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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Kreitmaier, Josef: Monumentalmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0055

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1912. ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

82

Monumentalmalerei.

as Wort „monumental" gehört zu
jenen fatalen Wörtern, die unsere
Zeit mit besonderer Vorliebe ge-
braucht, obgleich deren begriff-
licher Inhalt heute weniger denn je in der
Welt verwirklicht ist. Wo man die unwür-
digsten Sklavenfesseln trägt, schreit man von
Freiheit, alles ist göttlich und unendlich, wo
das entschiedenste, materialistische Diesseits-
streben herrscht, man rühmt die Persönlich-
keitskultur unserer Tage, wo kräftige Chark-
tere ganz verschwinden unter der Unzahl
von Herdenmenschen, von Goethe-Wagner-
Nitzscbe-Anbetern, man spricht von Liebe, wo
der ausgeprägteste Egoismus sich breit macht,
von Keuschheit, wo der Unflat sich bergehoch
türmt, von Mystik, wo nichts ist als Gefühls-
verschwommenheit, von nationalem Patrio-
tismus, wo man mit zynischem Behagen die
Vaterlandsmörder groß zieht.

So ist heute auch alles monumental. Ge-
lingt es einem Witzblattzeichner mit wenigen
markigen Strichen eine Persönlichkeit zu
karikieren, so spricht aus der Zeichnung gleich
„monumentales Empfinden"; Verse, die nur
aus abgehackten Satzteilen bestehen und aus
einer Menge von Punkten und Gedanken-
strichen, empfehlen sich den Lesern von Re-
klamezetteln wegen ihrer grandiosen Monu-
mentalität. Kurz, das vielgeplagte Wort muß
bald hier einspringen bald dort, ob es paßt
oder nicht. Und doch, wie wenig finden wir
die wahre monumentale Kunst, unter deren
Schatten sich früherejahrhunderte einigfühlten,
deren Mutter eigentlich weniger ein einzelnes
Individuum war, als vielmehr die Kraft einer
ganzen Nation!

Vor etlichen Lustren, als so etwas wie ein
Morgenroi am Kunsthimmel erschien, glaubten j
die Optimisten bereits eine neue Blütezeit der
großen Kunst heraufziehen zu sehen. Aber
die Rosaw..lkehen waren bald verschwunden
und Brauea, düsteres Alltagsgewölk verbarg die '
Hoßhungttonne. Jüngst glaubte Dr. Hagel-
Btange aus da Nachfolge Van Goghs, „des
größten Geniet der neuen Zeit", die große
Monumentalkunst der Zukunft sich entwickeln
zu sehen. Das ist ein Traum. Unsere Zeit
ist zerfahren; es gibt keine großen gemein-
samen Ideen, kein gemeinsames Empfinden
mehr, aus dem allein eine mächtige, die ganze

Nation umfassende Kunst herauswachsen kann.
Die moderne Kunst ist aus dem Grundsatze
l'art pour l'art hervorgegangen; sie ist Fein-
schmeckerkunst geworden und bildet den kon-
trären Gegensatz einer wahrhaft großen Kunst.
Diese hat sich, von der Welt verbannt, in
die Kirche zurückgezogen.

Wenn wir uns im folgenden die Grund-
prinzipien der Monumentalmalerei klarmachen
wollen, müssen wir uns zuerst über den Be-
griff „monumental" einigen. Vielleicht
übersetzen wir das Wort (vom Iat. monere),
am besten mit „der Erinnerung wert". Wir
sehen aber sofort, daß diese wörtliche Über-
tragung viel zu weit ist und nicht den spe-
zifischen Sinn wiedergibt, den wir mit „monu-
mental" zu verbinden pflegen. Denn gar
vieles innerhalb und außerhalb des Bereiches
der Kunst ist „der Erinnerung wert". Wir
müssen also den Kreis des Begriffes beträcht-
lich enger ziehen, wollen wir dem Sprach-
gebrauch gerecht werden.

Diesem entsprechend nennen wir monu-
mental nur solche Kunstwerke großen
Formates, die der bleibenden Erinne-
rung der Menschheit wert sind wegen
ihres bedeutenden Inhaltes. Durch diese
Begriffsbestimmung sind ausgeschlossen alle
großen und mächtigen Werke, die, wie z. B.
eine Riesenlokomotive, nicht in den Bereich
der Kunst fallen, Werke mit weltgeschicht-
lichem Inhalt, aber dargestellt in kleinem
Format, wie z. B. Meissoniers Rückzug Na-
poleons I. aus den Schneefeldern Rußlands,
Werke in großem Format aber mit unbedeu-
tendem Inhalt, wie man sie auf unseren heu-
tigen Ausstellungen bewundern kann, Werke,
die nur zeitlich beschränktes, rein lokales oder
nur für einzelne Personen geltendes Interesse
bieten. Es ergibt sich auch aus unserer
Definition, daß Monumentalmalerei nicht
schlechthin mit Wandmalerei identisch zu
nehmen ist, mag sie auch tatsächlich zumeist
als solche in die Erscheinung treten.

Erfüllt ein Kunstwerk diese Bedingungen,
dann gebührt ihm der Titel monumental,
obwohl es vom rein artistischen Standpunkt
aus vielleicht viele Mängel aufweist. Es kann
sich nur mehr darum handeln, ob es ein gutes
oder ein schlechtes, ein gelungenes oder miß-
lungenes Monumentalwerk ist, je nachdem es
 
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