10
Pietro della Valle über das Nagari-Alphabet.
Kirchers Quelle und als der älteste europäische Autor, der den
Namen des Brahmanen-Alphabetes erwähnt hat, angesehen werden
müssen.
Della Valle hört von dem Nägari-Alphabet zuerst in Combru
(jetzt Bender Abbas) in Persien — also noch ehe er den indischen
Boden betritt — im Jahre 1622 (siehe Reiss-Beschreibung III, 229).
Hier wird er mit einem indischen Geistlichen, mit einem von denen,
, die sie Sami1 nennen; (III, 217), bekannt und erhält allerlei Be-
lehrung von ihm über die Götzen und Götzenbilder. Er erfährt
z. B., daß Sri in Sri Narsinhä ein Ehrentitel ist, und daß Narsinhä
Mensch-Löw bedeutet. Der Sami wird von Della Valle gebeten,
seinen eigenen Namen (Damodel Sami) und den der Götzen auf ein
Blatt Papier zu schreiben. ,Er that solches2 mit einer Gattung von
Buchstaben, welche, wie er mir sagte, Nagher genandt, und von
ihnen als heilig hoch geachtet würden, und durch gantz Indien unter
den Gelehrten bekandt, auch von der Banianischen Kauffleuthe von
Cuzarät ihren, von denen ich ein Alphabet habe, gantz unterschieden
waren.1
Der Sami erzählt ferner: ,dass schier alle Landschafften in
Indien ihre sonderbare Sprach, und Buchstaben hätten, und ob wol
etliche wenige an der Sprach einander verstünden, so hätten sie
doch eine gantz andere Schrifft. Es ist demnach unter ihnen ins-
gesamt einerley Sprach, und einerley Schrifft, nehmlich mit den
Buchstaben Nagher, nur allein den Gelehrten bekandt, welche sie
alle annehmen und verstehen; eben wie bey uns in Europa, allwo
so viel, und unterschiedliche Nationen, einander insgesamt in der
Lateinischen Sprach, und Schrifft verstehen?
1) Della Valle erwähnt die Sami öfters. Nach Edward Grey a. a. 0., S. 75,
wären die Sami = Swami, die Herren (skr. svämin'). Die Richtigkeit dieser Er-
klärung muß ich dahingestellt sein lassen. Sicherlich falsch ist aber die Indentifi
kation der Vertia bei Della Valle IV, 37 mit den Vaisnavas (Grey p. 10-1 nj.
Es wäre wunderbar, wenn ein so genauer Beobachter und ein so treuer Bericht-
erstatter wie Della Valle die Jainas nicht kennen gelernt und beschrieben hätte.
Unter den Vertia sind ohne jeden Zweifel Jainas zu verstehen. Hebt doch Dell?.
Valle als Haupteigentümlichkeit der Vertia hervor, daß sie sich, im Gegensatz zu
anderen Indern, das Haupt scheren.
2) Der Sami weigert sich also nicht, ,seinen Namen schriftlich zu geben1,
wie der König der Gioghi bei Della Valle IV, 124 a. Über den namentlich bei
wilden Völkern hervortretenden Widerwillen, den Namen zu verraten, vgl. z. B.
Richard Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche (Stuttgart 1878)
179ff. 302; Frazer, The golden bough2 I, 404ff.
Pietro della Valle über das Nagari-Alphabet.
Kirchers Quelle und als der älteste europäische Autor, der den
Namen des Brahmanen-Alphabetes erwähnt hat, angesehen werden
müssen.
Della Valle hört von dem Nägari-Alphabet zuerst in Combru
(jetzt Bender Abbas) in Persien — also noch ehe er den indischen
Boden betritt — im Jahre 1622 (siehe Reiss-Beschreibung III, 229).
Hier wird er mit einem indischen Geistlichen, mit einem von denen,
, die sie Sami1 nennen; (III, 217), bekannt und erhält allerlei Be-
lehrung von ihm über die Götzen und Götzenbilder. Er erfährt
z. B., daß Sri in Sri Narsinhä ein Ehrentitel ist, und daß Narsinhä
Mensch-Löw bedeutet. Der Sami wird von Della Valle gebeten,
seinen eigenen Namen (Damodel Sami) und den der Götzen auf ein
Blatt Papier zu schreiben. ,Er that solches2 mit einer Gattung von
Buchstaben, welche, wie er mir sagte, Nagher genandt, und von
ihnen als heilig hoch geachtet würden, und durch gantz Indien unter
den Gelehrten bekandt, auch von der Banianischen Kauffleuthe von
Cuzarät ihren, von denen ich ein Alphabet habe, gantz unterschieden
waren.1
Der Sami erzählt ferner: ,dass schier alle Landschafften in
Indien ihre sonderbare Sprach, und Buchstaben hätten, und ob wol
etliche wenige an der Sprach einander verstünden, so hätten sie
doch eine gantz andere Schrifft. Es ist demnach unter ihnen ins-
gesamt einerley Sprach, und einerley Schrifft, nehmlich mit den
Buchstaben Nagher, nur allein den Gelehrten bekandt, welche sie
alle annehmen und verstehen; eben wie bey uns in Europa, allwo
so viel, und unterschiedliche Nationen, einander insgesamt in der
Lateinischen Sprach, und Schrifft verstehen?
1) Della Valle erwähnt die Sami öfters. Nach Edward Grey a. a. 0., S. 75,
wären die Sami = Swami, die Herren (skr. svämin'). Die Richtigkeit dieser Er-
klärung muß ich dahingestellt sein lassen. Sicherlich falsch ist aber die Indentifi
kation der Vertia bei Della Valle IV, 37 mit den Vaisnavas (Grey p. 10-1 nj.
Es wäre wunderbar, wenn ein so genauer Beobachter und ein so treuer Bericht-
erstatter wie Della Valle die Jainas nicht kennen gelernt und beschrieben hätte.
Unter den Vertia sind ohne jeden Zweifel Jainas zu verstehen. Hebt doch Dell?.
Valle als Haupteigentümlichkeit der Vertia hervor, daß sie sich, im Gegensatz zu
anderen Indern, das Haupt scheren.
2) Der Sami weigert sich also nicht, ,seinen Namen schriftlich zu geben1,
wie der König der Gioghi bei Della Valle IV, 124 a. Über den namentlich bei
wilden Völkern hervortretenden Widerwillen, den Namen zu verraten, vgl. z. B.
Richard Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche (Stuttgart 1878)
179ff. 302; Frazer, The golden bough2 I, 404ff.