Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 8.1934

DOI Heft:
Nr. 8 (25. Februar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44614#0029
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DES BUNDES DER DEUTSCHEN KUNST- UND ANTIQUITÄTENHÄNDLER E. V. MÜNCHEN

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. II.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto - Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
Berlin W 62, Kurfürstenstr. 115. Postscheckkonti: Berlin 1180 54; Den
Haag 145512; Paris 1700 14; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159

früher:


Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr.76-77 • Tel. B 5 Barbarossa 7228

Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk.5,50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50

Brueghel-Ausstellung
P. de Boer, Amsterdam

Eine Überraschung bereitet die Ausstellung
noch mit zwei voll signierten Werken des erst-
mals durch ein Bild auf der Stillebenaus-
stellung bei Goudstikker bekannt gewordenen
Meisters A. K o p f f und vertieft somit die Be-

verloren gegangene Werke des alten Brueghel
gehen zwei Exemplare von „Christus und die
Ehebrecherin“ (Nr. 12 und 13) zurück, ferner
eine Landschaft mit tanzenden Bauern**)
(Nr. 14 und 15).

So niedergeschrieben entspricht die Über-
schrift nicht ganz dem Dargebotenen, deckt die
Flagge nicht ganz die Ladung. Denn die Aus-
stellung bietet mit ihren vierhundert sach-
kundig gewählten Werken viel mehr oder etwas
weniger als der notwendigerweise kurze Titel
vermuten läßt: weniger, weil sie zwar ein
halbes Dutzend Handzeichnungen des alten
Pieter Brueghel, aber keine Gemälde von seiner
Hand zeigt; mehr, weil sie nicht nur eine große
Anzahl Bilder namentlich der nach dem
Bauern-Brueghel ruhmreichsten Mitglieder
diesei- Malerfamilie, seiner Söhne, Peter d. J.,
des Höllen- und Jan d. Ae., des Sammet-
brueghel, vereinigt, sondern auch ihren Einfluß
auf die Landschafts- und Stillebenkunst der ge-
samten Niederlande zeigt.
Die flämischen Meister wurden (und viel-
leicht: werden) in den nördlichen Niederlanden
weniger geschätzt als in den südlichen und
wohl auch in Deutschland, wo schon zwei Briefe
von Frau Aja an die Herzogin Anna Amalia
von Weimar angekünsteltes Entzücken über die
geschenkten vier „H.ollen-Bregei” verraten.
Doch gehört diesen Meistern auch die Liebe
des Veranstalters der Ausstellung, der diese
Zuneigung auch bei anderen zu wecken weiß.
Und wenn der Höllenbrueghel, im
vorigen Jahrhundert erst über- und nachher
unterschätzt, nunmehr, worauf Hofrat Dr.
Gustav Glück in seinem eine Zierde des guten
Kataloges bildenden Aufsatz über Pieter
Brueghel den Jüngeren hinweist, als selb-
ständige Persönlichkeit und als Fortsetzer und
nicht etwa bloß als Nachahmer des Werkes
seines Vaters vor uns steht, so ist diese Aus-
stellung die geeignete Stätte, um ihn in unserer
Achtung den richtigen Platz einnehmen zu

Meisters, in Sammet und Seide einherzu-
stolzieren? — blieb Anerkennung nie versagt.
Zierlichkeit, die nie kleinlich wirkt, ist seines
Wesens Kem; doch hat er mehr als einen Pfeil
in seinem Köcher. Auch ihn lernt man durch
diese Ausstellung besser kennen und sein Werk
gegen dasjenige nur fingerfertiger Nachahmer
abgrenzen -— auch gegen dasjenige des
Sohnes, was Wurzbach noch für fast unmög-
lich hielt.
Würde ein Besuch der Ausstellung keinen
anderen Gewinn bringen, als den, das Werk
der beiden Söhne Brueghels des Einzigen klarer
vor uns erstehen zu lassen, so würde sie die
Mühe der Organisation, die Bereitwilligkeit,
mit der Sammler und Museen vieler Länder zu
ihrem Zustandekommen und zu ihrer Wirkung
beitrugen, reichlich lohnen. Sie bietet aber
mehr. Denn eine Seite des Schaffens des
Sammetbrueghels, eines des ersten Schöpfers
des Blumenstillebens, leitet zu einer Sonder-
abteilung der Ausstellung über: zur flämischen
Blumen - und Stillebenmalerei. Hier
war der Einfluß Jan Brueglieis d. Ae. Jbe'iauo
groß, nicht geringer als der, den er auf die
flämische Landschaftsmalerei besaß, soweit
diese nicht die von seinem Vater und älteren
Bruder beschrittenen Pfade oder die eines
Brouwer und Rubens verfolgte. Dieser Teil
der Ausstellung bietet aber auch Herrn de
Boer Gelegenheit, auf Grund archivalischer
Angaben und Signaturen erstmals das Werk
der vier Bosschaert zu scheiden: des
älteren und des jüngeren Ambrosius, des
Abraham B. und des Johannes B.*)
*) Die mit „A. Bosschaert“ deutlich signierten
Arbeiten glaubt Herr P. de Boer auf Grund der
Ähnlichkeit der Unterschrift des 1634 in Utrecht


Pieter Brueghel d. J., Kreuzigung mit dem Steinkreuz
Holz, 118:165 cm — Kat. Nr. 23
Ausstellung: N. V. Kunst handel P. de Boer, Amsterdam

lassen: unter dem großen Bauernbrueghel, doch
vor so vielen anderen. Seinem Bruder Jan,
dem Sammetbrueghel — könnte nicht die
sammetweiche Farbengebung namentlich der
früheren Werke zu dieser Taufe beigetragen
haben und nicht bloß die Gewohnheit des

heiratenden Ambrosius Bosschaert d. J. mit der
Signatur diesem zuweisen zu dürfen, während sein
gleichnamiger Vater „A. B.“ signierte; für
Abraham Bosschaert wird eine zwar dem Stile nach
zu den Bosschaerts gehörige, doch etwas archaisti-
scher als das Werk des jüngeren Ambrosius an-
mutende Arbeit in Anspruch genommen. Johannes
B. signierte „I. B.“.

Antike Rahmen EAXJE TIEC/KE
Restaurierungen aller Art

Rahmen-Kopien


Jan Brueghel d. Ae., Landschaft
Kupfer, 19; 25 cm — Kat. Nr. 47
Ausstellung: N. V. Kunst handel P. de Boer, Amsterdam

kanntschaft mit diesem geheimnisvollen —
dieses Wort nicht nur auf die Persönlichkeit
des Meisters, sondern auch auf die Stimmung
seiner Stilleben gemünzt — und tüchtigen
Maler.
Noch etwas lehrt die Ausstellung diejenigen,
die dies noch nicht gewußt haben sollten: wie
freies Gut die Schöpfungen der
frühen Meister für Zeitgenossen, Schüler
und Nachahmer waren, wie wenig aber auch
die Meister selbst Bedenken trugen, eine
Arbeit, die „einschlug“, zu wiederholen. Diese
Wiederholungen, bisweilen in mehreren
signierten Exemplaren vorhanden, waren
keineswegs immer schwache Leistungen. Auch
die, ebenfalls bisweilen signierten Kopien,
waren das oft nicht, und fast durch die Jahr-
hunderte erhalten sich so die Kompositionen
des Vorgängers und tragen zum Stile späterer
Zeiten bei, bis dann die heutigen, wie z. B. ein
Saedeleer, auf die Originalschöpfungen etwa
des Bauernbrueghel zurückgreifen, um den
ihrigen zu formen. So findet man auf dieser
Ausstellung nicht weniger als vier Exemplare
der „Winterlandschaft mit der Vogelfalle“,
darunter zwei wohl eigenhändige des Höllen-
brueghel, Nr. 4 und 5, während Nr. 6 (früher
Sammlung Cremer-Dortmund) vielleicht von
Jacob Grimmer, und Nr. 137 vpn Pieter Gijsels
stammt. Eine Anbetung der Könige von Pieter
Brueghel d. J. ist in zwei Exemplaren vor-
handen, wovon die eine, signierte, offenbar die
auch von Glück angeführte aus der Sammlung
Kuhn-Brünn, stammt (Nr. 7). An z. T. vor-
trefflichen Nachschaffungen — das Wort
„Kopie“ will einem da nicht leicht aus der
Feder — des jüngeren Pieter Brueghel nach
Werken seines Vaters fehlt es nicht (z. B. der
„Flämischen Sprichworte“ aus Berlin (Nr. 1),
der „Volkszählung zu Bethlehem“ (Nr. 3), der
Bilder zu Neapel: des der „ongetrouwen“ Welt
Entsagenden (Nr. 9) und des Blindenbildes
(Nr. 10 und 11); von letzterem hängt auch
eine charakteristische Umbildung von Pieter
de Bloot in einem der Säle (Nr. 101). Auf

Ein „Besuch in der Herberge“ ist in drei
Exemplaren vorhanden, wovon eine Grisaille
nur zögernd als ein Originalwerk des alten
Brueghel im Katalog angeführt ist. Die schöne
„Herberge zum Hl. Michiel“ (Nr. 31) leitet zu
jenen Bildern über, wo Pieter Brueghels d. J.
Werke denen seines Bruders Jan nicht so fern
stehen.
Was dieser kann, und wie vielseitig sein
Können war, zeigen die vierzig Landschaften,
die fast vierzig Welten sind. Kaum in einem
halben Dutzend davon spürt man einen Hauch,
ein Nachklingen der väterlichen Kunst. Am
ehesten noch in den Stücken etwas größeren
Formates, zu welch letzteren der „Blick auf
Antwerpen“ (Nr. 41) und das „Dorf an der
Schelde“ (Nr. 58) gehören. Hafenbildnisse,
Landstraßen, das Waldesinnere zeigen sein
großes technisches Können, die Beobachtungs-
gabe, die freilich nicht mit leidenschaftlicher
Hingabe ans Objekt oder seelischer Ver-
knüpfung, Mitfühlen mit der Arbeit und dem
Treiben der Dargestellten, gleichbedeutend ist.
Wer nennt die Namen der Zeitgenossen und
Späteren, die ihm nachahmten, wer zählt die
Städte ihres Wirkens? Nur einen großen
Landschafter, noch dazu einen, der schulbildend
wurde und dessen Schüler auch der Höllen-
brueghel war, vermißt man: Gillis van
C o n i n x 1 o o. Unter der Fülle des hier ge-
botenen erfreuen, wie schon auf der Momper-
Ausstellung, die einfach-naiven Bilder Jacob
Grimmers und seines Sohnes Abel
Grimmer — neue (und doch nicht nüchterne)

**) Wie sehr vorsichtig man bei der Zuschrei-
bung sein muß, geht daraus hervor, daß eine
dieser Tafeln (Nr. 15) recht deutlich mit einem
dem Monogramm des Abraham Teniers ähnlichen
verschlungenen AT gezeichnet zu sein scheint. Es
findet sich an Stelle der oft üblichen kreuzweisen
Verschnürung, mit welcher das Hemd am Halse
zusammengehalten wird, bei einem der Bauern;
bei seiner Partnerin ist die Schnur mit den
Nesteln in üblicher Weise angebracht und auf der
zweiten Fassung trägt auch das Hemd des Bauern
die übliche Verschnürung.

GUSTAV CRAMER
Antiquitäten Berlin W9, Lennestr. 8 Gemälde

Berlin W 69, Ijützowplatz 11

Tel.: Kurfürst B 1 1769
 
Annotationen