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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 8.1934

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Nr. 26 (1. Juli)
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ART»/ifcWORLD

1. JULI 1934

E
VIII. JAHKGANG. Nr. 26
JNST
LMONDEtAKß

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DES BUNDES DER DEUTSCHEN KUNST- UND ANTIQUITÄTENHÄNDLER E. V. MÜNCHEN

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G.m.b.H.,
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reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50

Europa
auf der Biennale in Venedig

Wenn es eines Beweises bedurfte, daß jene
Zeiten, in denen ein europäisches Land oder
auch nur ein europäischer Künstler eine Vor-
herrschaft über den ganzen malenden Erdteil
ausübt, so wie es im Settecento und auch noch
in den ersten beiden Dritteln des 19. Jahr-
hunderts gewesen ist, vorüber sind, so braucht
man sich nur die Biennale von Venedig bei
einem Rundgang durch die Nationenpavillons
zu betrachten. Die Hegemonie eines malenden
Landes hatte der Herrschaft von Maltheorien
und Malprinzipien solange Platz gemacht, bis
diese sich müde gelaufen haben. Nun gibt es


Georg Kolbe, Statue für ein Stadion
Internationale Kunstausstellung
Venedig 1934

weder Prinzipien noch beherrschende Einflüsse.
Es regt sich nationale Malerei in manchen
Ländern, aber in der Mehrzahl ist Herrschafts-
losigkeit eingetreten. Schaut man etwa nach
Dänemark oder nach der Tschechoslowakei, um
nur zwei typische Beispiele (etwas ungerech-
terweise) hier gleich anzuführen, so bleibt
eine Weglosigkeit, sogar ein Mangel an Schule

allein bei aller Talentierung der Maler fest-
zustellen. Von allen Nationen kamen nur zwei
Länder nach der Biennale mit einer Kunst, die
national-repräsentativen Anspruch erheben
will: Deutschland und Rußland. Aber ehe noch
auf diese beiden Pavillons eingegangen sei,
muß eine durchgehende Eigenschaft auf der
ganzen Ausstellung festgestellt werden, die
auch keinen Halt vor den beiden betont natio-
nalen Ausstellungen macht: man will wieder
auf dem Bild verständlich werden; jeder Bürger
soll wissen und mit schlichten Worten sagen
können, was er auf der Leinwand gesehen hat.
Und zu bemerken ist, daß Rußland in dieser
Tendenz — mitunter plakatmäßig — vorweg-
geht: ein Bild kann auch Werbung sein, aber
nur dann, wenn es spricht.
Man war in Italien auf die deutsche
Ausstellung sehr neugierig, einmal weil
Deutschland vier Jahre von Venedig fern blieb;
zum anderen weil die Ausstellung auch schon
für das neue Deutschland als repräsentativ
aufgefaßt wurde. Der Pavillon hat keine ein-
heitliche Beurteilung gefunden; während Oppo
die ganze deutsche Schau ablehnt und schreiben
zu können meint, das malerische Deutschland
sei im Augenblick ganz, ganz unten und müsse
erst wieder aufbauen, findet Ojetti viel Inter-
essantes, wenn freilich auch seiner Meinung
nach die Forderung Dr. Goebbels nirgends er-
füllt wird; denn das, was der deutsche Propa-
gandaminister für die deutsche Kunst ver-
langte, das könne das Ausland zuletzt nur in
Veit Stoß und in dem Kreis um den Nürn-
berger sehen. In Kolbe (s. Abb.) findet
man die deutsche Fortsetzung von Rodin, und
Barlach wird als düster angesprochen. Besser
schneidet die Malerei ab, und namentlich
Poetzelberger findet viel Anerkennung. Dann
aber macht man auf den Gegensatz in der
deutschen Ausstellung aufmerksam: auf den
Kontrast zwischen „einem frenetischen und
aufgeregt-düsteren Traum und einer minu-
tiösen, wissenschaftlich-anatomischen Sach-
lichkeit“ und stellt fest, es spiegle sich hier
der deutsche Charakter mit allen seinen
Stärken und seinen Gefahren ab.
Die andere Ausstellung, in der von National-
kunst gesprochen werden, könnte, ist die
russische ; aber dort lebt man entweder
im Plakat oder im vorigen Jahrhundert und in
Historienmalerei zu Werbezwecken. Deyneka
verdient als ein eigenartiger und charakte-
ristischer Maler genannt zu werden: von all-
gemeiner gemeinsamer Haltung aber ist sonst
nichts zu finden.
Frankreich hat keine neuen Kräfte zu
versenden; die Biennaleschau Frankreichs
stützt sich auf Manet und die Revolutionäre
von gestern. Die Manet-Ausstellung freilich
ist großzügig und großartig; sie reicht von
1861, dem Fischfang, bis zum Bild der jungen
Frau aus dem Jahre 1881, und in der Mitte der
Wand triumphiert Nina de Callias, d. h. die
Dame mit dem Fächer. Revolutionär von
gestern aber ist Dunoyer de Segonzac, die
luftigste, gegenständlichste, reichste und zu-
gleich einfachste Malerei, die in Frankreich
aus dem Kubismus herausgewachsen ist. Der
Bildhauer Maillol überredet kaum zu Frank-
reichs gegenwärtiger Skulptur.
Die englische Ausstellung ist auf-
richtiger; auch das offizielle England ist ver-

treten und endlich einmal vornehmlich mit
Landschaften; es herrschen nicht die Porträts
wie gewöhnlich; Brown und Hall, beide Aka-
demiker, können als die besten Vertreter der
unerschütterten und wohl unerschütterbaren
Tradition englischer offizieller Malerei gelten.
Die Phantasien James
Prydes bilden Übergang
von Landschaft zu fi-
guralem Bild mit Ele¬
mentarerscheinungen
inmitten von unglaub-
lichen . Architekturen,
belebt von gespenster-
haften Figuren. Viele
angenehme Aquarelle
hat England in Venedig:
Nicholson mit seiner
linearen, vielleicht an
Klee inspirierten Geo-
metriemalerei und Ne-
vinson, der in dem Fu-
turisten Dottori in Ita-
lien einen Verwandten
hat. Von Dänemark
und der Tschecho¬
slowakei sprachen
wir schon am Anfang:
es bleibt trotz all der
großen Themen, der
Stürme und Orkane,
ein Nachhinken hinter
dem Vorgestern von
Paris; nicht aber, wie
es früher war, ein be-
rechtigtes Lernen an
der Hegemonie eines
überragenden (wenn
vielleicht auch französi-
schen) Malers. Polen
fällt durch die große
ehrliche Sauberkeit vie-
ler Bilder auf: Zamo-
yski und Cybis, Kana-
rek, Jedrzejewski sind
eigenartige Beschreiber
ihres Volkes; Schulz
ist tragisch und düster
und steht ganz in
scharfem Gegensatz zu
jenen Polen, die in beschwingtem Warschauer
Kursiv dem Diktat von Paris folgen.
Die Schweiz hat allein von Amiet eine
Ausstellung nach Venedig geschickt. Auf acht-
unddreißig Bildern stehen wir immer wieder
vor den Versuchen, wie eine übersehbare Kraft
das Gigantenwerk einer schweizerischen Syn-
thesis dreier Nationen, der deutschen, der
französischen und der italienischen zustande-
bringen will. Es bleibt die Einfachheit, die
Ehrlichkeit, das Fernbleiben von jedem
Schwindel in diesen Bildern bewundernswert,
das schöne Talent und das bedeutende Können;
aber die schweizerische Synthesis, die schließ-
lich Europa in seinen wichtigsten Aspekten
binden würde, die finden wir nicht.
Wenn es irgendwo eine Kunst gibt auf
dieser Ausstellung, die wieder dem Bürger ge-
fallen will, die für das moderne Zimmer ge-
dacht, komponiert und gemalt ist, so ist es
die im österreichischen Pavillon. Es
gibt Bilder dort, die sehr hübsch sind; aber
bei allen zusammengenommen stößt man immer
wieder auf Geschmäcklerei. Viel voluminöser,
ernsthafter, manchmal akademischer, aber
arbeitender tritt Ungarn auf; Fenyes’
wunderschöne Landschaft ist ganz aus Ungarns
Boden gewachsen; Csok und Polya, Egry mit
seinem Balaton-See sind Versprechen für eine
sicher nicht ferne Zukunft. Hat Holland

in den Jahren seit 1914 zu wenig gelitten, war
es zu sehr außerhalb des bösen Weltgeschehens,
daß seine Ausstellung so gleichgültig läßt?
Brave Bilder oder nicht, aber alle sind lang-
weilig und von gestern, heillos von gestern,
und die Rückkehr zu einer Tradition aus dem

17. Jahrhundert macht die Sachlage kaum
besser. Griechenland hat zum erstenmal
eine Überschau über seine Maler gegeben, aus
der man wohl vieles kennen lernte, aber kaum
schon einen Eindruck und noch weniger ein
Urteil erhielt. G. Reinboth
Ausstellungen

in Köln
Fritz Burmann
In der Domgalerie in Köln wurden
Gemälde aus Ostpreußen von Prof. Fritz Bur-
mann ausgestellt, die die Landschaften und
Menschen des Ostens gestalten: Abend auf der
Nehrung, Kurenmädchen, Hafflandschaft,
Fischerfrauen. Burmann hat die rheinische
Farbigkeit mit in den Osten gebracht. Die
Bilder erfreuen das Auge durch die kluge und
kultivierte malerische Interpretation. Die un-
befangene und doch sicher geordnete Farbig-
keit — z. B. im Bild „Unterhaltung“ — tritt im
Bild „Nehrungsabend“, das ich für das beste
halte, zugunsteneiner größeren Verinnerlichung
zurück. Die Töne sind gedämpft. Ein weiches

Stefano Ussi, Damenbildnis
nternationale Kunstausstellung Venedig 193t
 
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