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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 8.1934

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Nr. 15 (15. April)
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2

D1F WELTKUNST

Jahrg. VIII, Nr. 15 vom 15. April 1934

A nos lecteurs en France!
Nous avons l’honneur de vous annoncer que
la nouvelle adresse de M. L. Szecsi, r.otre
redacteur de Paris, est
116 bis, Avenue des Champs-Elysees,
Paris 8 e,
Telephone: Elysees 77-68.

Stil weiter ausbaut. Was Ausstellungen an-
belangt, so sind die Vorbereitungen zur Kolo-
nialausstellung noch zu erwähnen; diese
Ausstellung, die im Juli eröffnet werden soll,
hat ein anderes Denkmal gerettet, das wunder-
volle Castell Anjou oder, wie der Neapolitaner
sagt, den Maschio Angioino, in dem die inter-


Verrocchio, Reliefbildnis Alexander des Großen
New York, S 1 g. Herbert N. Straus
(Vgl. Notiz auf Seite 6)
nationale Veranstaltung untergebracht werden
wird. Hier hat man eine gründliche Überholung-
sehr sorgsamer Art vorgenommen, und man
kann damit rechnen, daß nun dieses schon
leicht verfallene Bauwerk auf lange Zeit wie-
der sicher sein wird. Erwähnt müssen die mit
Eifer betriebenen und die Museen schon jetzt
voll beschäftigenden Vorbereitungen zur
Augusteischen Rom-Ausstellung
werden, die Mussolini in diesen Vorfrühlings-
monaten selbst kontrollierte. Diese Vorberei-
lungen'liäben enge Zusammenhänge" auch mit
der Archäologie, deren Ausgrabungen deutlich
in ein noch intensiveres Tempo hineinkommen.
Ob freilich alle Projekte in den wenigen Jahren
durchgeführt werden können, bleibt zu be-
zweifeln. Immerhin sind die Kaiservillen von
Capri, die des Augustus und die des Tiberius
bereits als gerettet zu betrachten.
Der Kunsthandel hat eine recht lebhafte
Saison gehabt; es handelte sich zwar nicht um
große Auktionen oder besondere Veranstaltun-
gen, sondern man stellt allgemein fest, daß
einmal die Fremdenqualität besser geworden
ist, d. h. daß eine größere Kaufkraft festzu-
stellen ist und auch schon wieder etwas er-
worben wird; ferner ist der Handel mit moder-
nen italienischen Kunstwerken bereits in der
Organisation, selbst wenn die Syndikats-
ausstellungen unter Zusammenarbeit mit dem

Kunsthandel noch bloße Programmpunkte bil-
den. Immerhin stellen Ausstellungen, wie die
von Bragaglia, der eine wirkliche gediegene
kleine Galerie errichtet hat und Erwähnens-
wertes auch in der Werbearbeit für italienische
Künstler tut, die eigentliche Neuheit dar.
Zur Frage
der Garantieleistung
der Versteigerer
Dieses anläßlich der Neuordnung der
Versteigerungs-Gesetzgebung besonders
wichtige Problem wurde, nachdem es be-
reits früher in der „Weltkunst“ ange-
schnitten wurde (Jg. VI, Nr. 46, 49, 50),
neuerdings an derselben Stelle von
Herrn Karl Haberstock wieder auf-
genommen. Wir veröffentlichen im fol-
genden aus den uns zugegangenen Äuße-
rungen zu diesem Thema einige weitere
Beiträge.
Artur Malmede, Köln:
In den Ausführungen von Herrn K. H a b er-
st o c k und Min.-Rat Dr. Günther wurde
die Haftungsfrage, wie sie existiert für den
ordentlichen Kaufmann und für den Versteige-
rer, auf das allerbeste präzisiert und endlich
einmal ausgesprochen, daß das gleiche Recht
für beide eine Selbstverständlichkeit sein
müsse.
Der westdeutsche Kunsthandel steht ge-
schlossen auf dem gleichen Standpunkt, da er
der festen Überzeugung ist, daß nur auf
diesem Wege eine wirksame Behinderung der
leichtfertigen Zuschreibungen der Kunstwerke
durch die Versteigerer erreicht werden kann.
Nach meiner Ansicht sind die bisherigen
Katalogunsitten nur darauf zurückzuführen,
daß die Vorbemerkung der Nichthaftung
für die Angaben in den Versteigerungskata-
logen nicht gesetzlich unterbunden wird. Das
nötige Regulativ würde erreicht, wenn der Ver-
steigerer auch auf den Boden des ordentlichen
Kaufmannes zurückgehen muß.
Der Gesetzgeber schützt im BGB den Käu-
fer gegenüber dem Einzelhandel durch eine
sechsmonatige Rügefrist. Um ein Vielfaches
wäre dieser Schutz des Käufers notwendig
gegenüber der Taktik der ganzen Versteige-
rungsaufziehung, die eine klare Urteilsbildung
gar nicht zuläßt bei den Preistreibereien, wie
sie häufig durch die Scheinkäufer und die an-
reißenden Versprechungen der Kataloge, für
deren Richtigkeit niemand eintritt, wie ja vor-
sorglich im Vorwort der Kataloge erklärt wird,
erfolgen.
Wenn der Gesetzgeber den Käufer so be-
sonders in Schutz nimmt, so sieht der west-
deutsche Handel keinen stichhaltigen Grund
bei. ernsthafter und ...sachkundiger.Prüfung der
gesamten Verhältnisse, die sich bei den Ver-
steigerungen abspielen, warum dieser Käufer-
schutz nicht auch voll auf die Versteigerungen
angewandt werden soll.
Am 11. März 1934 hat die Westdeutsche
Bezirksleitung des Bundes der deut-
schen Kunst - und Antiquitätenhänd-
ler, Sitz München, eine erste Versammlung ein-
berufen. Auf dieser Tagung waren weit über
hundert westdeutsche Kunsthändler versammelt.
In voller Erkenntnis der Notlage ihres Be-
rufes, hervorgerufen zum nicht geringen Teil
durch die Mißstände auf den Versteigerungen und
die unzureichende Überwachung derselben, hat
sich die ganze Versammlung geschlossen an den
Bezirksvorsitzenden gewandt mit der Forderung,
dem Münchener Sitz des Bundes mitzuteilen, daß
der gesamte westdeutsche Kunsthandel geschlos-
sen die vollständige Trennung von Einzelhandel
und Versteigerungswesen als lebensnotwendig an-
sieht.
Der ganze westdeutsche Kunsthandel ist also
einstimmig der Meinung, daß es zur Gesundung

und Erhaltung des soliden Kunsthandels absolut
notweimdiig ist, mii't größter Entschiedenheit
Einzelhandel und Versteigerungswesen klar zu
trennen. Ebenso ist der westdeutsche Kunsthan-
del der Ansicht, daß der Konzesslcmerungszwang
für die notwendige Bereinigung des Versteige-
rungswesens unerläßlich ist, damit die gesetz-
lichen und Verordnungsvorschriften beachtet
werden.
Im II. Abschnitt seines Aufsatzes macht Herr
Haberstock überraschenderweise die Mitteilung,
daß es sehr interessant sei zu hören, daß aus an-
deren Kreisen des Kunsthandels neuerdings — der
nach Meinung von Herrn Haberstock sehr beach-
tenswerte — Vorschlag gemacht wird, daß jeder
Kunsthändler auch Versteigerungsberechtigung
haben soll unter Mitwirkung eines staatlichen
Beamten.
Ohne auf die Vor- und Nachteile dieses Vor-
schlages einzugehen, muß der westdeutsche
Kunsthandel erklären, daß ihm unbekannt ist,
wer die Vertreter dieses Vorschlages sind.
Im großen Rahmen gesehen glaube ich, daß,
wenn dieser Vorschlag zum Gesetz erhoben wird,
der Kunsthandel in allerkürzester Zeit überhaupt
zum Erliegen kommt. Das sich dann zwangsweise
ergebende Angebot über den Versteigerungstisch
wird den Käufer überhaupt vom Besuche einer
Kunstgalerie abhalten. Die Beratung durch den
sachverständigen und verantwortungsbewußten
Kunsthändler wird ausgeschaltet und der Künst-
ler, wie das Kunstwerk, allen Zufälligkeiten und
Unerfreulichkeiten eines börsenmäßigen, spekula-
tiven Tagesmarktes ausgesetzt, der gewaltsam zur
Entledigung seiner Bestände drängt. Die Verstei-
gerungspreise, die heute schon häufig nicht ein-
mal Rahmen umdi Deinwanid edmer achtbaren Kunst-
äußerung bezahlen, werden dann dauernd auf
einem erschreckend niedrigen Niveau stabilisiert
zum Schaden jeder Kulturäußerung.
Nur wenn der Gesetzgeber die Trennung von
Einzelhandel und Versteigerungswesen absolut
und definitiv ablehnen würde, könnte für den
westdeutschen Kunsthandel der Vorschlag, daß
jeder Kunsthändler vereint mit einem staatlichen
Versteigerer ausbieten darf, vorteilhaft sein.
Diies-e jetzt schon vorbehaltlich ■auisge-sproch.ene
Zustimmung zu einer solchen Allgemein-Versteige-
rertätigkeit würde aber nur bedeuten, daß der
Kunsthandel das kleinere von zwei Übeln wählt.

kommen der zur Versteigerung gelangenden
Kunstwerke enthüllt und auch erkennen läßt, wie
hierbei die Gesetze und Verordnungen umgangen
werden,, immer geschützt durch die1 vorsorgliche
Erklärung im Kataloge der Nichthaftung für die
gemachten Angaben, ist nur zu einleuchtend, daß
der ordentliche Kunsthändler bei diesem Kon-
kurrenzgebaren zu Grunide gehen muß. Im Ge-
gensatz hierzu blüht und gedeiht das vorherr-
schend unsolide Gebaren des Versteigerungs-
wesens, konzentriert in wenigen, aber kapitalkräf-
tigen Händen, wobei ich natürlich keineswegs die
Ansicht vertrete, daß nun jeder Versteigerer im
Kunsthandel zu denjenigen zu rechnen wäre, für
die diese Vorwürfe zutreffen.
Fritz Broo, Berlin:
Es ist nicht abzustreiten, daß der Versteigerer
in Bezug auf Garantieleistungen seither besondere
Rechte genossen hat. Auf der einen Seite preist
er seine Ware den Käufern mit allen nur mög-
lichen vorzüglichen Eigenschaften an, und auf der
anderen Seite weigert er sich, für diese Anprei-
sungen, wie jeder ehrliche Kaufmann, einzu-
stehen.
Diesen Zwitterzustand, der den legalen Handel
schädigt, zu beseitigen, gibt es nur einen Ausweg.
Der Versteigerer haftet für seine Angaben, so-
weit sie positiv sind, als zugesicherte Eigenschaf-
ten im Sinne des Gesetzes, oder aber er unter-
läßt bei der Abfassung des Kataloges alle Zu-
schreibungen, wie Angaben bestimmter Meister
bei Gemälden oder Kunstgewerbe, Alter und alle
die kleinen Benennungen, die einem Gegenstand
besonderen Reiz oder Wert verleihen.
Der zweite Punkt, den Herr Haberstock in
seinem Artikel als beachtenswerten Vorschlag er-
wähnt, der neuerdings in den Kreisen des Kunst-
handels umgehen soll, ist schon etwas schwerer
zu behandeln, weil er unberechenbare verderb-
liche Folgen für den Handel in sich birgt. Würde
dieser Vorschlag nur zu einem kleinen Teil im
Gesetz Berücksichtigung finden, könnten Folgen
entstehen, die dem gesamten Kunsthandel den
Todesstoß versetzen würden.
Jahrelang, selbst mit Hilfe des Herrn H., be-
kämpft der Einzelhandel die Versteigerungen we-
gen der Auswüchse, und jetzt soll jeder Einzel-
händler auch Auktionator nebenbei sein können.


Gotische Kastentruhe. Deutsch, 15. Jahrhundert
Slg. Dr. Wassermann — Kat. Nr. 81
Versteigerung: Internationales Kunst- und Auktionshaus, Berlin, 21. April 1934

Sowohl für den Künstler wie für den Kunst-
freund hat sich immer wieder ein solider und
verantwortungsbewußter Kunst handel als notwen-
diger und fördernder Mittler erwiesen. Der Unter-
gang dieses Standes müßte als schwerer Schaden
im Kulturleben angesehen werden.
Der westdeutsche Kunsthandel ist der Ansicht,
daß die Kunstversteigerung, soweit sie durch
Todesfall, Vermögensverfall oder Liquidation usw.
veranlaßt wird, durchaus ein notwendiges und be-
rechtigtes Instrument ist.
Bei einem Blick hinter die Kulissen jedoch,
der die häufig unrichtigen Angaben über das Her-

Glaubt denn Herr H., daB mit der Anwesenheit
eines staatlichen Beamten, der doch nur die
Funktion eines Versteigerers erhalten soll, das
Unlautere auf den Auktionen verschwinden wird?
Ist nicht genügend bekannt, daß gewisse Auk-
tionsschieber, um das Publikum zu verdummen,
sich schon jahrelang eines staatlichen Beamten
bedient haben? Die unanfechtbare Autorität der
heutigen Staatsbeamten würde nur der Spielball
gewisser Auktionatoren werden, die in diesem
Vorschläge jetzt schon große Maschen entdeckt
haben dürften, um das Gesetz zu umgehen.
War doch im alten Gesetz streng verboten,

Arbeitsbeschaffung
für die bildende Kunst
Von Dr. Curt Gravenkamp
Leiter des Frankfurter Kunst-
vereins
Gemäß der Kundgebung des Führers zum
Beginn des Arbeitsjahres 1934 ist es unerläß-
lich, daß auch für den zur Zeit noch sehr not-
leidenden Stand der bildenden Künstler ein
Arbeitsbeschaffungsprogramm aufgestellt wird.
Die wirtschaftlichen Ausstellungsergebnisse
des ersten Jahres seit der Machtergreifung des
Nationalsozialismus haben allerorts gelehrt,
daß die Produktion und damit die Sicher-
stellung der Existenz des Künstlers zur Zeit
kaum von privater Kaufkraft abhängig ge-
macht werden kann. Ebenso wie die Arbeits-
beschaffung auf dem Gebiet der Ökonomie und
Technik großenteils von der Allgemeinheit ge-
tragen und durchgeführt wird, ebenso muß für
Leistungen kultureller, insbesondere künst-
lerischer Tätigkeit die Allgemeinheit mehr
denn- je an ihre ebenso große Pflicht gemahnt
werden, auch dem Stand der künstlerisch
Schaffenden zu einer würdigen Existenzmög-
lichkeit zu verhelfen. Das deutsche Volk muß
allmählich begreifen lernen, daß der Wille zum
Aufbau des neuen Staates vor einer Sicherung
des wirtschaftlich Lebensnotwendigen nicht
halt machen kann, sondern daß es zum
Lebensstandard einer Nation vom Range
^Deutschlands unbedingt gehört, auch in Din-
gen der Kunst eine allgemeine Sicherheit zu
erreichen, die es den Künstlern wieder ermög-
licht, in Freiheit und ungehemmt von Existenz-
sorgen zü planen und zu schaffen.
In erster Linie wird hierbei der Staat selbst
die Initiative ergreifen und richtungweisend
vorgehen, indem er ebenso wie für den Hand-
werker und den Arbeiter auch für den bilden-
den Künstler ein Arbeitsbeschaffungsprogramm

im Dienst der Öffentlichkeit aufzustellen be-
absichtigt. Es gibt fast in jeder Stadt öffent-
liche Gebäude, Anlagen, Parks und dergleichen,
die durch künstlerische Arbeiten verschönert
werden können. Darüber hinaus werden in
wenigen Jahren allerorts Pläne zur Schaffung
einer neuen monumentalen Archiktektur, näm-
lich der Architektur des Volks- und Gemein-
schaftshauses, entstehen und zur Ausführung
gelangen; hierbei wird ein ganz neues Feld
künstlerischer Arbeit erschlossen werden: das
Feld einer zeitgemäßen monumentalen Kunst
im Dienste des Volksganzen, an dem alle ein-
zelnen Zweige der Künste beteiligt sind.
Jeder neue Stil erstarkt und wächst erst
an neuen Aufgaben, die vom Leben selbst an
eine neue Zeit gestellt werden. Diese Aufgaben
werden zunächst ihrem Gehalt nach umschrie-
ben mit großen und vorerst gestaltlosen Um-
rissen, erst die künstlerische Form gibt ihnen
die Fülle und Kraft eines wirklichen lebendigen
Geistes. So schuf die religiöse Forderung des
Mittelalters die künstlerische Form des
Doms, die weltliche Haltung des barocken
Fürstentums die Kunstform des barocken
Schlosses. Die lebendige Grundlage für die
Kunstform im neuen Deutschland bildet
nun die Synthese des Nationalen und des
Sozialen, die Verschmelzung eines' heroischen
Geistes mit einem beseelten Volkstum, deren
umfassender Ausdruck aller Voraussicht nach
das Gemeinschaftshaus sein wird, als Zentrum
und Sammelstätte der nationalen Feier, an der
das ganze Volk mitwirkt, große architektoni-
sche Anlagen mit Aufmarsch- und Versamm-
lungsplätzen, wo die Manifeste der Führer des
Staates mit einem Bekenntnis des Volkes zu
diesem in einer gewaltigen Kundgebung der
Einheit der Nation mit lebendigen und be-
wegten Formen sich äußern können.
Denn die wahre Volksgemeinschaft besteht
ja im neuen Deutschland in der Übereinstim-
mung der Staatsidee mit dem Wollen und Tun
des einzelnen. In kultureller Hinsicht muß
diese Übereinstimmung auch dadurch in die
Tat umgesetzt werden, daß die private

Initiative an der Arbeitsbeschaffung für
die bildende Kunst aktiven Anteil nimmt. Die
Grundlage für eine solche Mitarbeit bildet die
unbedingte kulturelle Verpflichtung des
industriellenundkaufmännischen
Unternehmers seinen Angestellten und
Arbeitern gegenüber, diesen ihre Dienst- und
Arbeitsräume so schön und menschenwürdig
wie nur irgend möglich zu gestalten. Diese
Verschönerung wird in der Hauptsache durch
Werke der bildenden Kunst erreicht werden.
Es bedarf zur Verwirklichung dieser Idee, die
einen positiven Beitrag zu der Losung „A r -
beit in Schönheit“ bedeutet, eigentlich
nur des guten Willens der Unternehmer und
Angestellten in den einzelnen Betrieben. Was
ihre praktische Durchführung be-
trifft, so müßte in den Unternehmungen,
welche in dieser Weise eine Verschönerung
ihrer Betriebsräume ins Auge fassen, zunächst
ein Einverständnis der Unternehmer und An-
gestellten untereinander in der Form erreicht
werden, daß ein Rat von künstlerisch einsichts-
vollen Vertretern gewählt wird, der sich dar-
über klar werden müßte, in welcher Form und
mit welcher Gattung von Kunstwerken die
Arbeitsräume am besten zu verschönern wären.
Mit einer solchen aktiven Teilnahme aller in
einem Betrieb tätigen Menschen an der Ver-
schönerung ihrer Arbeitsräume wird mit derZeit
das Gefühl entstehen, daß aus der Arbeits-
stätte eine Art von W oh n stätte ge-
worden sei; gerade mit einer derartigen An-
gleichung der einen an die andere kann der
heute noch vielfach herrschende Zwiespalt
zwischen Privatleben und Berufs-
leben wenigstens teilweise beseitigt werden.
Die finanziellen Mittel für die Beschaffung
von Kunstwerken zur Verschönerung von Be-
triebsunternehmungen müssen einerseits auf
dem Wege der Stiftung des Arbeit-
gebers, andererseits aber auch auf dem
Wege der Sammlung unter den
Arbeitnehmern aufgebracht werden.
Gerade das letztere ist von besonderer Wichtig-
keit für die Auffassung der Arbeit als Sinn-

gebung des Lebens überhaupt im neuen
Deutschland; denn durch eine Beteiligung
aller an der Verschönerung der gemeinsamen
Arbeitsstätte wird in jedem ein persönliches
Verantwortungsgefühl für die Durchdringung
des Alltags mit einer über das Alltägliche hin-
ausgehenden Opferbereitschaft für die Werte
des Lebens entstehen.
Eine derartige Durchdringung des Berufs-
lebens mit Formen der Kunst ist aber über die
wirtschaftliche Frage der Arbeitsbeschaffung
für die Künstler hinaus von grundsätzlicher
Bedeutung für die Idee des ständischen
A u f b a u s , das Ziel der Annäherung der
Kunst an das Volk und ihrer schließlichen
Verschmelzung mit ihm. Denn alle Berufs-
stände kommen damit in unmittelbare Be-
rührung mit Kunst und Künstlern, und auf
der anderen Seite stellt die Verschiedenartig-
keit der einzelnen Berufe ganz von sich aus
neue Aufgaben an die Kunst und neue Gestal-
tungsprobleme an den Stand des Künstlers.
Auch hier also schafft das Leben von sich aus
die Voraussetzungen zur Bildung des Lebens-i
Stils und damit .auch einer neuen ebenso volks-
verbundenen wie nationalen Kunst.
Wenn in solcher Weise der Staat, die Kom-
mune und die Berufsorganisation im Sinne
eines einheitlichen Programms an der Arbeits-
beschaffung für den Künstler sich beteiligen,
ist es auch für jeden Einzelnen selbstver-
ständliche Pflicht, nach besten Kräften der
Kunst seines Volkes dadurch zu ihrem Wieder-
aufbau zu verhelfen, daß er für seine Wohnung
Kunstwerke erwirbt. Die Kunst muß wieder
einziehen in das Heim des Menschen, nicht'
nur in der großen Stadt, sondern auch auf dem;
flachen Lande, nicht nur in der großstädtischen
Etagenwohnung, sondern auch im Bauernhaus.
Richtungweisend können hier zunächst die
großen Siedlungsgemeinschaften
vorangehen, indem sie in ihrem Baugropramm
die Ausgestaltung von Innenräumen mit
Kunstwerken ebenso vorsehen, wie ihre Aus-:
stattung mit den Einrichtungen des alltäg-
lichen Gebrauchs.
 
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