Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 8.1934

DOI Heft:
Nr. 12 (25. März)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44614#0047
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

ART oftheWORLD

25. MÄRZ 1934

. _J'e
V* Heidel'o?^

E

VIII. JAHRGANG, Nr. 12

LeMONDEfcAKTS

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DES BUNDES DER DEUTSCHEN KUNST- UND ANTIQUITÄTENHÄNDLER E. V. MÜNCHEN

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: cWeltkunst Berlin».
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto - Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
Berlin W 62, Kurfürstenstr. 115. Postscheckkonti: Berlin 1180 54; Den
Haag 145512; Paris 1700 14; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159

früher:


Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr.76-77 • Tel. B 5 Barbarossa 7228

Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk. 5,50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50

Erweiterung
des Wiener Barockmuseums


Die zahlreichen Neuerwerbungen, die in dem
Jahrzehnt seit der Eröffnung des Wiener
Barockmuseums im Unteren Belvedere (1923)
-—• des einzigen deutschen Museums, das aus-
schließlich Werke des Barock sammelt — ge-
tätigt wurden, ließen seit langem eine räum-
liche Erweiterung des Museums geboten er-
scheinen. Die in einem größeren Saal des West-
flügels aufgestellten Ausgrabungen von

Ephesus, deren Unterbringung eine der Haupt-
schwierigkeiten für die Lösung der Raumfrage
bedeutete, wurden 1932 in den Prunkstall des
Prinzen Eugen im nördlichen Trakt des Unteren
Belvedere überführt. Wohnzwecken dienende
Einbauten im Westtrakt wurden entfernt und
durch Umbauten neue (zu der ursprünglichen
Höhe des Innenraumes emporgeführte) Räum-
lichkeiten geschaffen. Sie münden in den mit
der Verlegung des
Haupteinganges die
Rolle einer Vorhalle
übernehmenden Durch-
gangspavillon, der
Straße und Garten ver-
bindet.

Josef Anton Pfaffinger, Magdalena
Wien, Barockmuseum

In dem terrakotta-
farbenen Vorraum fal-
len unter den Neuerwer-
bungen die prachtvoll-
realistischen bronze-
patinierten Bleiguß-
reliefs von B. Moll aus
der Militärakademie von
Wiener-Neustadt auf,
Bildnisse des Siegers
von Kolin, des General-
feldzeugmeisters Leo-
pold Reichsgrafen Daun
und des Feldmarschalls
Anton Graf Colloredo.
Ungemein wirksam
kommt das matte Silber
der Bleigüsse der sog.
„Charakterköpfe“ F. X.
Messerschmidts und die
geradezu modern an-
mutende, harte, knappe
Sachlichkeit der Still-
leben der van der Baren,
Joannes de Cordua, Ph.
F. de Hamilton u. a. in
dem kühlen, hellen Blau-
grau des angrenzenden
Raumes zur Geltung.
Mit dem Vorsaal und
den beiden anschließen-
den Räumen bildete er
einst einen großen
Orangeriesaal, den man
durch die Aufführung
von Zwischenwänden
unterteilt hat. In dem
anstoßenden Saal hat
man die Skizzen und
Gemälde Maulbertschs,
des größten malerischen
Ingeniums des deut-
schen und österreichi-
schen Barock, ver-
einigt. Der darauf

folgende Saal, in welchem ehedem die
Funde von Ephesus lagerten, ist für die
Monumentalplastik bestimmt worden. Lebens-
große Figuren von H. Waldburger, J. M. Gug-
genbichler, G. Giuliani, B. Permoser (siehe
Abb.), J. A. Pfaffinger (s. Abb.) haben
hier auf einem die Längswand entlang ge-
führten Sockel, bis auf die wenig glücklich in
einer Ecke kniende Madonna Waldburgers, eine
überaus günstige Aufstellung gefunden. Der
Nachbarraum ist in einen Troger-Saal umge-
wandelt worden, der außer Gemälden dieses be-
deutendsten Barockmalers Tirols auch Bilder
seines Landsmannes und Schülers J. Mildorfer,
des Salzburgers Chr. K. Wohlhaupter und der
aus Breslau stammenden Meister C. F. Sam-
bach und F. X. Palko enthält, dazu Plastiken
von Thad. Stammel und J. P. Schwanthaler
d. Ae.
Neu eingerichtet wurde auch der sich nach
dem Garten öffnende ursprüngliche Eingangs-
raum, mit Skizzen von Maulbertsch, Kremser-
schmidt, dem Schlesier F. I. Leicher und Klein-
plastiken von J. B. Hagenauer und J. G. Dorf-
meister, ferner einem sehr dekorativen, reich-
geschnitzten und farbenprächtigen Hausaltar,
der die Querwand einnimmt und das eigentliche
Gepräge des Raumes bestimmt. Das Kabinett
neben dem Spiegelsaal, früher Maulbertsch ge-
widmet, ist den Werken Kremserschmidts ein-
geräumt worden, die erst jetzt, vor dem satten
Rot des Hintergrundes, zu ihrer vollen Wirkung
kommen. Auch sonst sind zahlreiche Änderun-
gen und Umstellungen vorgenommen worden.
So wurde das Aufnahmestück J. G. Dorf-
meisters für die Wiener Kunstakademie („Luna
und Endymion“), das sich zuvor im Spiegel-
saal befand, in dem Groteskensaal als Vitrinen-
bekrönung verwendet. F. X. Messerschmidts
Büste des Hofmedikus van Swieten wurde aus
der Marmorgalerie (wo man sie durch Molls
Büste des Feldmarschalls Fürst Liechtenstein
ersetzte) in das Marmorkabinett mit den
Plastiken von B. Moll übertragen, so daß der
imperiale Charakter der Galerie, den ihr
Messerschmidts Monumentalgestalten von
Kaiser Franz und Maria Theresia verleihen,
noch deutlicher hervortritt. Ganz prachtvoll
wirkt auch Giovanni Giulianis überlebensgroße
Figur des Täufers (von dem in den achtziger
Jahren abgetragenen barocken Hochaltar in
Heiligenkreuz) in der Weiträumigkeit des
Roten Saales, zwischen den Altargemälden von
Troger und Mildorfer. Auch die schöne, lebens-
große Plastik des Filippo Neri von einem un-
bekannten österreichischen Barockbildhauer,
ein Legat von Dr. O. Kutschera-Woborsky, hat
nunmehr eine ihr entsprechende Aufstellung
gefunden.
Überhaupt ist die Aufstellung der Plastiken
zumeist sehr glücklich gelöst und ebenso die
Hängung der Bilder. Vielleicht, daß man durch
die reichere Einfügung von Möbeln aus der
Zeit das Stimmungsmäßige des österreichischen
Barock stärker hätte herausarbeiten können.
Dagegen muß man sagen, daß die die
Stoffbespannung zu ersetzen bestimmte Scha-
blonierung der Wände mancher Räume mit
zwar zeitgemäßen, aber keineswegs immer an-

sprechenden Mustern bisweilen eher stört, da
die Absicht und das Unvermögen, jener den
entsprechenden Ausdruck zu verleihen, mit-
unter allzu deutlich hervorscheinen. Doch sind
dies Einzelheiten, die gegenüber der von der
Leitung des Museums geleisteten positiven
Arbeit (wozu auch die durch umfassende


Balthasar Permoser, Bacchus
Wien, Barockmuseum

Quellen- und Materialstudien veranlaßten
Aenderungen früherer Zuschreibungen ge-
hören) in den Hintergrund treten. Ihr Ver-
dienst ist es vor allem, daß sie die Bedeutung
von Österreichs Barockkunst in das rechte
Licht rückt und deren Ebenbürtigkeit und
partielle Überlegenheit (sofern es sich um
Malerei handelt) gegenüber der blutsver-
wandten Kunst des süddeutschen Barock be-
tont. Dadurch aber gewinnt das Wiener
Barockmuseum eine weit über österreichische
lokale Belange hinausreichende Bedeutung für
das Deutschtum.
Dr. Stefan Poglayen-Neuwall
 
Annotationen