel mit Werken der bildenden
Kunst, der heute einen regelrechten Beruf dar-
stellt, ist auf ziemlich verwickelten Wegen zu-
stande gekommen: der geschichtliche Augen-
blick aber, in welchem all diese verschlungenen
Pfade zu einer stattlichen Hauptallee zusam-
menmünden, ist das europäische Barock. Und
es wird nicht wundernehmen können, daß
gerade derjenige Teil unseres Kontinents die
eigentliche Wiege eines geordneten Kunst-
handels geworden ist, der recht eigentlich seine
höchste weltgeschichtliche Bedeutung gerade in
dieser Epoche erreicht hat: die Niederlande.
Nicht, natürlich, daß wir im niederländischen
Barock überhaupt zum erstenmal einem öffent-
lichen Feilbieten von Kunst als „Ware“ (zum
Unterschied von der auf feste Bestellung ge-
lieferten) begegnen würden: zum wenigsten die
vervielfältigenden Künste haben sich,
obschon jünger als die Malerei, früher als diese
auf den freien Warenmarkt begeben, gleich-
zeitig mit den Büchern und Traktätlein, die ihre
Ziehmutter, die Kunst des Buchdrucks, auf den
Markt warf. So ging bekanntlich Frau Dürer
mit ihres Mannes Holzschnittfolgen auf die
Messen, und auch nach Italien hat deutsche
Graphik in solchem Umfang ihren Weg gefun-
den, daß unbedingt an einen richtigen Handels-
verkehr mit den Blättern zu denken ist; man
wird sich vorstellen können, daß z. B. ein Teil
der deutschen Rompilger sich durch Mitnahme
dieser jenseits der Alpen gut verkäuflichen
Dinge einen Teil der Reisekosten zu decken
versucht hat. Die recht zahlreichen nieder-
ländischen Ölbilder aber, die schon das ganze
fünfzehnte Jahrhundert hindurch einen so hoch-
geschätzten Schmuck italienischer Fürsten-
paläste bildeten, dürften als Beipack großhänd-
lerischer Schiffssendungen über den vene-
zianischen Fondaco dei Tedeschi oder die
Häfen von Genua und Neapel hereingekommen
sein. Frühzeitig wird auf der anderen Seite
der Verkauf von italienischen künstlerischen
Arbeiten an die zahlungsfähigeren Fremden
eingesetzt haben, nicht zuletzt, als italienische
Bauern schon mit wacherem Bewußtsein immer
neue Fundstücke an antiken Kleinkunstwerken
und Münzen dem Boden entrangen. Mögen
die bescheidenen Umsätze dieser Art als Ge-
legenheitsabschlüsse durch die Hand von
Wirten, Fremdenführern und Devotionalien-
händlern gegangen sein, so sah das vorschrei-
tende sechzehnte Jahrhundert daneben auch
schon den Typus jenes künstlerisch gebildeten,
auch wohl gelehrten und meist vornehm auf-
tretenden Mannes aufkommen, dessen Aufgabe
es war, für fürstliche Auftraggeber wert-
vollere, sammlungsfähige Kunstgegenstände
aufzukaufen; sie (und ebenso jene Sammler,
die, wie das ja auch noch heute vorzukommen
pflegt, von Zeit zu Zeit einen Teil ihrer Samm-
lungen veräußerten) mögen dabei zwar häufig
kleine Zwischenprofite eingeheimst haben: als
Händler sind aber alle beide nicht anzusehen,
da die einen überhaupt nicht berufsmäßig vor-
gingen, die anderen aber in der Hauptsache
festbesoldete Hofagen-
ten ihrer Auftraggeber
blieben.
Ansätze zum berufs-
mäßigen Kunsthandel
sind allerdings in bei-
den Richtungen zu er-
blicken, und es verdient
Erwähnung, daß unter
den solchermaßen im
Kunstankauf Tätigen
auch auf italienischem
Boden stets die Nieder-
länder einen starken
Prozentsatz ausmach-
ten. Wahrscheinlich
hatte der bolognesische
Maler Guido Reni, als
er einst, mit seinen Ho-
noraren unzufrieden,
den Pinsel wegzulegen
und sich dem Kunst-
handel zu widmen
drohte, eine solche
Hofagentenstellung im
Sinne, wie sie ja nicht
viel später den spani-
schen Meister Velas-
quez wirklich einmal
nach Italien führte.
Und auch ein Kunst-
geschäft minder soli-
der Natur muß damals
schon lange in Blüte
gestanden haben: so
wird der Vlame Dio-
nys Calvaert, der einer
der Hauptanreger der boiognesischen Schule zu
werden berufen war, wie er als junger Mensch
nach Rom kam, von einem findigen Mann in
Dienst genommen, für den er Werke der großen
italienischen Meister „täuschend“ zu kopieren
hatte. Aber auch hier wissen wir nicht, ob
es sich um einen regelrechten kaufmännischen
Betrieb gehandelt hat.
Aber in weit klarerem Lichte erscheinen
uns die Anfänge des berufsmäßigen Kunst-
handels doch im nördlichen Europa, zumal in
den Niederlanden. Wir wissen aus dem stoff-
und gedankenreichen Büchlein, das vor nun
schon ziemlich langen Jahren Hans Floerke
Iarend van Orley, Flügel des Altars von Furnes: Kreuztragung
(Rückseite) Holz, 94 : 102 cm
Neuerwerbung des Kgl. Museums zu Brüssel
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Barend van Orley, Flügel des Altars von Furnes: Die heilige Helene vor dem Papst
(Vorderseite) Holz, 94 : 102 cm
Neuerwerbung des Kgl. Museums zu Brüssel
diesem reizvollen Thema gewidmet hat, daß
dort, sowohl im Süden wie im Norden des
Landes, jener Markthandel mit Werken der
bildenden Kunst, wie wir ihn aus unserer
Dürerzeit kennen, schon seit dem fünfzehnten
Jahrhundert im Schwange gewesen ist und
wohl von Anfang an auch Werke der Malerei
mitumfaßt hat. Immerhin scheint es auch hier
nicht, als wären die mit Kunst handelnden
Persönlichkeiten reine Kunsthändler gewesen:
Warenkrämer aller Art, Buch- und Devo-
tionalienhändler, auch Marktschiffer werden
es vor allem gewesen sein, die die in den fröh-
lich aufblühenden Besitzungen des burgun-
dischen Hauses auch im Volke heimische
Freude an Werken der bildenden Kunst neben-
amtlich zu nutzen unternahmen.
Das sechzehnte Jahrhundert bedeutete für
die Niederlande ein Zeitalter schwersten Rin-
gens. Um so glänzender stehen die aus dem
Kampf mit Spanien siegreich hervorgegan-
genen Nordniederlande dann im siebzehnten
Jahrhundert da, und die ohnedies zu freudigem
Leben aus der Fülle neigenden Holländer waren
denn auch das erste unter den europäischen
Völkern, das mit richtiger Begeisterung sein
eigenes Alltagsleben als solches im Bilde wider-
gespiegelt zu sehen wünschte. Überdies fand
der Geschmack jener Zeiten gar kein Arg
darin, die Wände der Zimmer mit Unmengen
über- und nebeneinanderhängender kleinerer
Bilder gleichsam vollzupflastern. Setzt man
dagegen den bürgerlichen Kunstbedarf früherer
Tage, der höchstens ein Andachtsbild umfaßte,
so wird es ohne weiteres deutlich, daß mit
solchem Wandel erst ein wirklich großzügiger
Übergang von der künstlerischen Besteller- zur
Warenproduktion und in weiter Folge die
Grundlage für die Entstehung eines haupt-
beruflichen Kunsthandels arigebahnt war. Aller-
dings auch die eines völlig außerberuflichen,
denn diese betriebsamen Holländer waren nie-
mals abgeneigt, die von ihnen erworbenen
Bilder auch mit Vorteil weiterzuverkaufen,
geradeso wie man ja im barocken Holland
großzügig mit Gewürzen und ganz besonders
mit Tulpenzwiebeln zu spekulieren gewohnt
war. So kam es, daß die in großen Mengen
hergestellten Bilder dem Künstler zwar den
Lebensunterhalt sicherten, aber nicht
mehr als das. Immer wieder finden wir in
Eine
Orley-Erwerbung
Dem freundlichen Entgegenkommen der
Generaldirektion der Kgl. belgischen Museen
verdanken wir die Abbildung des hier wieder-
gegebenen Altarflügels von Barend van Orley,
der, wie wir bereits in Nr. 31 berichten konn-
ten, vom Museum in Brüssel kürzlich erworben
wurde. Es handelt sich um den einen Flügel
des um 1515—20 im Auftrag der Heiligkreuz-
brüderschaft für die Kirche Sainte-Walburge
de Furnes geschaffenen mächtigen Altars,
dessen Mittelstück noch verschollen ist und.
dessen zweiter Flügel sich im Museum zu
Turin befindet.
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