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22. JULI 1934

ARTopfeWORLD

VIII. J AH RGANG. Nr. 29
JNST

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DES BUNDES DER DEUTSCHEN KUNST- UND ANTIQUITÄTENHÄNDLER E. V. MÜNCHEN

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G.m.b.H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto - Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
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Haag 145512; Paris 1700 14; Prag 592 83; Wien 114783; Zürich 8159

früher:


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Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B5 Barbarossa 7228

Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk.5,50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50


Bemerkungen
zum italienischen Kunstmarkt

Dürer und Italien — Der bibliophile Antiquar — Bildrestaurierungen

Das auffälligste Ereignis des italienischen
Kunstlebens in den letzten Monaten war ohne
Zweifel der Verkauf des „Christus unter den
Schriftgelehrten“ von Dürer aus der Samm-
lung Barberini in Rom an die Londoner Natio-
nal Gallery. Bereits seit Monaten wurde
davon geflüstert, daß seine bisherige Unver-
käuflichkeit keine so strenge mehr war wie


Bu cheinband für König Philipp II.
von Spanien
16. Jahrhundert
Escorial, Bibliothek

bisher. Der italienische Kunstmarkt, soweit
er sich noch aus dem Besitze alter Familien
nährt, ist ja überhaupt wieder etwas lockerer
geworden als in den letzten Jahrzehnten. Neben
dem vielen Schulgut, das unter großen Namen
segelt und immer zu haben war, wird jetzt
auch immer wieder irgend ein Werk „locker“,
dessen Erwerb schon zu reizen vermag. Die
sehr bedeutenden Lasten, die gerade die alten
Familien in einer wirtschaftlich schwachen Zeit
zu tragen haben, machen im Verein mit einem
kostspieligen und belasteten Bodenbesitz
manchen großen Namen geneigt, sich durch
Abgabe eines berühmten Werks eine gewisse
Erleichterung zu schaffen. Aber von all dem,
was sich da anbahnt, realisiert sich so gut

wie nichts. Italien ist längst nicht mehr das
Land der glücklichen Zufallskäufe. Man darf
nicht mehr an die Zeit etwa Adolf von Becke-
raths denken, selbst wenn man ganz gut weiß,
wie sehr dieser Sammler s. Z. bei uns über-
schätzt wurde.
Einer der bekanntesten italienischen
Denker definierte kürzlich einmal den Unter-
schied zwischen Deutschen und Italienern
dahin, daß der Deutsche Romantik habe, der
Italiener aber Phantasie. Das mag richtig
sein, aber es erschwert mitunter auch die Ver-
ständigung auf dem Kunstgebiete, auf dem
Kunstmarkte außerordentlich. Die Romantik
baut auf einer idealen Grundlage auf, die
Phantasie auf einer sehr realen. So ist z. B.,
so merkwürdig das klingen mag, der Meister-
name für die mit Tradition gesättigte italieni-
sche Phantasie eine viel positivere Grundlage
als die rein qualitative Bewertung der Malerei
an sich. Alles strebt zum Meisternamen, in
einer uns oft seltsam anmutenden Hartnäckig-
keit. Es kann nicht der Zweck dieser Ausfüh-
rungen sein, gegen den alten Venturi oder gar
gegen den jüngst verstorbenen Ricci zu polemi-
sieren. Aber eine gewisse Leichtfertigkeit in
der Verleihung der größten Namen ist für
Italien charakteristisch. Gerade im Zusammen-
hang mit dem römischen Dürerbild waren in
den letzten Wochen ein paar italienische
Dürer zu sehen, deren Seltenheit ja nicht zu
diskutieren ist. Eine Madonna mit Kind —
großes aufgemaltes Monogramm — im Kunst-
handel, die mit dem Meister nicht das Ge-
ringste zu tun hat. In einer der berühmtesten
Privatsammlungen ein alter Männerkopf •—
ebenso mit aufgemaltem Monogramm —,
bestenfalls ein Hans von Kulmbach, der sogar
an hervorragender Stelle in die staatliche
Schutzliste aufgenommen wurde. Über diese
staatliche Kunstliste Italiens wäre überhaupt
viel zu sagen. Es scheint bisweilen, als diente
sie bis zu einem gewissen Grade der gegen-
wärtigen italienischen Kunstliteratur als
Grundlage und machte sie so entsetzlich un-
verläßlich.
Diese italienische Phantasie mit ihrer
realistischen Grundlage geht aber natürlich
auch über in die Preisgestaltung. Die traditio-
nelle Ehrfurcht vor den Meisternamen ist ver-
knüpft mit der Erinnerung an jene Zeiten, in
denen die jetzt bald sagenhaft gewordenen paar
großen Amerikaner einige wirklich große
Werke der italienischen Kunst zu märchen-
haften Preisen aus Italien herausholten. Die
Meisternamen und die Preise sind noch da,
aber die Werke, die sich mit ihnen decken
würden, fehlen, ganz abgesehen davon, daß
sich inzwischen ja auch die Amerikaner etwas
geändert haben. Es ist ein erlesener Genuß,
einem alten italienischen Adligen in seinem
noch älteren Palazzo gegenüber zu sitzen und
sich mit ihm zu unterhalten. Aber sowie man
auf Bildernamen und Bilderpreise kommt, ist
man kopfschüttelnd um eine ganze Periode
der Kulturgeschichte auseinander und findet
keine Brücke mehr.

In Deutschland ist man der Meinung, daß
der Dürer mit 2 500 000 Liren billig erworben
wurde. Nach italienischen Ansichten war der
Preis angemessen, da es sich um das allen be-
kannte Bild, in dem er am ausgesprochensten
versuchte, mit dem überstarken Einfluß des
alten Bellini fertig zu werden. Eine für seine
Geschichte wichtige Arbeit gewiß, aber doch
kein für ihn und uns entscheidendes Werk.
*
Ein interessantes italienisches bibliophiles
Schicksal ersteht vor uns mit dem ersten
Bande der Bibliothek Giuseppe Mar-
tini, den H o e p 1 i in Mailand soeben in 300
Exemplaren herausgibt. Er verzeichnet mit
aller wissenschaftlichen Akribie über 400 rein
italienische Inkunabeln und ist als Beitrag zur
Geschichte des italienischen Schrifttums gar
nicht hoch genug zu werten. Achille P e 1 i z -
z a r i schrieb die Einleitung, die ein inter-
essantes Leben sinnfällig macht. Martini
stammt aus Lucca, jener hübschen kleinen
Stadt Italiens, die zugleich immer Leute von
Geschmack und ganz ausgezeichnete Kaufleute
hervorbrachte. Das doppelte Erbe machte
Martini erfolgreich. Er verband mit dem ge-
wählten Geschmack der Toskana und starker
wissenschaftlicher Schulung praktischen Sinn,
wurde Antiquar, ging nach New York, wo er
eine führende Stellung einnahm und eigentlich
jene großen bibliophilen Auktionen einführte,
die dann nach Europa Übergriffen. Sein bester
und leidenschaftlichster Kunde wurde dabei
schließlich, wie mancher andere große Anti-
quar, Martini selbst. Jetzt sitzt er in Lugano,
halb Händler, vielleicht zur größeren Hälfte
Sammler. Vielleicht wird er sich bald seines
Geschäfts entledigen wie seiner allgemeineren
Bestände, und wie alle berühmten Männer von
Lucca wieder in die Vaterstadt zurückkehren,
um dort sein Leben innerhalb seiner Privat-


Deckelkrug James I
London, 1607 —: Silbervergoldet, H. 30 cm
Versteigerung: Sotheby & Co., London
14. Juni 1934: £ 999/12
ihre Privatsammlungen auffällig. Die starke
Neigung, in erster Linie selbst Sammler zu
sein, ist für sie charakteristisch.
*


Katalog, in dem allein Savonarola mit 46 Num-
mern vertreten ist.
An den wenigen großen italienischen Anti-
quaren, die wir besitzen, sind ja überhaupt

Er
aller
ge-

sammlungen zu beschließen. Eine Art Ab-
schluß, Rechenschaft bedeutet dieser kostbare

Schembart-Visierhelm
Versteigerung: Galerie Fischer, Luzern, 27. Aug_1. Sept. 1934

’ ; •

Wen in diesen Tagen einmal der Zufall
wieder in die Mailänder Brera führte, der sah
sich einer großen Über-
raschung gegenüber.
Eine Reihe sonst weit
verstreuter Meister-
werke der italienischen
Malerei, unter anderem
Giorgiones Madonna
von Castelfranco, waren
ausgestellt. Man konnte
sie in einer Ruhe und
in einer — von keinem
erklärenden Führer ge-
störten — Einsamkeit
bewundern und studie-
ren, die zu Dank ver-
pflichteten.
Diese Bilder waren
zu Besuch bei Pellic-
c i o 1 i, dem berühmten
Konservator der Mai-
länder Brera, um sich
von kleinen Krankheiten
kurieren zu lassen. Pel-
liccioli spielt ja heute
im Kunstleben ungefähr
dieselbe Rolle, wie sie
einmal der alte Hauser
in Berlin spielte,
ist vielleicht in
Heimlichkeit der
schätzteste Restaurator der Welt geworden.
Seine Methode ist von der Hausers grund-
verschieden, vorsichtiger, zurückhaltender. Er
will nicht aus dem Bilde ein neues Bild machen,

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Sammlerobjekte:

Broncen, Frühkeramik, Jades
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Ständige Ausstellung ostasiatischer Kunstwerke aus persönlichen Einkäufen in China und Japan

Einrichtungsgegenstände:
Möbel, Teppiche, Bilder
 
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