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DIE WELT KUNST

Jahrg. VIII, Nr. 8 vom 25. Februar 1934

Sachlichkeit vor dreihundert Jahren! Unbe-
fangenheit und etwas rührende Ungelenkigkeit
spricht aus den „Winterbildchen“ (Nr. 124),
„Jesus und den Bauern“ (Nr. 125), dem „Blick
auf einen Dorfweg“ (Nr. 121) oder der Blick
weithin über das „Scheldeland“ (Nr. 118), des
Sohnes, womit man das „rondje“ des Vaters
(Nr. 128) verglich. Auch Hans Boi ist mit
einem schönen Fernblick (Nr. 102) vertreten.
Dem seltenen Cornelis van Dalem
widmet Dr. Burchard einen ausführlichen
Artikel, der sich mit einer Felsenlandschaft
der Sammlung van der Geest beschäftigt,
welche in der „gemalten Galerie“ des Willem
Verhaecht wiedergegeben ist, und deren Teile

in zwei verschiedenen Sammlungen auf-
gefunden wurden; sie konnten nun ver-
einigt werden (Nr. 110). Weniger vortrefflich
als sonst wohl scheint uns Abraham
Govaerts vertreten. Ein seltener Gast ist
der deutschböhmische, unter flämischem Ein-
fluß stehende Maler J. J. Hartmann. Auf
Werke eines Gillis d’Hondecoeter (hier
mit einer feinen Waldlandschaft anwesend),
eines M i r o u und M i c h a u, die doch meist
nur schwächerer Abglanz des Sammetbrueghels
sind, hier aber z. T. mit überdurchschnittlichen
Leistungen hängen, wird man in einer der
flämischen Landschaftsmalerei gewidmeten
Ausstellung rechnen dürfen, weniger auf den
neitnicu Mathaeus Molanus (Nr. 154).
Alle bannen sie oft große Landschaften in
engen Rahmen. Dagegen zieht Joost
de Momper bisweilen große Formate vor,
wie auch die meisten hier ausgestellten Stücke
zeigen, welche die Erinnerung an die Momper-
Ausstellung vor drei Jahren wachrufen, wo er
freilich noch besser und z. T. auch wohl in noch
qualitätsvolleren Werken zu studieren war.
Jacques und vor allem Roelant Saveri j
sind ebenfalls vertreten, letzterer auch mit
signierten Werken; neben seinen bekannten
Tierbildern findet sich auch ein Bauemtanz vor
einer Herberge, früher in der Sammlung
Enthoven und voriges Jahr bei Frederik Muller
versteigert (Nr. 167). Erfreulich ist der Ein-
druck, den die zierlichen und feinen, doch nie
ins Kleinliche abgleitenden Bildchen Adriaen
van Stalbemts machen; das schönste da-
von ist wohl das „rondje“ mit Wald und Fluß
(Nr. 186). Vor der Berglandschaft des Lucas
van Valkenborgh (Nr. 196) wird man
fast an Houbrakens Worte über Seghers er-
innert: Er ging schwanger mit ganzen Pro-
vinzen“. Vinckeboons lernt man in seiner
„Speisung der Armen“ (Nr. 204) und in seinem
feinen „Waldbild mit Figuren“ (Nr. 207) von
zwei verschiedenen Seiten kennen, die durch
andere Darstellungen noch ergänzt werden.
Daß auch bei den, unter dem Sammelnamen
„Flämische Schule“ erscheinenden Werken
manche tüchtige Leistung zu finden ist, wird
niemanden überraschen, der die Blüte dieser
Kunst anfangs des 17. Jahrhunderts auch in
den Werken kleinerer Meister kennt.
Noch ein Wort über die Stil leben der
Ausstellung. Auch hier fehlt es nicht an
seltenen Meistern, und man kann viele Aus-
stellungen besucht haben, bevor man etwa
einem Peter B i n o i t, einem Y k e n s, einem
van Flechtenhorst (von dessen Lebens-
daten und Werken ebenso wenig bekannt ist,
wie von denjenigen des bereits erwähnten
K o p f f) begegnet. Für die Möglichkeit, sie
hier betrachten und studieren zu können, wer-
den Stilkritik und kunsthistorische Forschung
sicher dankbar sein. Balthasar van der
Ast ist mit charakteristischen Arbeiten ver-
treten, ebenso der einfache GeorgFlegels,
dessen Werke öfters der Malerin M o i 11 o n
zugeschrieben werden; der Haarlemer Hans
B oll ongi er zeigt, daß man auch vor drei-
hundert Jahren zarte Blumen mit breitem
Pinselstrich in einer Weise wiederzugeben ver-
stand, die doch ihrer fragilen Schönheit ge-
recht wurde. Von den Arbeiten der vier B o s -
schaerts wurde bereits gesprochen. Aus
der Brueghelfamilie sind außer dem Sammet-
brueghel auch Abraham Brueghel und
Jan Brueghel d. J. vertreten. Dem
ersteren schreibt der Katalog einige Stilleben
zu, die früher unter dem Namen Ambrosius
Brueghel gegangen waren, während dieser doch
nur Landschaftsmaler war. Unter der Be-
zeichnung „Holländische Schule“ findet sich ein
feines Blumenstückchen (Nr. 286), während

ein unbekannter Meister der „Flämischen
Schule“ (vielleicht Joris Hoefnagel?) eine
ganze Welt von leckeren Eßwaren und dazu
das Auge erfreuende Blumen vereint, freilich
jedes Stückchen doch wieder sauber vom
anderen getrennt (Nr. 340). Einige sehr an-
sprechende van Hu 1 s d o n c k fehlen nicht.
Mit vielen Werken ist der Insekten- und
Blumenmaler Jan van Kessel vertreten,
dessen fast farbenphotographiehafte Natur-
treue ihn selbst dort nicht verläßt, wo er etwa
den etwas grilligen Einfall hat, die Buchstaben
seines Namens durch allerlei Gewürm darzu-
stellen. Ein schöner Daniel Seghers
(Nr. 329), Zinnteller mit Blumen, fällt auch

unter anderen guten Blumenstilleben angenehm
auf, und erfreulich ist auch die Bekanntschaft
mit den Werken von J. S o r e a u.
Zeichnungen des Bauernbrueghel, dar-
unter die Prudentia, die Gula und die Superbia,
viele aus der langen Schaffenszeit des Sammet-
brueghel und zahlreiche von anderen flämischen
Meistern, runden das Gebotene ab.
Der Veranstalter der Ausstellung hat mit
der etwas bequemen Gewohnheit gebrochen, die
ausgestellten Werke unter den Namen oder der
Zuschreibung zu katalogisieren, welche die Be-
sitzer für richtig hielten. Das mag letztere
in Einzelfällen enttäuschen. Gleichwohl ist
dies der richtige Weg, will man beide Alter-
nativen der Aufgabe erfüllen, die der
lateinische Dichter seinen Kollegen stellt: zu
erfreuen oder zu belehren. Die Ausstellung
tut beides. Dr. W. M.

AUSSTELLUNGEN
Kirchliche Kunst
in Rom
Die Ausstellung füllt den großen modernen
Kunstpalast an der Valle Giulia. Es haben
sich an ihr beteiligt neben Italien: Deutsch-

land, Frankreich, Ungarn, Polen, die Tschecho-
slowakei, Österreich und die Schweiz.
Das Niveau der einzelnen ausstellen-
den Länder, die jeweils in festgefügten
Abteilungen sich darstellen, ist sehr ver-
schieden. Zweifellos am ungünstigsten

Haben Sie schon die
„WEL TE ENS T“
abonniert ?

schneidet die Tschechoslowakei ab,
die plastische Monumentalgruppen von stark
akademischem Gepräge ausgestellt hat.
Auch die Schweiz macht nur geringen
Eindruck. Sie zeigt wohl eine ganze Reihe
gut komponierter Glasfenster, sie schädigt sich
jedoch sehr durch eine Kollektion kirchlichen
Kultgerätes, das alle Unarten der modernen
Kunstgewerbeschule aufweist. Auch die
österreichische Abteilung ist merk-
würdig schwach in ihrer Wirkung.
Mit der polnischen Abteilung beginnen
jene, die den eigenen Nationalcharakter auf
dieser Ausstellung bewußt gestaltet zum Vor-
trag gebracht haben. Wohl fehlt bei den Polen
die charakteristische Holzskulptur, es fehlt ein
auf dem Gebiet des modernen Holzaltars so er-
folgreicher Meister wie Jan Szczepkowski, eine
schwer erklärliche und schwer verzeihliche
Unterlassung, dafür aber ist die ausgezeichnete
Druckgraphik ausgestellt, die Polen im An-
schluß an seinen Bauernholzschnitt mit großem
Erfolg im letzten Jahrzehnt entwickelt hat.
Frankreich bemüht sich, die große
plastische Tradition seiner Kirchenportale, auf
unsere Tage weitergeführt, vorzuzeigen. Es
hat daher zwei solcher Portale in der Aus-
stellung selbst aufgerichtet und sie mit
moderner sakraler Plastik besetzt. Das über-
ragende Gewicht Bourdelles ist unverkennbar.
Sehr geschickt haben die Ungarn ihre
Abteilung gestaltet, indem sie den ihnen zur
Verfügung stehenden Raum in das Innere einer
Dorfbasilika umwandelten. Über dem Hoch-
altar eindrucksvoll die ungarischen National-
heiligen mit einer Inschrift, die auf die
politische Demütigung des ruhmreichen Landes
hinweist.
Umfangreich ist natürlich die italieni-
sche Abteilung, die den allergrößten Teil der
Ausstellung bestreitet. In ihr finden sich über-
raschend viele Arbeiten von Bedeutung. Nie-
mand wird sich des Eindrucks verschließen
können, daß hier eine große Anzahl technisch
vorzüglich ausgebildeter Kräfte am Werke ist.
Dies gilt so ziemlich für alle Sparten der
Kunst gleichermaßen, sowohl für die Plastik
als auch für die Malerei, Glasfenster-Kunst,
die Paramenten, die Goldschmiedearbeiten als
auch endlich für den Orgelbau. Das Haupt-
interesse, schon dimensional, beansprucht
Pietro Gaudenzi für sich mit seinem Gemälde-
Zyklus „Die Sakramente des Lebens“. Viel be-
achtet ein strenger Altar mit frühchristlichem
Ornament, ganz ausgeführt in grünen Fayence-
Kacheln.
Die deutsche Abteilung, die von Prof.
Georg Lill zusammengestellt wurde, hat
sich am stärksten an die gestellte Aufgabe ge-
halten und nur Werke versammelt, die eine
ausgesprochen sakrale Absicht haben. Im
Mittelpunkt stehen Goldschmiedearbeiten und
Paramente. Das auf diesen beiden Gebieten
Geleistete stellt zweifellos alles andere in
den Schatten, was in dieser Hinsicht die
gesamte Ausstellung darbietet. Das meist be-
wunderte Stück ist der Reliquienschrein des
Heiligen Bartholomäus aus dem Dom in Frank-
furt a. Main, Silber vergoldet mit Bergkristall
und Halbedelsteinen von K. B. Berthold in
Köln. Sehr bemerkenswert die Kelche und
Ziborien von Fritz Möhler, Max Olofs, Ruth
Schaumann, Julius Schneider, Fritz Thoma und
I. M. Wilm. Als großes Kunstwerk darf das
Pastoralkreuz für den deutschen Bischof zu
Rom von Bernhard Witte gewertet werden.
Qualitativ durchaus auf gleicher Höhe die
Mitren, Bursen, Stolen, Kasein und Pluviales
von Ella Broesch, Hilde Buchholz, Freiin von
Fleury, Käthe Horndasch, Paulus Hunkemöller,
Lydia Jungmann und aus den Trierer Werk-
stätten. Besonders schön jene von Jungmann
und Horndasch. Unter den Plastiken nennen
wir die Pieta von Arnold Henzler, etwas zu

altertümelnd, die Pieta von Baur-München, die
Schmerzensmutter von Franz Guntermann
(s. Abb.), ein schönes Relief der Bergpredigt
von Hans Panzer, die Kreuzweg-Stationen für
die Kirche Alt-Wette in Schlesien von Emil
Sutor, ein paar sehr liebenswürdige musizie-
rende Engel in Majolika-Fliese von Max
Läuger und endlich einen in Bronze getriebenen
Osterleuchter von Müller-Örlinghausen aus der
Heiligen-Geist-Kirche in Charlottenburg.
Unter den Gemälden das tief empfundene
von Arnold Jutz-München „Einsetzung des
heiligen Altarsakraments“. Im weiteren solide

Jacob Grimmer, Dorfstraße. 1583
Holz, 26:37 cm — Kat. Nr. 128
Ausstellung: N. V. Kunsthandel P. de Boer, Amsterdam



A. M a i 11 o 1, Le concert
Oel, 34:38 cm — Kat. Nr. 1182
Versteigerung: Max Perl, Berlin, 2./3. März 1934

Arbeiten in der alten Tradition von Carl
Caspar, Otto Graßl, Paul Plontke, Matthäus
Schiestl.
Faßt man den Eindruck der Ausstellung zu-
sammen, so wird man sagen dürfen, daß viel
Gutes und Anregendes zu sehen ist, daß aber
letzten Endes kaum auf diese Weise das zu er-
reichen sein dürfte, was sicher des Schweißes
der Edlen wert wäre, nämlich die fabrikmäßig
hergestellte und daher durch ihre Verbreitung
vor allem auf den Geschmack der Massen
wirkende „Devotionalkunst“ zu verbessern.
Dr. A. K.
Juryfreie
Berlin, B e 11 e vu e s t r a ß e
Professor Hermann Sandkuhl, der die
„J u r y f r e i e“ betreut, überrascht durch seine
Art, Ausstellungen zu veranstalten, immer wie-
der. Diesmal hat er nicht nur mit den beiden
Sälen, in denen Werke von Barlach gezeigt
werden, eine glückliche Hand gehabt —
Plastiken und Zeichnungen in erlesener Aus-
wahl und ausgezeichneter Aufstellung, die eine
äußerst eindringliche Vorstellung von der Art
dieses überragenden Künstlers ermöglichen —,
er gibt auch sonst dem Kunstleben der Reichs-
hauptstadt durch Kollektionen und Einzel-
stücke, selbst da, wo sie problematisch er-
scheinen, Anregungen und Hinweise, für die
man dankbar sein muß. Plastisches Schaffen
der Gegenwart gelangt in dieser neuen Schau
betont zur Geltung. Neben der Fülle von Bar-
lach-Werken zwei charakteristische. Schöpfun-
gen von Gerh ard Mareks (die lebensgroße
„Schwimmerin“, eine ganz reife und über-
zeugende Lösung), einige in den durch-
gefühlten Formen ausdrucksvolle Arbeiten des
Düsseldorfers Carl Moritz Schreiner
u. a. Von den 24 Malern fällt vor allem Otto


Franz Guntermann (Münster)
Schmerzensmutter
Ausstellung kirchlicher Kunst in Rom

F r e y t a g auf, in seiner selbständigen, sehr
noblen und kultivierten Haltung das künst-
lerische Erbe von Kerschbaumer verwaltend.
Eine Serie charaktervoller Aquarelle kenn-
zeichnen die feine Art von Irma Breusing,
der die freiere malerische Manier von Madeline
Winkler gegenübersteht, drei hellfarbige
Stücke die aparte Weise von Carl Crodel.
Die stark auf sonorfarbige Silhouettenwirkung
eingestellte Kunst Peter Stermanns
drängt ebenso zum Monumentalen wie die
„Pferde am Strand“ von Steiner-Send-
ling. Es gibt überhaupt auf dieser Aus-
stellung, die in ihrer Gesamtheit ungleich, im
einzelnen aber immer interessant wirkt, eine
Menge zu sehen. Künstler aus dem Reich, be-
sonders seinem westlichen Teil, wurden stark
herangezogen. Die Bildhauer Schreiner und
Jupp Rübsam sind ebenso Düsseldorfer
wie Otto Pankok, Adolf de Haer
und Heinz May. Zk.
Basler Teppich-
Ausstellung
Die Ausstellung „Der orientalische
T e p p i c h“, die gegenwärtig im Gewerbe-
museum in Basel stattfindet und über die wir
in Nr. 7, S. 4, berichteten, bleibt bis zum
4. März geöffnet. In Ergänzung unserer An-
gaben über die Besitzer, die durch Leihgaben
die Ausstellung ermöglichten, sei die Münchener
Kunsthandlung L. Bernheim er genannt,
die allein über fünfzig hervorragende Stücke
zu sämtlichen Abteilungen der Ausstellung
(Armenien, Kaukasien, Kleinasien, Ägypten,
Türkei, Persien, Indien, China) beigesteuert hat.

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Pension ab Frs. 12.— Prospekte auf Anfrage
 
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