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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Witte, Fritz: Das religiöse Buch und der Buchschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0121

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173

1909. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. ö.

174

Das religiöse Buch und der Buchschmuck.

,m ■l||'n Thema, das in der von mir
ffiSl | beabsichtigten Fassung eingehender

l5S&«9 'n dieser Zeitschrift noch nicht
«»«««««—^*l behandelt worden ist; und doch
will mir scheinen, wohl würdig, auch einmal
eine angesehene wissenschaftliche Kunstzeit-
schrift zu beschäftigen. — Was unter „Buch-
schmuck" zu verstehen, ist klar, eine Definition
dieses Wortes überflüssig, da es in seiner
synthetischen Kürze vollkommen verständlich
ist. — Vereine für Bücherfreunde, Zeitschriften
für Buchschmuck sind im letzten Dezennium
entstanden, die mit großem Ernste, und man
darf sagen mit anerkennenswertem Erfolge
gearbeitet haben.1) Man sehe sich nur einmal
das kleine Büchlein an, das die Verlagsanstalt
von Fischer & Franke in Berlin bei Gelegenheit
des Cantate-Festmahles der deutschen Buch-
händler zu Leipzig 1900 als Festgabe den
Teilnehmern überreichen ließ: „Meisterwerke
deutscher Illustrationskunst". Das Büchlein
zeugt innen und außen von so verfeinertem
Geschmack, von so tiefem Verständnis für das,
was die Volksseele ansprechen muß, daß man
unserseits vor allem nur bedauern kann, daß
solche Kunst nicht auch auf religiöse Haus-
und Gebetbücher übertragen wird! Und welch'
immenser Nutzen würde daraus der Religio^
der vertieften Frömmigkeit und der lieben
Kunst selbst erwachsen! — Woraus besteht
denn heute noch, trotz der billigen Preise,
des gewöhnlichen, ungebildeten Mannes Haus-
bücherei? Aus einigen Gebet- und Gesang-
büchern, einer Handpostille und Heiligen-
legende und allenfalls einer Ausgabe der
Kneippschen Wasserkur. Das sind neben dem
armseligen Lokalblättchen, das ihm zwei- oder
dreimal die Woche ins Haus getragen wird,
die gedruckten Gewährsleute und Unterhalter
für die langen Winterabende, in der ein-
geschneiten Landschaft. Die Städte mögen
teilweise davon die Ausnahme machen, daß sie
dem Bürgersmann die Borromaeus-Bücherei

') Vergl. »The Studio«. Special wintcr-number
1899—1900: Modern bonkbindings and their designes
by E. Wood.— Henri BoucllOt, > I.c livre. L'illu-
stration, la reliuro« [P*ril 9. ].) Aufsatz von Dr.
Hans Vollmer im »Kunstgew eibeblalt 1908«.
„Manuel liistoriqu e et bibliographujue de l'amateur
de reliures", par L. Gruel, (Paris 1905) — A col-
lection of facsimiles from oxamplos of historic or
artistic book-binding. (London 1889.)

bieten, aber was der Mann dort bekommt,
ist nicht immer sein Buch. — Wie so ganz
anders dachten längst vergangene Jahrhunderte
in leitenden Kreisen über die Bedeutung des
Buches in seelsorglicher Beziehung; ich er-
innere nur an die allbekannte Biblia pauperum,
viele andere Volksbücher des XVI. Jahrh. liefen
hinterher, die dieselben Zwecke verfolgten:
dem Volke Mentor zu sein für das, was es
lesen wollte. Heute können wir neben diesem
selben Zwecke einen zweiten ins Auge fassen,
heute, wo die Kunst ihre Popularität verloren
hat, können wir durch sachgemäße künstlerische
Ausschmückung unserer religiösen Bücher dazu
ein Wichtiges beitragen, die Kunst und, was
auch für die Seelsorge so wichtig ist, die gute
edle und veredelnde Kunst ins Volk tragen.
Wäre diese Aufgabe, dieses Ziel nicht des
Schweißes der Edlen wert?

Nehmen wir einmal den Katalog irgend
einer Verlagsbuchhandlung her, was uns dort
geboten wird. Wirkliche Katalogware, alles
Schema, alles im Geschmack erstarrte Fabrik-
ware, innen wie außen. Man geht heute —
Gott Dank — scharf gegen Musterbücher für
kirchliche Kleinmöbel vor, und auch die Kata-
loge der Verlagsanstalten für Heiligenbilder
werden scharf und rücksichtslos auf minder-
wertige Marktware untersucht; schlimmer noch
sieht es aus im Büchergewerbe. Und so manch
goldenes Buch ist dort in ein entstellendes
Gewand gesteckt; was die Gebetspoeten, alte
wie junge, geschaffen, es muß sich eine Dar-
stellung im Druck und in der begleitenden
Illustration gefallen lassen, die wirklich seiner
unwürdig ist. Bescheiden, aber immerhin
glückverheißend war erstmals ein vor Jahren
schon gemachter Versuch mit dem „christ-
lichen Sternhimmel" von Alban Stolz, bei
dessen Ausstattung Illustrationen von Seitz
und solche aus mitteralterlichen Missalien usf.
verwendet wurden. Erstere waren für damalige
Begriffe unbestritten gut, bei den alten Bildern
hatte man zu wenig daran gedacht, daß ein
handgemalter Buchschmuck in Farben und
Gold in ganz anderen Grenzen sich bewegt,
wie der gedruckte Buchschmuck. — Holen wir
die weitverbreitete Handpostille von Martin von
Cochem und die Heiligenlegende von Vogel
her, dort sieht es schlimm aus; nicht nur
unpassend ist der Schmuck, er ist direkt un-
 
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