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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

DOI Artikel:
Clemen, Paul: Studien zur Geschichte der französischen Plastik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0178

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271

1892.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

272

sechs bärtige Könige mit
eng angezogenen, gleich-
sam um den schlanken
Körper angeklebten und
festgeschnürten Gewän-
dern, mit ein wenig ein-
geknickten Knieen, über
dem linken Arm ein
Spruchband tragend.8) In
Bourges sind es die Figu-
ren von den alten Seiten-
portalen, die allein von
der romanischen Kathe-
drale übrig geblieben
sind — sie wurde 1199
unter Bischof Henri de
Sully durch einen geräu-
migen Neubau ersetzt.'JJ
Die Köpfe sind überall
stark vorgeneigt, die gan-
zen Figuren schon ein
wenig lebhafter als die
in Chartres.

Die Gruppe stilistisch
verwandter Skulpturen
läfst sich noch rasch ver-
mehren — ähnliche ge-
krönte Einzelfiguren fin-
den sich zu Notre-Dame
de Pitie in Montmorillon,
an der Abteikirche von
Montmajeur, an derPfarr-
kirche zu Vermanton, am
Mittelportal von Saint-
Germain l'Auxerrois zu

8) Photographie Mieuse-
ment 4564. Abgüsse im Mu-
seum zu Versailles. Abb.
Gonse »L'art gothique«
p. 129. Entstanden zwischen
1137 u. 1140.

9) A. de Girardot et
Hyp. Durand »La cathe-
drale de Bourges« (Moulins
1849). — AlfreddeBois.
soudy »La cathe'drale de
Bourges« (Bourges 1884). —
L'abbeBarreau »Descrip-
tion de la cathedrale, des vilraux de Bourges et des
autres mon. de ]a ville « (Chdteauroux 1885). Abbildungen
der Portale bei De Laborde »Monuments« II, p. 191
u. 192.— Chapuy et Ramie »Le moyen-age monu-
mental« I, pl. G. — Hirth »Formenschatz« (1890)
Nr. 19, 168. — Gonse p. 165.

Paris,am Portal de Sainte-
Benigne in Dijon.10)

Der Stil wird auf
seiner Wanderung durch
das Herz Frankreichs,
nachdem er die Seiten-
portale von Bourges pas-
sirt hat, endlich auch
in Paris heimisch. Das
Nordportal von Saint-
Denys, die porte Sainte-
Anne in Notre-Dame zu
Paris, denen sich wieder
die Fassade von Senlis
nähert, bezeichnen hier
sein Ende. Das bedeu-
tendste Werk, welches
diese Periode in Paris ge-
schaffen, ist die Madonna
im Tympanon des süd-
lichen Seitenportales der
Fassade von Notre-Dame
(Fig. 2). Der pyramiden-
förmige Aufbau der
Gruppe, die Einrahmung
durch den von zwei
schlanken Säulen getra-
genen Rundbogen, über
dem eine zierlich und
wie das ganze Werk
minutiös durchgebildete
Kirchenarchitektur sich
erhebt, ähnlich wie bei
den Umrahmungen der
Evangelistenbilder in den
illustrirten Handschriften
des XII. Jahrh., ist noch
in den strengsten roma-
nischenFormen gehalten.
Das ganze Bild athmet
einen fast drückenden
feierlichen Ernst. Nichts
von Lieblichkeit in der
breitschultrigen, kräfti-
gen Gestalt der Mutter
mit dem in Ernst erstarr-
ten hoheitsvollen Haupt.

10) Ein nahe stehendes Einzelwerk ist die vierge
noire in Notre-Dame zu Dijon, eine steife Figur in
eng anliegender Kleidung, die um den Bauch fest an-
geschnürt ist, mit langen vorn frei herabfallenden Zöpfen
und kleinen wie gedrechselten Brüsten. (Abb. »Bulletin
monumental« XX, p. 121.)

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