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DIE WELTKUNST
Jahrg. VIII, Nr. 11 vom 18. März 1934
Stübner, Schreiber, Niemeyer-
Hol s t e i n u. a. in erster Linie Landschafter
sind gleich den Westdeutschen Horn,
Bechtel, ten Hompel und den Sachsen
Tümmling, Schnabel, Krug, Henke.
Machen wir uns weiterhin bewußt, daß schon
die Rückkehr zur Landschaft, die Wahl dieses
Bildthemas, Ausdruck eines Weltgefühls ist,
das in romantischem Sinne deutsche Allver-
bundenheit, kosmische Weite, deutsche Besinn-
lichkeit und eine Naturliebe religiöser Prägung
kennt, so verstehen wir, daß diese Kunst eine
Kunst unseres Heute ist. Hier sprechen Be-
ziehungen zu Naturhaftem, zu Letztem,
Wesensmäßigem, all das, was aus tiefster Be-
sinnung auf deutsche Art den Urgrund auch
unseres politischen Tuns ausmacht.
Auf der anderen Seite war die „Westfront“
trefflicher Beweis, wie diese junge Kunst all-
mählich geworden, wie die „Klassiker der
Moderne“ die Expressionisten sind, soweit sie
wahr und echt.
Jene Künstler haben in ihrer Kunst in der
jüngsten Vergangenheit ein erstes Mal auf die
A U S S T E L
in Berlin:
Bob Gesinus
Der junge holländische Maler, der eine
größere Kollektion von Ölbildern und Aqua-
rellen in der Galerie von der Heyde
zeigt, verleugnet auch in schlichten, gefälligen
Darstellungen aus der südlichen Landschaft
seine Abstammung nicht. In dem Blick über
tiefblaue Seeflächen, auf Häfen mit ihren
Bootsanlagen, Gärten und Hügelwellen, die mit
grüner üppiger Vegetation übersponnen sind,
ist die Form kaum sonderlich aktiv und die
Farbengebung, die erweist, daß der Künstler
Werke von Vlaminck und van Gogh mit Nutzen
IV*)
Alf Bayrle
Das Bodenständige in der deutschen Kunst
kann sich nur stark und rein erhalten, wenn
das Temperament des Künstlers über alle Ein-
flüsse, Stilrichtungen und Landschaften er-
haben ist, wenn die ausstrahlenden Kräfte stär-
ker sind als die rezeptiven Kräfte und wenn der
Charakter fest und geschlossen zu einer end-
gültigen Form reift. Der Künstler darf sich
dabei aber nicht abschließen von den geistigen
Strömungen seiner Zeit und den handwerk-
lichen Errungenschaften früherer Jahrhun-
derte. Sonntagsmaler, die nur aus eigener In-
tuition und fern den ästhetischen Prinzipien
ihrer Zeit schaffen, wurden im Gesamtverlauf
der Kunstgeschichte stets als Außenseiter be-
*) Vgl. „Weltkunst“ 51/VII u. 4, 7/VIII.
Urgründe des Lebens hingewiesen. Ihr
Schaffen wollte das Erfüllte und Wesenhafte,
das Beseelte des Lebens darstellen. Sie waren
es, die sich gegen allen Materialismus in Philo-
sophie und praktischem Leben wandten. Ihre
Kunst bezeugt: nicht im Außen, im Stofflichen
erschöpft sich das Sein. Kunst muß das Hinter-
gründige, das Wesenhafte, das eigentlich
Tragende wiedergeben.
Dieses Erbe überkam der jüngsten Genera-
tion. Sie führt es weiter, aber — im Zuge der
Zeit — unmittelbar, anschaulicher, lebens-
näher.
Das ist nicht nur der Gang der Geschichte.
Lebendiger Beweis sind da auch die Wand-
lungsfähigen unter den Künstlern. Wir
brauchen nur die Brücke-Maler heute und einst
zu sehen. Wir brauchen den neuen Barlach
„Zwei Mönche“ mit Werken von vor 10 und
20 Jahre zu vergleichen, und der Weitergang
unseres deutschen Stilwollens vom Expressiven
zur Anschaulichkeit, vom Ausdrucksmäßigen zu
wesenserfüllter Form ist auch hier offen-
sichtlich. Dr. H. Griebitzsch
LUNGEN
studiert hat, nordländisch betont. Die Aqua-
relle in ihrem leichten, heiteren, fröhlich an-
mutenden Zug lassen dies weniger erkennen.
Verdichteter, einprägsamer erscheinen die
Stücke, in denen das Atmosphärische nord-
deutscher oder niederländischer Gegenden zum
Ausdruck kommt. Wenn sich frierendes Geäst
gegen winterlich-wolkigen Himmel reckt oder
eine Allee von kahlen
Baumstämmen in eine
Tiefe führt, in der das
Nasse, Besondere der
Luft mit sparsamen
malerischen Mitteln er-
reicht wird, werden
Stimmungen gegeben,
deren eigener Klang
aufmerken läßt.
Schmidt
Rottluff
Es ist vielleicht kein
Zufall, daß bei Nie-
re n d o r f wieder ein-
mal in Ölstücken,
Aquarellen und Holz-
schnitten von Karl
Schmidt - Rottluff die
Gültigkeit einer Kunst
gezeigt wird, die in
ihrer strengen, kraft-
vollen Haltung und dem
ganz außerordentlichen
Berlin Reichtum des Farbigen
zu einer Form, einem
Stil gelangte, der einer dem Augenerlebnis
etwas entwöhnten Zeit das Vorbildliche einer
ungemein malerischen Existenz entgegenhält.
In diesen Landschaften, Blumenstücken,
Köpfen herrscht unter Verzicht auf alles
Nebensächliche eine Ordnung und Gesetz-
mäßigkeit, die das unmittelbare Erlebnis in
eine höhere, endgültige Sphäre rückt und auch
den farbig besonders rauschenden Aquarell-
trachtet. Nur, wenn die Künstler von den Pro-
blemen ihrer Zeit erfüllt sind, wenn sie zu
neuen Lösungen die Wege weisen oder das Cha-
rakteristische ihrer Zeit herausstellen, gewin-
nen sie ewig gültige
Werte und erfüllen ihre
Berufung zur wahren
Kunst.
Es gibt Künstler, die
—■ wie wir bereits
früher an dieser Stelle
aufgezeigt haben — in
der Fremde ihre persön-
liche Eigenart verlieren
und die erdrückt werden
von den Einflüssen, die
auf sie eindringen. Sol¬
chen Menschen fehlt
die innere Triebkraft
und die persönliche
Handschrift. Anders die
Künstler, die nach lan-
gem tastendem Suchen
den Weg zu sich selbst
finden, zu einer eigenen
Form und einem eigenen
Stil, die sich in folge-
richtiger Entwicklung
immer stärker und
klarer entwickeln.
Zu diesen gehört der
Schwabe Alf Bayrle, um
die Jahrhundertwende
in Biberach geboren.
Bevor er sich ganz der Malerei hingab, erlebte
er als erste große Erschütterung seines Lebens
die Größe und Not des Weltkrieges. Dieser
kraftvolle, dumpfe Akkord, der seiner künst-
lerischen Entwicklung den Auftakt gab, er-
sparte ihm, wie so manchem seiner Zeitgenos-
sen, den ewigen Kampf der früheren Künstler-
generation. Cezanne und van Gogh haben ihr
ganzes Leben lang gekämpft, bis sie zu innerer
Reife und Vollendung gelangten. Das Erlebnis
des Krieges gab den jungen Künstlern ge-
wissermaßen eine vorzeitige Reife. Da ist es
begreiflich, daß die fünf Studienjahre auf den
Akademien in Stuttgart, Dresden und München
stücken einen Ausdruck wahrt, der schlechthin
meisterlich erscheint. Besonders schön das
große Ölbild der „Stockrosen“ in Rot, Grün
und Gelb, eine Flußlandschaft, verschiedene
Blumenstücke und das einfache dem Gedächt-
nis des Malers Mosson gewidmete Blatt. Eine
männliche, sprühend energische Kunstübung,
die die zartesten Register zu ziehen und in dem
Flächigen der leuchtenden Farben eine Tiefen-
Den Oberlichtsaal bei Nierendorf füllt
in Bronze und Gips eine Reihe seit dem Jahre
1927 entstandener Plastiken Georg Kolbes. In
ihren vielfältigen Licht- und Schattenwirkun-
gen, dem beschwingt Sinnlichen, Rhythmischen
ihrer Haltung, der ungemein starken Noblesse
des Handwerklichen geben sie dem Raum ein
festliches Ansehen. Eine glückhaft an-
sprechende, jedoch immer irgendwie leise Ab-
stand haltende Kunst, die die Oberflächen mit
einem Charme zu behandeln weiß, der seelische
Vertiefung nicht ausschließt. Ein „Selbstbild-
nis“ von 1934, ergreifend in der lapidaren
Kraft des Ausdrucks, das „Junge Mädchen“ von
1933 und die hochgestreckten Frauenhände von
1927 äußerst fein durchgefühlt. Auch wo das
Format mehr ins Monumentalische strebt, wie
.in den „Aufsteigenden Menschen“ von 1931,
bleibt stets noch etwas von Kammermusik in
dieser harmonisch wirkenden, ganz reif ge-
wordenen Kunst, die den hockenden, nieder-
gebeugten, kaum in voller Ruhe verharrenden
Gestalten den Reiz des Knospenden, Tanzenden
verleiht, durch den die im Formalen ungemein
dem jungen Künstler nicht viel zu sagen hat-
ten. Er fand seine Lehrmeister nicht auf der
Schule. Marees, Cezanne und van Gogh weck-
ten in ihm zuerst das Gefühl für die Fläche
und die Form und dann für die Farbe. Die
starke Leuchtkraft dieser Farben, die nach dem
Vorbild der alten Meister mit Harzöl unter-
mischt sind, gewinnt einen zauberhaften Glanz
und erinnert an die frühgotischen Kirchen-
fenster von Chartres und der Sainte Chapelle.
Aber die Kompositionen des Künstlers bleiben
nicht auf die Farbe beschränkt. Die Land-
schaften aus Italien, Marokko, Spanien, den
Kanarischen Inseln und aus Südfrankreich, die
Araberstudien von einer fast delacroixhaften
Größe der Gestaltung und die Stilleben von
höchster plastischer Durchbildung zeigen einen
schwerblütigen Rhythmus und eine verhaltene
Energie, wie sie besonders in der schwäbischen
Stammesart begründet sind. Hans Multscher
und Konrad Witz haben vor einem halben Jahr-
tausend aus dem gleichen Blut und einem art-
verwandten Temperament heraus ihre unsterb-
lichen Werke geschaffen.
sichere und eindringliche Gestaltungsweise
Kolbes immer von Ferne an Mozartsche Musik
erinnert.
Kurt Zimmermann
Ein vierundzwanzigjähriger Künstler, den
Nierendorf mit kleinen Plastiken und
einer Reihe von Schwarzweißblättern erstmalig
ausstellt. Ein gutes Zeugnis für diesen aus
Düsseldorf stammenden Bildhauer, daß seine
mit einer gewissen barocken Freude an ge-
ballter Form gestalteten Stücke (Aktdarstellun-
gen, Köpfe, ein Pferd, eine Kreuzigung) gegen
die reife Kunst von Kolbe nicht abfällt.
Zimmermann besitzt bei noch manchem Über-
schwang ein sehr feines Gefühl für Bewegung,
das auch in äußerst fest konturierten, aber
keineswegs peinlich deutlichen Bleistiftzeich-
nungen zur Geltung kommt. Zk.
in München:
Franz Pocci
Kunstverein München
Die Münchener Künstlergenossenschaft be-
sitzt in ihrer historischen Sammlung die Kari-
katuren, die Graf Pocci, genannt „Schnak von
Ammerland“, im Nebenberuf Kgl. Zeremonien-
meister, Obermusiktheaterintendant und Oberst-
kämmerer, auf sich und die anderen Mitglieder
der schnurrigen Gesellschaft „Altengland“ ge-
zeichnet und gemalt hat. Angesichts dieser der
Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich gewesenen
Originale dieses Originals muß man die land-
läufige Ansicht, die ihn nur als einen genialen
Dilettanten gelten lassen wollte, gründlich revi-
dieren: wer so geistreiche Einfälle hat und
diesen so restlos-erfüllend Ausdruck zu geben
vermag, wer Feder und Pinsel mit solcher Ge-
wandtheit führt, gehört zu der seltenen Gruppe
von humoristisch-satirischen Künstlern, zu der
wir auch Wilhelm Busch und Daumier zählen
(s. Abb.). Mit diesen hat Pocci manche Be-
rührungspunkte. Aber auch mit M. von
Schwind, wie Dr. Hubert Wilm in seiner aus-
gezeichneten Einführungsansprache betonte.
F.
Auktionsvorschau
Berlin, 24. März
Das Internationale Kunst- und
Auktions-Haus bringt am 24. März Ge-
mälde der holländischen Schule zur Versteige-
rung, hierunter eine schöne Landschaft von
Salomon Ruisdael, ein Blumenstilleben des
Abraham Mignon, ein Interieur des Pieter van
den Bosch, ein Stilleben des seltenen de Putter,
Landschaften aus dem Kreise der van Goyen
und Ruisdael. Bei den modernen Meistern ein
Porträt von Stuck und eine Winterlandschaft
des Düsseldorfer Tiermalers Christian Kröner.
Wien, 22.—23. März
Nach rund einem halben Jahrhundert ge-
langt am 22. und 23. März im Dorotheum
wieder eine nur aus Goldmünzen bestehende
Sammlung zur Versteigerung. In erster Linie
hat sie bedeutende Reihen habsburgischer Prä-
gungen seit Herzog Albrecht II. (1330—1358)
aufzuweisen. Den Höhepunkt erreicht sie in
den außerordentlich bedeutsamen Reihen der
Goldmünzen Franz Josefs I.
Wien, 26.—27. März
Mit den Kunstwerken aus Schloß Itter,
die am 26. und 27. März im Dorotheum
versteigert werden, gelangen einige wichtige
historische Stücke zum Verkauf. So die Mar-
(Fortsetzung Seite 3, Sp. 3)
DREEUTE HOTEL
Kurhotel Monte Verita
Ascona Schweiz
Das Hotel der Kunstfreunde
Pension ab Frs. 12.— Prospekte auf Anfrage
Bob Gesinus, Italienischer Hafen
Ausstellung: Galerie von der Heyde,
DEUTSCHE KÜNSTLER IN PARIS
Von Dr. Fritz Neugass
Alf Bayrle, Landschaft. 1933
Franz Pocci, Karikatur
Ausstellung: München, Kunstverein
gliederung zu erreichen vermag, die seine
kraftvolle Bildform bestimmt.
Georg Kolbe
DIE WELTKUNST
Jahrg. VIII, Nr. 11 vom 18. März 1934
Stübner, Schreiber, Niemeyer-
Hol s t e i n u. a. in erster Linie Landschafter
sind gleich den Westdeutschen Horn,
Bechtel, ten Hompel und den Sachsen
Tümmling, Schnabel, Krug, Henke.
Machen wir uns weiterhin bewußt, daß schon
die Rückkehr zur Landschaft, die Wahl dieses
Bildthemas, Ausdruck eines Weltgefühls ist,
das in romantischem Sinne deutsche Allver-
bundenheit, kosmische Weite, deutsche Besinn-
lichkeit und eine Naturliebe religiöser Prägung
kennt, so verstehen wir, daß diese Kunst eine
Kunst unseres Heute ist. Hier sprechen Be-
ziehungen zu Naturhaftem, zu Letztem,
Wesensmäßigem, all das, was aus tiefster Be-
sinnung auf deutsche Art den Urgrund auch
unseres politischen Tuns ausmacht.
Auf der anderen Seite war die „Westfront“
trefflicher Beweis, wie diese junge Kunst all-
mählich geworden, wie die „Klassiker der
Moderne“ die Expressionisten sind, soweit sie
wahr und echt.
Jene Künstler haben in ihrer Kunst in der
jüngsten Vergangenheit ein erstes Mal auf die
A U S S T E L
in Berlin:
Bob Gesinus
Der junge holländische Maler, der eine
größere Kollektion von Ölbildern und Aqua-
rellen in der Galerie von der Heyde
zeigt, verleugnet auch in schlichten, gefälligen
Darstellungen aus der südlichen Landschaft
seine Abstammung nicht. In dem Blick über
tiefblaue Seeflächen, auf Häfen mit ihren
Bootsanlagen, Gärten und Hügelwellen, die mit
grüner üppiger Vegetation übersponnen sind,
ist die Form kaum sonderlich aktiv und die
Farbengebung, die erweist, daß der Künstler
Werke von Vlaminck und van Gogh mit Nutzen
IV*)
Alf Bayrle
Das Bodenständige in der deutschen Kunst
kann sich nur stark und rein erhalten, wenn
das Temperament des Künstlers über alle Ein-
flüsse, Stilrichtungen und Landschaften er-
haben ist, wenn die ausstrahlenden Kräfte stär-
ker sind als die rezeptiven Kräfte und wenn der
Charakter fest und geschlossen zu einer end-
gültigen Form reift. Der Künstler darf sich
dabei aber nicht abschließen von den geistigen
Strömungen seiner Zeit und den handwerk-
lichen Errungenschaften früherer Jahrhun-
derte. Sonntagsmaler, die nur aus eigener In-
tuition und fern den ästhetischen Prinzipien
ihrer Zeit schaffen, wurden im Gesamtverlauf
der Kunstgeschichte stets als Außenseiter be-
*) Vgl. „Weltkunst“ 51/VII u. 4, 7/VIII.
Urgründe des Lebens hingewiesen. Ihr
Schaffen wollte das Erfüllte und Wesenhafte,
das Beseelte des Lebens darstellen. Sie waren
es, die sich gegen allen Materialismus in Philo-
sophie und praktischem Leben wandten. Ihre
Kunst bezeugt: nicht im Außen, im Stofflichen
erschöpft sich das Sein. Kunst muß das Hinter-
gründige, das Wesenhafte, das eigentlich
Tragende wiedergeben.
Dieses Erbe überkam der jüngsten Genera-
tion. Sie führt es weiter, aber — im Zuge der
Zeit — unmittelbar, anschaulicher, lebens-
näher.
Das ist nicht nur der Gang der Geschichte.
Lebendiger Beweis sind da auch die Wand-
lungsfähigen unter den Künstlern. Wir
brauchen nur die Brücke-Maler heute und einst
zu sehen. Wir brauchen den neuen Barlach
„Zwei Mönche“ mit Werken von vor 10 und
20 Jahre zu vergleichen, und der Weitergang
unseres deutschen Stilwollens vom Expressiven
zur Anschaulichkeit, vom Ausdrucksmäßigen zu
wesenserfüllter Form ist auch hier offen-
sichtlich. Dr. H. Griebitzsch
LUNGEN
studiert hat, nordländisch betont. Die Aqua-
relle in ihrem leichten, heiteren, fröhlich an-
mutenden Zug lassen dies weniger erkennen.
Verdichteter, einprägsamer erscheinen die
Stücke, in denen das Atmosphärische nord-
deutscher oder niederländischer Gegenden zum
Ausdruck kommt. Wenn sich frierendes Geäst
gegen winterlich-wolkigen Himmel reckt oder
eine Allee von kahlen
Baumstämmen in eine
Tiefe führt, in der das
Nasse, Besondere der
Luft mit sparsamen
malerischen Mitteln er-
reicht wird, werden
Stimmungen gegeben,
deren eigener Klang
aufmerken läßt.
Schmidt
Rottluff
Es ist vielleicht kein
Zufall, daß bei Nie-
re n d o r f wieder ein-
mal in Ölstücken,
Aquarellen und Holz-
schnitten von Karl
Schmidt - Rottluff die
Gültigkeit einer Kunst
gezeigt wird, die in
ihrer strengen, kraft-
vollen Haltung und dem
ganz außerordentlichen
Berlin Reichtum des Farbigen
zu einer Form, einem
Stil gelangte, der einer dem Augenerlebnis
etwas entwöhnten Zeit das Vorbildliche einer
ungemein malerischen Existenz entgegenhält.
In diesen Landschaften, Blumenstücken,
Köpfen herrscht unter Verzicht auf alles
Nebensächliche eine Ordnung und Gesetz-
mäßigkeit, die das unmittelbare Erlebnis in
eine höhere, endgültige Sphäre rückt und auch
den farbig besonders rauschenden Aquarell-
trachtet. Nur, wenn die Künstler von den Pro-
blemen ihrer Zeit erfüllt sind, wenn sie zu
neuen Lösungen die Wege weisen oder das Cha-
rakteristische ihrer Zeit herausstellen, gewin-
nen sie ewig gültige
Werte und erfüllen ihre
Berufung zur wahren
Kunst.
Es gibt Künstler, die
—■ wie wir bereits
früher an dieser Stelle
aufgezeigt haben — in
der Fremde ihre persön-
liche Eigenart verlieren
und die erdrückt werden
von den Einflüssen, die
auf sie eindringen. Sol¬
chen Menschen fehlt
die innere Triebkraft
und die persönliche
Handschrift. Anders die
Künstler, die nach lan-
gem tastendem Suchen
den Weg zu sich selbst
finden, zu einer eigenen
Form und einem eigenen
Stil, die sich in folge-
richtiger Entwicklung
immer stärker und
klarer entwickeln.
Zu diesen gehört der
Schwabe Alf Bayrle, um
die Jahrhundertwende
in Biberach geboren.
Bevor er sich ganz der Malerei hingab, erlebte
er als erste große Erschütterung seines Lebens
die Größe und Not des Weltkrieges. Dieser
kraftvolle, dumpfe Akkord, der seiner künst-
lerischen Entwicklung den Auftakt gab, er-
sparte ihm, wie so manchem seiner Zeitgenos-
sen, den ewigen Kampf der früheren Künstler-
generation. Cezanne und van Gogh haben ihr
ganzes Leben lang gekämpft, bis sie zu innerer
Reife und Vollendung gelangten. Das Erlebnis
des Krieges gab den jungen Künstlern ge-
wissermaßen eine vorzeitige Reife. Da ist es
begreiflich, daß die fünf Studienjahre auf den
Akademien in Stuttgart, Dresden und München
stücken einen Ausdruck wahrt, der schlechthin
meisterlich erscheint. Besonders schön das
große Ölbild der „Stockrosen“ in Rot, Grün
und Gelb, eine Flußlandschaft, verschiedene
Blumenstücke und das einfache dem Gedächt-
nis des Malers Mosson gewidmete Blatt. Eine
männliche, sprühend energische Kunstübung,
die die zartesten Register zu ziehen und in dem
Flächigen der leuchtenden Farben eine Tiefen-
Den Oberlichtsaal bei Nierendorf füllt
in Bronze und Gips eine Reihe seit dem Jahre
1927 entstandener Plastiken Georg Kolbes. In
ihren vielfältigen Licht- und Schattenwirkun-
gen, dem beschwingt Sinnlichen, Rhythmischen
ihrer Haltung, der ungemein starken Noblesse
des Handwerklichen geben sie dem Raum ein
festliches Ansehen. Eine glückhaft an-
sprechende, jedoch immer irgendwie leise Ab-
stand haltende Kunst, die die Oberflächen mit
einem Charme zu behandeln weiß, der seelische
Vertiefung nicht ausschließt. Ein „Selbstbild-
nis“ von 1934, ergreifend in der lapidaren
Kraft des Ausdrucks, das „Junge Mädchen“ von
1933 und die hochgestreckten Frauenhände von
1927 äußerst fein durchgefühlt. Auch wo das
Format mehr ins Monumentalische strebt, wie
.in den „Aufsteigenden Menschen“ von 1931,
bleibt stets noch etwas von Kammermusik in
dieser harmonisch wirkenden, ganz reif ge-
wordenen Kunst, die den hockenden, nieder-
gebeugten, kaum in voller Ruhe verharrenden
Gestalten den Reiz des Knospenden, Tanzenden
verleiht, durch den die im Formalen ungemein
dem jungen Künstler nicht viel zu sagen hat-
ten. Er fand seine Lehrmeister nicht auf der
Schule. Marees, Cezanne und van Gogh weck-
ten in ihm zuerst das Gefühl für die Fläche
und die Form und dann für die Farbe. Die
starke Leuchtkraft dieser Farben, die nach dem
Vorbild der alten Meister mit Harzöl unter-
mischt sind, gewinnt einen zauberhaften Glanz
und erinnert an die frühgotischen Kirchen-
fenster von Chartres und der Sainte Chapelle.
Aber die Kompositionen des Künstlers bleiben
nicht auf die Farbe beschränkt. Die Land-
schaften aus Italien, Marokko, Spanien, den
Kanarischen Inseln und aus Südfrankreich, die
Araberstudien von einer fast delacroixhaften
Größe der Gestaltung und die Stilleben von
höchster plastischer Durchbildung zeigen einen
schwerblütigen Rhythmus und eine verhaltene
Energie, wie sie besonders in der schwäbischen
Stammesart begründet sind. Hans Multscher
und Konrad Witz haben vor einem halben Jahr-
tausend aus dem gleichen Blut und einem art-
verwandten Temperament heraus ihre unsterb-
lichen Werke geschaffen.
sichere und eindringliche Gestaltungsweise
Kolbes immer von Ferne an Mozartsche Musik
erinnert.
Kurt Zimmermann
Ein vierundzwanzigjähriger Künstler, den
Nierendorf mit kleinen Plastiken und
einer Reihe von Schwarzweißblättern erstmalig
ausstellt. Ein gutes Zeugnis für diesen aus
Düsseldorf stammenden Bildhauer, daß seine
mit einer gewissen barocken Freude an ge-
ballter Form gestalteten Stücke (Aktdarstellun-
gen, Köpfe, ein Pferd, eine Kreuzigung) gegen
die reife Kunst von Kolbe nicht abfällt.
Zimmermann besitzt bei noch manchem Über-
schwang ein sehr feines Gefühl für Bewegung,
das auch in äußerst fest konturierten, aber
keineswegs peinlich deutlichen Bleistiftzeich-
nungen zur Geltung kommt. Zk.
in München:
Franz Pocci
Kunstverein München
Die Münchener Künstlergenossenschaft be-
sitzt in ihrer historischen Sammlung die Kari-
katuren, die Graf Pocci, genannt „Schnak von
Ammerland“, im Nebenberuf Kgl. Zeremonien-
meister, Obermusiktheaterintendant und Oberst-
kämmerer, auf sich und die anderen Mitglieder
der schnurrigen Gesellschaft „Altengland“ ge-
zeichnet und gemalt hat. Angesichts dieser der
Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich gewesenen
Originale dieses Originals muß man die land-
läufige Ansicht, die ihn nur als einen genialen
Dilettanten gelten lassen wollte, gründlich revi-
dieren: wer so geistreiche Einfälle hat und
diesen so restlos-erfüllend Ausdruck zu geben
vermag, wer Feder und Pinsel mit solcher Ge-
wandtheit führt, gehört zu der seltenen Gruppe
von humoristisch-satirischen Künstlern, zu der
wir auch Wilhelm Busch und Daumier zählen
(s. Abb.). Mit diesen hat Pocci manche Be-
rührungspunkte. Aber auch mit M. von
Schwind, wie Dr. Hubert Wilm in seiner aus-
gezeichneten Einführungsansprache betonte.
F.
Auktionsvorschau
Berlin, 24. März
Das Internationale Kunst- und
Auktions-Haus bringt am 24. März Ge-
mälde der holländischen Schule zur Versteige-
rung, hierunter eine schöne Landschaft von
Salomon Ruisdael, ein Blumenstilleben des
Abraham Mignon, ein Interieur des Pieter van
den Bosch, ein Stilleben des seltenen de Putter,
Landschaften aus dem Kreise der van Goyen
und Ruisdael. Bei den modernen Meistern ein
Porträt von Stuck und eine Winterlandschaft
des Düsseldorfer Tiermalers Christian Kröner.
Wien, 22.—23. März
Nach rund einem halben Jahrhundert ge-
langt am 22. und 23. März im Dorotheum
wieder eine nur aus Goldmünzen bestehende
Sammlung zur Versteigerung. In erster Linie
hat sie bedeutende Reihen habsburgischer Prä-
gungen seit Herzog Albrecht II. (1330—1358)
aufzuweisen. Den Höhepunkt erreicht sie in
den außerordentlich bedeutsamen Reihen der
Goldmünzen Franz Josefs I.
Wien, 26.—27. März
Mit den Kunstwerken aus Schloß Itter,
die am 26. und 27. März im Dorotheum
versteigert werden, gelangen einige wichtige
historische Stücke zum Verkauf. So die Mar-
(Fortsetzung Seite 3, Sp. 3)
DREEUTE HOTEL
Kurhotel Monte Verita
Ascona Schweiz
Das Hotel der Kunstfreunde
Pension ab Frs. 12.— Prospekte auf Anfrage
Bob Gesinus, Italienischer Hafen
Ausstellung: Galerie von der Heyde,
DEUTSCHE KÜNSTLER IN PARIS
Von Dr. Fritz Neugass
Alf Bayrle, Landschaft. 1933
Franz Pocci, Karikatur
Ausstellung: München, Kunstverein
gliederung zu erreichen vermag, die seine
kraftvolle Bildform bestimmt.
Georg Kolbe