Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

DOI Artikel:
Kleinschmidt, Beda: Der Abdinghofer Tragaltar, eine Arbeit des Rogerus von Helmershausen oder des Reinbold von Paderborn?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0182

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
269

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

270

schließlich auf die darin aufbewahrten Reli-
quien, wie bei unserm Felix-Blasiusaltar. Offen-
bar wurde die Auswahl der Darstellungen
mit Rücksicht auf die Reliquien getroffen.

Was den Gebrauch unseres Portatile
anlangt, so gehört es nicht zu jener Klasse
von Schau- und Prunkstücken, die nur an
festlichen Tagen bei der hl. Messe benutzt
wurden,17) es hat gewiß häufig den Abt auf
seinen Visitationsreisen begleitet; kam er doch
bei dieser Gelegenheit oftmals an Orte, wo
sich kein konsekrierter Altar befand. Auch
mag es manch junger Benediktinerpater mit-
genommen haben, wenn er des Samstags-
nachmittags von seinem Abte ausgeschickt
wurde, um in einer Kapelle auf den Gütern
der Abtei an einem Feiertage die hl. Messe
zu lesen. Während
der heiligen Feier
stand das Altärchen
mit seiner Längs-
seite dem Priester
zugewandt, wie aus
der Stellung der
Figuren auf der
Oberplatte ersicht-
lich ist. Da der
Altarstein sehr
schmal ist, mußte
infolgedessen die
Hostie nicht vor
den Kelch, sondern
links neben denselben gelegt werden; letzteres
war übrigens bis ins hohe Mittelalter fast all-
gemein üblich. Als mystischen Grund für diese
Stellung führen die Liturgiker an, es solle da-
durch zum Ausdruck gebracht werden, daß das
Opferblut aus der rechten Seite des Hei-
landes geflossen ist.18)

Mehr als Inhalt der Bilder, Technik und
Gebrauch interessiert uns die Frage nach dem
Ursprünge des Altärchens. Eine Antwort
auf diese Frage ist, wie oben schon ange-
deutet wurde, erst in allerjüngster Zeit gegeben
worden, indem Otto von Falke es in Anspruch
genommen hat für den Benediktiner Rogerus
von Helmershausen, den er für den Ver-
fasser der „Schedula diversarum artium" hält,
und der in einigen Handschriften auch als

17) Neu mann, »Der Reliquienschatz des Hauses
Braunschweig-Lüneburg, (Wien 1891.) S. 123.

*•) Innocentius III., »De alt. mysterioss. missae«,
1. II. c. 68. Migne 217, 833.





jggrgj





»rtWiBüftiiri .um- —,













llll'W lt























Abb. 3.

Rogkerus (Rugkerus) bezeichnet wird. Die
„Schedula", welche am ausführlichsten über
die Goldschmiedekunst handelt, dürfte ent-
standen sein um die Wende des XI. zum XII.
Jahrh. Der Name Rogkerus findet sich um
dieselbe Zeit in einer Urkunde, worin Bischof
Heinrich von Paderborn am 15. August 1100
dem Kloster Helmershausen (jetzt im Hessi-
schen, ehemals zum Paderborner Sprengel ge-
hörig) die Kirche zu Thesle (Disele) inkor-
poriert und den Zehnten zu Mühlen verleiht
für ein goldenes Kreuz, welches er von Abt
Thietmar und den Brüdern für die Domkirche
erhalten hat und für einen Schrein (scrinium),
welchen der dortige Bruder Rogkerus zu
Ehren des hl. Kilian angefertigt habe.19) Tat-
sächlich besitzt der Dom zu Paderborn noch

heute ein romani-
sches Schreinpor-
tatile, das mit dem
Bilde des Bischofs
Heinrich und der
Darstellung der hll.
Kilian und Liborius
geschmückt ist.20)
Dieser Tragaltar ist
also, so schloß be-
reits Kayser, jener
in der Urkunde von
1100 erwähnte
Schrein, angefertigt
von dem Bene-
diktiner Rogerus.21) Ilg, der Herausgeber
der „Schedula", ging noch einen Schritt weiter.
Er identifizierte den Schriftsteller und Theo-
retiker Theophilus-Rogerus mit dem Gold-
schmied gleichen Namens in Helmershausen,
und so steht dieser Benediktinerpater heute
als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten
der mittelalterlichen Goldschmiedekunst vor
uns, Schriftsteller und Künstler in einer Person.
Es ist daher begreiflich, wenn das ganz vor-
züglich gearbeitete und gut erhaltene Portatile zu
Paderborn in der Literatur häufig genannt wird.
Doch sei bemerkt, daß Ilg diese Identifizierung
nur als Hypothese ausspricht.22) Derselben

19) Ehrhard, »Regesta historiae Westfaliae« ;
acced. codex diplomaticus, (Münster 1847) I. 212.

*>) Abb. bei Ludorff, Kreis Paderborn. Taf.
55 ff.

*l) »Organ für christl. Kunst«. XL 90.

") Vgl. die Einleitung in der angegebenen Ausgabe
von Ilg p. XLHIff.
 
Annotationen