Zie zaſtille.
Von
Heinrich Vechtl.
Es hat einen Ort im königlichen Paris gegeben, an dem
jeder mit Scheu vorübereilte. Kam es einmal einem in den
Sinn, aus welchem Grunde immer, ſeine Aufmerkſamkeit den
altersgrauen Mauern zuzuwenden, ſo wurde er ſchon von der
Wache angerufen, die ihn, ſollte er ſich zufällig etwas ſchwerhörig
gezeigt haben, ſofort mit Kolbenſtößen eindringlich genug ans
Weitergehen erinnerte.
Ein gewaltiger, unnahbarer Zauber umgab dies alte Monu—
ment, die Baſtille, und wie das Stadthaus dem Volke als Symbol
der Freiheit galt, ſo war ihm jenes die feſte Burg des Königtums,
unangreifbar, uneinnehmbar. Zur Zeit der Fronde dachte niemand
daran, daß in allen Hauptſtädten das Schickfal derſelben von einem
beſonderen Punkte abhängt, und daß die Einnahme dieſes einen
Punktes das Schickſal der Dynaſtie entſcheiden könnte. So ſtand
unter Ludwig XIV. der Zauber jener Zwingburg noch gewaltig
aufrecht, und man würde jeden für einen Naͤrren erklärt haben,
der die Einnahme und Plünderung der Baſtille durch die Enkel
jener Pariſer, die beim Anblick dieſer finſteren Mauern und Türme
ein gelinder Schauer überflog, vorhergeſagt hätte.
Als der Graf von Artois und die Königin den „Figaro“ des
genialen Beaumarchais, dem ſie ſo gerne auf die Bühne geholfen
hätten, dem Könige vorlaſen, ſprach der milde Ludwig XVI. in
einem Tone, der keinen Einwurf zuläßt, nur die Worte: „Es wäre
alſo notwendig, daß man dann die Baſtille abſchaffte?“
Die Baſtille lag ihm alſo noch am Herzen, wie etwa ein alter
vertrauter Diener, der, in die Geheimniſſe ſcines Herrn eingeweiht,
deshalb mit einer gewiſſen zarten Schonung behandelt werden muß,
Von
Heinrich Vechtl.
Es hat einen Ort im königlichen Paris gegeben, an dem
jeder mit Scheu vorübereilte. Kam es einmal einem in den
Sinn, aus welchem Grunde immer, ſeine Aufmerkſamkeit den
altersgrauen Mauern zuzuwenden, ſo wurde er ſchon von der
Wache angerufen, die ihn, ſollte er ſich zufällig etwas ſchwerhörig
gezeigt haben, ſofort mit Kolbenſtößen eindringlich genug ans
Weitergehen erinnerte.
Ein gewaltiger, unnahbarer Zauber umgab dies alte Monu—
ment, die Baſtille, und wie das Stadthaus dem Volke als Symbol
der Freiheit galt, ſo war ihm jenes die feſte Burg des Königtums,
unangreifbar, uneinnehmbar. Zur Zeit der Fronde dachte niemand
daran, daß in allen Hauptſtädten das Schickfal derſelben von einem
beſonderen Punkte abhängt, und daß die Einnahme dieſes einen
Punktes das Schickſal der Dynaſtie entſcheiden könnte. So ſtand
unter Ludwig XIV. der Zauber jener Zwingburg noch gewaltig
aufrecht, und man würde jeden für einen Naͤrren erklärt haben,
der die Einnahme und Plünderung der Baſtille durch die Enkel
jener Pariſer, die beim Anblick dieſer finſteren Mauern und Türme
ein gelinder Schauer überflog, vorhergeſagt hätte.
Als der Graf von Artois und die Königin den „Figaro“ des
genialen Beaumarchais, dem ſie ſo gerne auf die Bühne geholfen
hätten, dem Könige vorlaſen, ſprach der milde Ludwig XVI. in
einem Tone, der keinen Einwurf zuläßt, nur die Worte: „Es wäre
alſo notwendig, daß man dann die Baſtille abſchaffte?“
Die Baſtille lag ihm alſo noch am Herzen, wie etwa ein alter
vertrauter Diener, der, in die Geheimniſſe ſcines Herrn eingeweiht,
deshalb mit einer gewiſſen zarten Schonung behandelt werden muß,