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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Witte, Fritz: Alte und neue Kirchen- und Vereinsfahnen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0076

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121

1912. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

122

die spiralförmig gedrehte Goldfranse: sie ist
unsolide und hart. Der Franse fällt eine
wichtige Funktion zu: Die Farben der Fahne
und Stickerei gewissermaßen abzuleiten, ver-
laufen zu lassen, den Kontur der Fahne selbst
weich zu gestalten. Ein heute wenig, im
Mittelalter des öfteren gebrauchter höchst
wirkungsvoller Ersatz sind die aus flockiger
Seide hergestellten sogen. Pompoms, knopf-
artige farbige Halbkügelchen, die mit dem
Vorzug der Leichtigkeit den der Originalität
des Aussehens verbinden. Das Mittelalter um-
säumte die Fahnen mit kurzen handge-
knoteten Quästchen, die zumeist ab-
wechseln in den heraldischen Farben
blau, rot, gelb und gtün, die viel
fach, jedesmal durch eine weiße
Quaste unterbrochen, rhyth- ^k
misch aufeinander folgen
— Das sind Gesichts-
punkte, die
gemein
gebend
dürften, w
für kirch-
liche, so
für profane
Zwecke her-
zustellende Fah
nen. Daneben sind v^l
spezielle Eigentum- ^JH
lichkeiten der beiden ^J
Klassen ins Auge zu fassen.
— 1. Die Kirchenfahne. Die
Grenzregulierung zwischen Kir
chen- und Vereinsfahne mag Sache
des subjektiven Empfindens bleiben
Kenntlich macht sich der Unterschied
seit alteis durch die grundverschiedene

maß-
sein

keiten viel weiter gezogen. Sie schließt recht
eigentlich keine Technik aus, selbst die der
Reliefstickerei nicht, weil sie die Bedingungen
der Beweglichkeit an sich nicht so nachdrück-
lich stellt wie die profane Fahne. Als Grund-
form hat sich ganz allgemein die des recht-
eckigen Feldes mit schmalen Streifenzipfeln
eingebürgert. Das wirkt ernüchternd. Die
beigegebenen Abwandlungen einer Umrißlinie
mögen zeigen, daß die Modulationsfähigkeit
eine ungemein ausgedehnte ist (Abb. 118).
Bezüglich der event. Umrahmung gilt das vorhin
allgemein aufgestellte Prinzip ; es dürfte sich
jedoch empfehlen, entweder nur den
festen, nicht durch Zipfel oder Zacken
aufgelösten rechteckigen oder qua-
dratischen festen Teil der Fahne
zu umrahmen oder, falls
zwei flankierende Seiten-
zipfel vorhanden sind,
diese in ihrer Ver-
■^ längerung nach

Abb. 21

Form der Fahne, indem die Kirchenfahne
fast ausschließlich als entfaltetes Tuch an einem
Horizontalstabe hängt, während die Standarte
unmittelbar an einer vertikal gehaltenen Stange
befestigt erscheint Die Anbringung eines
religiösen Bildes auf dem Flaggentuche doku-
mentiert nicht ohne weiteres den kirchlichen
Charakter, anderenfalls müßten wir alle Zunft-
ohnen des Mittelalters als kirchlich benennen.
Die Kirchen-, gewöhnlich Kreuzfahne genannt,
•<at das Eine vor ihrer profanen Schwester
voraus, daß sie ihren ganzen Schmuck offen-
sichtlich entfaltet. Damit sind für ihre Her-
stellung die Grenzen der Dekorationsmöglich-

oben als Rah-
mung zu be-
trachten
Abb.(14u.
16). Eigent-
lich selbstver-
ständlich er-
scheint, daß der
Rahmen als um-
?▼ schließendes, zusammen-
■^ haltendes Motiv farbig
schwerer getönt wird, wie die
umschlossene Fläche, daß er sich
überhaupt von letzterer klar scheide,
entweder durch die schwerere Färbung
oder die Gegensätzlichkeit des ornamen-
talen Schmuckes, indem dieser reicher wie
der der Mitte ist, oder auf Dekor überhaupt
verzichtet und die ihm zufallenden Funktionen
einzig durch die Wucht der Farbe zu erreichen
sucht. Nicht unwesentlich ist die Festlegung
der für figuralen Schmuck vornehmlich auszu-
nutzenden Stelle des Fahnentuches. Verläßt man
die Mitte desselben, so empfiehlt es sich, nach
dem bewußt oder unbewußt in der Kunst be-
folgten Rezepte zu verfahren, das die Mathe-
matiker als den tjuldenen Schnitt bezeichnen.
•_'. Die Vereinsfahne. Übler wie mit der
Kirchenfahne steht es heute mit den zahllos
L;e\vwrdenen Vereinsfahnen, die sich ja in
vielen Fällen nebenamtlich auch in den Dienst
 
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