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Zeitschrift für christliche Kunst — 25.1912

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Schneider, Joseph: Friedhof und Grabmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.4342#0217

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387

1912. ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 12.

38P

versöhnender Gedanke war es für die Gläubigen,
in der Nähe ihrer geliebten Pfarrkirche beerdigt
zu werden, wo die Hinterbliebenen bei jedem
Kirchgang an ihrer Ruhestätte vorbei kamen und
ihrer in der Kirche gedachten ; ein Bild innigster
Seelengemeinschaft auch nach dem Tode!

Aber auch die wegen Raummangels schon
vor Jahrhunderten außerhalb der großen Städte
angelegten Friedhöfe bilden in ihrer Gesamt-
anlage wie in ihren Grabmälern noch heute
ein Bild von andachtsvoller Stimmung und
künstlerischer Harmonie, überall spricht aus

I

kunstlosen, schablonenhaften Massenware, oft
mit den schreiendsten Effekten sich gegenseitig
überbietend, im grellsten kalten Weiß des
Marmors und im tiefsten Schwarz des polierten
Granits gleich nebeneinander; diese ewigen
gefühlsarmen Kreuzformen mit Sockel, Trauer-
figuren und Engel, welche mit einer Hand
nach oben, mit der anderen nach unten zeigen,
oft zu Dutzenden aus einer Form gegossen,
vereinigen sich zu einem Bilde des Grauens
und des Schmerzes über den Verlust an Ge-
müt und Schönheitssinn während des ein-

Abb 3. Luzern: Friedhof von Arkaden eingeschlossen, rings um die Hofkirche angelegt.

seitigen modernen Strebens nach materiellem
Gewinn, und das an jener Stätte, die in be-

den Inschriften, aus den Bildwerken und aus
allen Formen eine wohltuende Einheitlichkeit
des Glaubens und der ästhetischen Empfindung.
Aber welch' schmerzlicher Kontrast, wenn
man nun zu jenen neuen Friedhöfen der
schnell aufgewachsenen Städte und Dörfer
industriereicher Gegenden kommt! Dort, wo
man die Stimmung der Ruhe und des Friedens
sucht, findet man, von außen her oft mit
häßlichen Mietskasernen fest eingeschlossen
oder mit lärmenden Bahnkörpern, Fabriken
oder dergleichen eng begrenzt, ein weites
Gräberfeld, besetzt nach Art eines Steinmetz-
lagers in wildem Durcheinander mit einer
unabsehbaren Menge jener großen und kleinen

sonderom Maße geeignet sein sollte, uns in
aller Behaglichkeit und Stille den Verstorbenen
im Gebete nahe zu bringen.

In dem Maße natürlich, wie das allgemeine
Verständnis und Bedürfnis für eine Friedhofs-
poesie verloren gingen, wurde die gute alte
Grabmalkunst verdrängt durch die moderne
„Grabmalindustrie", die heute fast alle Fried-
hofseingänge belagert

Kaum ist ein Todesfall in der Zeitung be-
kannt gemacht, und schon beginnt der An-
sturm auf die Hinterbliebenen, die oft noch,
bevor der Verstorbene aus dem Hause ge-
 
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