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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

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Mitteilungen und Berichte
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Pechtl, Heinrich: Kardinal Mazarins Tod
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https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0187

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Mitteilungen und Berichte. 175

in der Lage zu ſein, erhielt er den trockenen Beſcheid: dann könne er auch nicht
die Stelle bekommen. Der Intendant begab ſich zur Königin und berichtete,
was er ſoeben erfahren. Zu ſeiner Ueberraſchung äußerte Anna von Oeſterreich
nur: „Wird er dieſes ſchmutzigen Geizes nie überdrüſſig? Wird er immer uner—
ſättlich ſein und nimmer ſein Genügen finden an Gold und Silber?“

Kurz darauf beſuchte ſie den Kranken; er empfing ſie mit dem Gruße:
„Madame, was fällt Ihnen bei, einen Unerſättlichen zu beſuchen, einen Mann
voll ſchmutzigſten Geizes, der nie des Goldes und Silbers ſatt wird?“

In nicht geringer Verlegenheit brachte die betroffene Königin ihre Ent—
ſchuldigungen ſo gut oder übel als es ging vor. Er aber bewahrte ſeine Ruhe
und beharrte bei ſeinem Entſchluſſe: der Empfohlene könne die Stelle nur dann
haben, wenn er ihm einhunderttauſend Thaler dafür zahle.

Keine Woche verging, der Kardinal ſtarb, und d'Argouges hatte die Stelle —
unentgeltlich.

Bedauert und betrauert wurde Mazarin nur von ſeinen wenigen Freunden.
Selbſt in ſeiner eigenen Familie, für die er ſoviel gethan, fand ſein Tod nicht
die Teilnahme, die er gewiß hier am meiſten verdient hätte. Auf die erſte
Nachricht ſeines Todes ſagten Neffe und Nichte: „Gott ſei Dank, er hat verendet
(crepa).“ Sein Univerſalerbe, Armand de la Porte de Meilleraie, der Gatte
der ſchönen Hortenſe Mancini, durchlief einſt, einen Hammer in der Hand, die
Galerie Mazarins und ſchmetterte die koſtbarſten Meiſterwerke der Bildhauerkunſt.
nieder, weil ſie — nackt waren; hätte nicht dem tollen Raſen das feinere
Kunſtgefühl des Königs rechtzeitig Halt geboten, er hätte alles in Trümmer
geſchlagen.

Was aus den Maſſen und Tiefen des Volkes aus jener Zeit zu uns herüber—
klingt, iſt keine Totenklage, kein Schmerzensruf, nur Hohn und Spott, der in
zahlreichen Epigrammen und Liedern austönt. Es iſt die herrſchende Stim—
mung des Tages. Ein anderes Urteil lebt in der Geſchichte. Die Frage aber,
wer größer geweſen, ob Richelien, ob Mazarin, dürfte eine müßige ſein.

Sein unbeſchränktes Lob finden wir nur bei einem Zeitgenoſſen. Es iſt
der arme poetiſche Zeitungsſchreiber Loret. Er glaubt dem Andenken und Rufe
Mazarins ſein „ganzes Schreibzeug widmen zu ſollen.“ Was er aber auch
an gerechtem Lob verkünden mag, ſo wird es doch durch das Geſtändnis be—
denklich:

Par cette morte que je lamente
Je perds deux cens écus de rente
Qui furent, pour mon entretien
Mon plus clair et solide bien.

In ſeiner Gutmütigkeit fügt er beſcheiden bei:

L'Etat, j'en jurerois ma foy
Perd infinement plus que moyꝝ.

(Lettre du 13 Mars 1661.)
 
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