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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

DOI Heft:
10./11. Heft
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Schwietering, Julius: Torques aureus
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0330

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10./11. HEFT

SCHWIETERING, TORQUES AUREUS

309


Abb. 4. Erdrosselung der Avaritia.
Nach Stettiner, Die illustrierten Prudentiushandschriften. Taf. 120.

Brüsseler Handschrift des 10. Jahrhun-
derts (Bibi, royale Ms. Nr. 10066 — 77;
s. Abb. 3) finden, eine Darstellung, die
auch vom Illustrator des St. Galler Ms.
Nr. 135 (Stettiner, Taf. 189), der das nie-
dergestreckte Laster mit dem Kopftuch
erdrosseln läfst, falsch gedeutet wurde.
Für die unserem Dichter bekannte
Vorlage der Berner Handschrift mufs nun
aber noch ein zweites Bild der Erdrosse-
lung — diesmal der Avaritia von seiten
der Operatio — vorausgesetzt werden, das
in der unvollendeten Berner Handschrift
fehlt, denn wir finden dies Bild sowohl in
der Leydener Handschrift des 10. Jahrhun-
derts(Burm.Cod. Q 3; Stettiner,Taf. 101, 4) wie auch
in der Lyoner Handschrift vom Anfang des 12 Jahr-
hunderts (Bibi, du Palais des Arts Ms. Nr. 22;
s. Abb. 4), die, beide von einander unabhängig,
zusammen mit der Berner Handschrift auf eine
gemeinsame karolingische Mutterhandschrift zu-
rückgehen. Während nach der Dichtung (V,
589—595) die Operatio ihr Opfer mit den Armen
erwürgt, gibt ihr der Illustrator, vielleicht durch
die glossierende Beischrift Largitas avaritiam ligat
bewogen, ein würgendes Band, dessen um den
Hals gelegte Schlinge gerade zugezogen wird.
Da Ekkehard ja den Kampfszenen derPsycho-
machie ein ganz besonderes Interesse entgegen-
brachte, müssen ihn unter den waffenklirrenden
Bildern in der Vorlage der Berner Handschrift
auch diese beiden rätselhaften Zeichnungen ge-
rade durch ihre Selbständigkeit dem Wortlaut
der altchristlichen Dichtung gegenüber irgendwie



Abb. 3. Die Cultura deorum wird zu Fall gebracht.
Nach Stettiner, Die illustrierten Prudentiushandschriften.
Taf. 167.

beschäftigt haben. Diese Bilder wurden dem
Dichter zum Anlafs, den letzten seiner neun Einzel-
kämpfe durch das Motiv des Würgetods zu
variieren. Sobald jedoch der erste Entschlufs
gefafst war, wird die schöpferische Phantasie in
andere Bahnen gedrängt, und die Ausführung
im einzelnen von verwandten stärkeren Eindrücken
bestimmt. Das Würginstrument der Fides läfst
sich nur als gedrehtes Seil deuten, während Ekke-
hard torques schreibt und ganz unzweideutig
aureus hinzufügt. Schon Fischer, der erste Heraus-
geber des Waltharius, erkannte richtig die Her-
kunft des torques aureus, als er auf jene goldene
Kette der Volkssage hinwies, mit der, wie Widu-
kind (I c. 22) und nach ihm Thietmar (I c. 7), Sige-
bert (S. S. VI S. 346) u. a. erzählen, Hatto von
Mainz dem Herzog Heinrich von Sachsen nach
dem Leben trachtet: Widukind I c. 22 fecitque ei
torquem auream fabricari, et invitavit ad convivium,
quo magnis ab eo muneribus honoraretur. Wird
hier als bekannt vorausgesetzt, dafs die Kette,
die dem Herzog beim Mahle als Gastgeschenk
umgelegt werden soll, ihr Opfer erwürgt haben
würde, so erfahren wir aus zwei späten Chroniken,
die die Sage von der Halskette des hinterlistigen
Mörders durch das ganze Ma. lebendig erweisen,
von der unwiderstehlichen Wirkung der Kette.
Heinrich Eckstorms Chronicon Walkenredense
(Helmaestadii 1627)7) berichtet, wie unter demAbte
Johannes VII. (1479—1485) der Saltuarius des
Klosters durch eine Kette oder vielmehr durch
einen Ring ums Leben gebracht wird, der sich,
nachdem er um den Hals gelegt ist, weder durch-
feilen noch aufschliefsen läfst; S. 182 . . torquem
ista (lies: ita) factam, vt lima teri et clauibus aperiri
non posset, ac ipsi, cui inijceretur, aculeis suis
prcesentem mortem adferret. . Saltuario collum intu-
7) Den Hinweis auf diese ältere Fassung, die der Er-
zählung bei Leibniz, Ann. Imp. II 263 allerdings nicht zu-
grunde liegt, wenigstens nicht als einzige Quelle, verdanke
ich Herrn Geh. Archivrat Dr. P. Zimmermann.
 
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