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Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0185

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Die indische Erzählung vom Zwiebeldieb.

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gefunden. Nach dieser Handschrift teilt er die Erzählung a. a. 0.
in Übersetzung1 mit. Diese Fassung ist ausführlicher als die bei
Ksemendra. Ksemendras Fassung ist offenbar nur ein Auszug daraus.
Zu einer früheren oder bestimmteren Datierung der indischen Ge-
schichte trägt Hertels Mitteilung freilich nichts bei. Wir können
vorläufig nur sagen, daß die Geschichte ums Jahr 1000 n. Chr. in
Indien bekannt war.
Die indische Geschichte ist aus dem Grunde von nicht ge-
ringem Interesse für uns, weil sie auch in den europäischen Litera-
turen vorkommt. Bereits Mankowski a. a. 0., S. L hat — einer Mit-
teilung G. Bühlers folgend, was ich besonders hervorheben möchte
— darauf hingewiesen, daß die Geschichte von La Fontaine
bearbeitet worden ist (Contes et Nouvelles I, 11: Conte d’un paysan
qui avoit offensd son seigneur; erschien zuerst im Jahre 1665).
Zwischen dieser Bearbeitung und der indischen Geschichte bestehen
nur geringe Unterschiede. Statt des Zwiebeldiebes erscheint bei
La Fontaine ein Bauer, der seinen Herrn beleidigt hat. Unter den
Strafen, zwischen denen der Bauer zu wählen hat, nennt sein Herr
zuerst das Essen von dreißig Zwiebeln, dann dreißig Hiebe, zuletzt
die Zahlung von hundert Talern. Bei Ksemendra haben wir die
umgekehrte Reihenfolge. Im übrigen aber verläuft die Geschichte
bei La Fontaine genau so wie bei Ksemendra. Was nun La Fon-
taines Quelle betrifft, so bemerkt Mankowski nur, daß in der von
ihm benutzten Ausgabe der Contes et Nouvelles (vom Jahre 1826?)
die Quelle, aus der La Fontaine geschöpft hat, ausnahmsweise nicht
angegeben werde. Auch Hertel vermag nicht zu sagen, woraus
La Fontaine geschöpft hat (s. Studien V, 130). Es ist daher wohl
an der Zeit, die Lafontaineforscher zu befragen. Ich wende mich
an die neuere Ausgabe der Contes von Henri Regnier (CEuvres de
J. de La Fontaine, Tome IV, Paris 1887), in der Annahme, daß
hier das Wichtigste von dem, was die Lafontaineforschung festgestellt
hat, wiedergegeben ist. Nach Regnier S. 331 soll La Fontaine
die vorletzte Szene des Candelaio, einer Komödie des Giordano
Bruno, als Vorbild gehabt haben. Dieses Stück erschien unter
dem Titel Boniface et le Pedant in französischer Bearbeitung
(Paris 1633). Auch Moliere benutzte Brunos Stück, wie allgemein
angenommen wird, für das erste Zwischenspiel seines Malade ima-

1) Das Sanskritoriginal hat Hertel in der Zeitschrift der deutschen morgen-
ländischen Gesellschaft 59, 25 f. mitgeteilt.
 
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