das dentſche Fürftentum in der Mitte des 16. Jahrhunderks.
Von
Aoriz Nitter.
I
Die ſtaatliche Entwickelung Deutſchlands bewegt ſich ſeit dem
15. Jahrhundert in der immer feſter angewieſenen Richtung auf
Schwächung der centralen Reichsgewalten und auf ſtaatliche Kräf—
tigung der großen Fürſtentümer. Bei der Betrachtung dieſes
Ganges der Dinge geſchieht es leicht, daß der Geſchichtſchreiber,
bewußt oder unbewußt, für die Einheit des alten Reiches Partei
ergreift und dann die Erhebung des deutſchen Fürſtentums ver—
urteilt, ehe er die Gründe derſelben erkannt hat. Dem gegenüber
möchte ich in der folgenden Abhandlung gerade auf die Gründe
hinweiſen, welche in der Zeit des ausgehenden Mittelalters bis
etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts die innere Kräftigung der
Fürſtentümer bewirkt haben. Erſchöpfend freilich wird meine Dar—
legung nicht ſein. Denn ich beſchränke die Betrachtung auf ſolche
Verhältniſſe, welche bereits im 15. Jahrhundert deutlich hervor—
treten und bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts mit voller
Kraft weiter wirken. Eine andere Reihe von Erſcheinungen dagegen,
die beſonders mächtig auf die Entwickelung, von der ich handle,
eingewirkt haben, die kirchliche Umwälzung des 16. Jahrhunderts
nämlich, ſchließe ich aus, weil ſie zwar mit ihren Anfängen in
das 15. Jahrhundert zurückreicht, aber in ihrer Eigenart doch erſt
im Zeitalter der Reformation hervortritt und außerdem zu groß
iſt, um nicht für ſich behandelt werden zu müſſen.
Andererſeits wird es nicht angehen, das Emporſteigen der
Fürſtentümer zu verfolgen, ohne einen Seitenblick auf die anderen
dutonomen Herrſchaften und Gebiete des Reichs zu werfen, vor
allem auf die Reichsſtädte, welche allein mit der Bedeutung der
Fürſten zeitweilig zu wetteifern vermochten. Es wird ſich zeigen,
wie deren Niedergang ſchon in dem Zeitraum, der uns beſchäftigt,
entſchieden war.
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ec, 1885. Heft X. 47
Von
Aoriz Nitter.
I
Die ſtaatliche Entwickelung Deutſchlands bewegt ſich ſeit dem
15. Jahrhundert in der immer feſter angewieſenen Richtung auf
Schwächung der centralen Reichsgewalten und auf ſtaatliche Kräf—
tigung der großen Fürſtentümer. Bei der Betrachtung dieſes
Ganges der Dinge geſchieht es leicht, daß der Geſchichtſchreiber,
bewußt oder unbewußt, für die Einheit des alten Reiches Partei
ergreift und dann die Erhebung des deutſchen Fürſtentums ver—
urteilt, ehe er die Gründe derſelben erkannt hat. Dem gegenüber
möchte ich in der folgenden Abhandlung gerade auf die Gründe
hinweiſen, welche in der Zeit des ausgehenden Mittelalters bis
etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts die innere Kräftigung der
Fürſtentümer bewirkt haben. Erſchöpfend freilich wird meine Dar—
legung nicht ſein. Denn ich beſchränke die Betrachtung auf ſolche
Verhältniſſe, welche bereits im 15. Jahrhundert deutlich hervor—
treten und bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts mit voller
Kraft weiter wirken. Eine andere Reihe von Erſcheinungen dagegen,
die beſonders mächtig auf die Entwickelung, von der ich handle,
eingewirkt haben, die kirchliche Umwälzung des 16. Jahrhunderts
nämlich, ſchließe ich aus, weil ſie zwar mit ihren Anfängen in
das 15. Jahrhundert zurückreicht, aber in ihrer Eigenart doch erſt
im Zeitalter der Reformation hervortritt und außerdem zu groß
iſt, um nicht für ſich behandelt werden zu müſſen.
Andererſeits wird es nicht angehen, das Emporſteigen der
Fürſtentümer zu verfolgen, ohne einen Seitenblick auf die anderen
dutonomen Herrſchaften und Gebiete des Reichs zu werfen, vor
allem auf die Reichsſtädte, welche allein mit der Bedeutung der
Fürſten zeitweilig zu wetteifern vermochten. Es wird ſich zeigen,
wie deren Niedergang ſchon in dem Zeitraum, der uns beſchäftigt,
entſchieden war.
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ec, 1885. Heft X. 47