Pietro della Valle über das Nagari-Alphabet. 11
Della Valle fügt hinzu, daß er von den Nagher-Buchstaben,
die schön und deutlich, aber grob sind und einen großen Raum
einnehmen, viel geschriebene Bücher gesehen hat, daß er zwei von
diesen Büchern mitbringen will (vgl. Reiss-Beschreibung IV, 27), und
daß er mit Lust und Verwunderung zugesehen hat, wie der Sami
die Feder hielt und schrieb.
Zum zweiten Male erwähnt Della Valle die Nägarischrift bei
der Beschreibung seines Besuches von Cambaia (Cambay in Gu-
jarät). Er lernt hier einen alten Brahmanen kennen, der sich Becä
Azärg nennt, ,worunter Becä sein eigener, Azärg [skr. äc.änja\ aber
sein Ehren-Name ist“. Dieser Brahmane ,zeigete uns seine Bücher,
welche mit einer alten, allein den gelehrten bekam! ten, dem ge-
meinen Mann aber, heutiges Tags unbewusten, und bey den Brah-
manen gebräuchlichen Schrifft geschrieben waren, die sie zum
Unterschied vieler anderer gemeiner, und in unterschiedlichen In-
dianischen Provintzen üblichen Buchstaben, Nagheri nennen1 (Reiss-
Beschreibung IV, 27).
An der dritten Stelle seiner Reisebeschreibung, wo er die
Nägarischrift erwähnt (IV, 40), wagt Della Valle eine Vermutung
über den Ursprung des Namens Nagher.1 Er besucht in einem
Dorfe namens Naghrä2, das zwei Cos von Cambaia entfernt liegt,
einen dem Brahman geweihten Tempel. Von den Baniani oder
Kaufleuten in Naghrä hört er, daß dieser Ort vor alten Zeiten der
königliche Sitz und die Hauptstadt des ganzen Königreichs Cambaia
gewesen sei. Dies bringt unsern Autor auf die Mutmaßung, daß
die Buchstaben Nagher ihren Namen von der Stadt Naghrä bezogen
haben, weil sie vor Zeiten daselbst im Gebrauch gewesen sein
könnten. Doch ist diese Herleitung eben eine bloße Mutmaßung;
Della Valle hat durch vielfältige Erfahrung gelernt, daß bei Aus-
legung und Ableitung der Namen, sonderlich aber der Städte und
Plätze in der Welt, der Gleichheit der Wörter nicht zu trauen sei.
Nagher bedeutet, wie Della Valle noch hinzufügt, in der Indianischen
Sprach eine große Stadt.
Wenn dereinst eine Geschichte unserer früheren Kenntnisse
von Indien geschrieben werden wird, eine Geschichte, die anders
1) Über den Ursprung und die Bedeutung des Namens Nägari vgl. Cole-
brooke, Miscellaneous Essays1 II, 27, n., und namentlich Burnell, Elements of
South-Indian Palaeography1 p. 42, n. 2.
2) IV, 38 schreibt Della Valle: Hagrä. So auch im italienischen Original
(ed. Gancia, II, 563).
Della Valle fügt hinzu, daß er von den Nagher-Buchstaben,
die schön und deutlich, aber grob sind und einen großen Raum
einnehmen, viel geschriebene Bücher gesehen hat, daß er zwei von
diesen Büchern mitbringen will (vgl. Reiss-Beschreibung IV, 27), und
daß er mit Lust und Verwunderung zugesehen hat, wie der Sami
die Feder hielt und schrieb.
Zum zweiten Male erwähnt Della Valle die Nägarischrift bei
der Beschreibung seines Besuches von Cambaia (Cambay in Gu-
jarät). Er lernt hier einen alten Brahmanen kennen, der sich Becä
Azärg nennt, ,worunter Becä sein eigener, Azärg [skr. äc.änja\ aber
sein Ehren-Name ist“. Dieser Brahmane ,zeigete uns seine Bücher,
welche mit einer alten, allein den gelehrten bekam! ten, dem ge-
meinen Mann aber, heutiges Tags unbewusten, und bey den Brah-
manen gebräuchlichen Schrifft geschrieben waren, die sie zum
Unterschied vieler anderer gemeiner, und in unterschiedlichen In-
dianischen Provintzen üblichen Buchstaben, Nagheri nennen1 (Reiss-
Beschreibung IV, 27).
An der dritten Stelle seiner Reisebeschreibung, wo er die
Nägarischrift erwähnt (IV, 40), wagt Della Valle eine Vermutung
über den Ursprung des Namens Nagher.1 Er besucht in einem
Dorfe namens Naghrä2, das zwei Cos von Cambaia entfernt liegt,
einen dem Brahman geweihten Tempel. Von den Baniani oder
Kaufleuten in Naghrä hört er, daß dieser Ort vor alten Zeiten der
königliche Sitz und die Hauptstadt des ganzen Königreichs Cambaia
gewesen sei. Dies bringt unsern Autor auf die Mutmaßung, daß
die Buchstaben Nagher ihren Namen von der Stadt Naghrä bezogen
haben, weil sie vor Zeiten daselbst im Gebrauch gewesen sein
könnten. Doch ist diese Herleitung eben eine bloße Mutmaßung;
Della Valle hat durch vielfältige Erfahrung gelernt, daß bei Aus-
legung und Ableitung der Namen, sonderlich aber der Städte und
Plätze in der Welt, der Gleichheit der Wörter nicht zu trauen sei.
Nagher bedeutet, wie Della Valle noch hinzufügt, in der Indianischen
Sprach eine große Stadt.
Wenn dereinst eine Geschichte unserer früheren Kenntnisse
von Indien geschrieben werden wird, eine Geschichte, die anders
1) Über den Ursprung und die Bedeutung des Namens Nägari vgl. Cole-
brooke, Miscellaneous Essays1 II, 27, n., und namentlich Burnell, Elements of
South-Indian Palaeography1 p. 42, n. 2.
2) IV, 38 schreibt Della Valle: Hagrä. So auch im italienischen Original
(ed. Gancia, II, 563).