Zur Geſſhichte der hiſtoriſchen Tradition 2 kriedrich
den Großen.
Von
Georg Binter.
Goethe hat uns in ſeiner Selbſtbiographie eine unnachahm—
lich plaſtiſche Schilderung von dem Eindrucke gegeben, welchen das
neuaufgehende Geſtirn Friedrichs des Großen auf die tiefer denken—
den und empfindenden Zeitgenoſſen hervorbrachte. Es war die Wahl—
verwandtſchaft des Genius, welche die größten Repräſentanten der
neuen litterariſchen Epoche mit dem größten Helden der That ver—
band. Der Arbeit der geiſtigen Fühter der Nation wurde durch
das Auftreten dieſes großen natibnalen Helden erſt ein thatſäch—
licher Lebensinhalt gegeben. Man begann im deutſchen Vaterlande
zu ahnen, daß dieſer Held berufen ſei, dem nationalen Leben der
Deutſchen neue Bahnen zu eröffnen und die Möglichkeit einer ge—
deihlichen Zukunft zu verſchaffen. Mit Jubel vernahm man in
ganz Deutſchland, felbſt in den Oeſterreich anhängenden Terri—
torien, die Kunde von der Vernichtung der franzoͤſiſchen Armee
hei Roßbach. Das Bewußtſein der nationalen Zufammengehörig—
keit, ſchon geweckt durch das Aufblühen der natibnalen Litleratuk,
erſtarkte mit wunderbarer Schnelligkeit unter dem Eindrucke dieſes
wuchtigen Schlages gegen die verhaßten Fremdlinge. Man wurde
ſich mit Freuden bewußt, wie diefe gewaltige Schlacht zum erſten—
male wieder bewies, daß das deutſche Volk nicht bloß die Fähig—
keit, kühn und groß zu denken, ſondern auch die Kraft kühn zu
handeln beſitze, daß es nur des geeigneten Geiſtes bedürfe, um
dieſe ſchlummernden Kräfte zu wecken.
Als Friedrichs Abgeſandter in Regensburg den kaiſerlichen
Notarius, welcher ihm die Achtserklärung über feinen König inſi—
nuieren ſollte, reſolut die Treppe hinunlerwerfen ließ, da fühlte
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte re, 1885. Heft IV. 17
den Großen.
Von
Georg Binter.
Goethe hat uns in ſeiner Selbſtbiographie eine unnachahm—
lich plaſtiſche Schilderung von dem Eindrucke gegeben, welchen das
neuaufgehende Geſtirn Friedrichs des Großen auf die tiefer denken—
den und empfindenden Zeitgenoſſen hervorbrachte. Es war die Wahl—
verwandtſchaft des Genius, welche die größten Repräſentanten der
neuen litterariſchen Epoche mit dem größten Helden der That ver—
band. Der Arbeit der geiſtigen Fühter der Nation wurde durch
das Auftreten dieſes großen natibnalen Helden erſt ein thatſäch—
licher Lebensinhalt gegeben. Man begann im deutſchen Vaterlande
zu ahnen, daß dieſer Held berufen ſei, dem nationalen Leben der
Deutſchen neue Bahnen zu eröffnen und die Möglichkeit einer ge—
deihlichen Zukunft zu verſchaffen. Mit Jubel vernahm man in
ganz Deutſchland, felbſt in den Oeſterreich anhängenden Terri—
torien, die Kunde von der Vernichtung der franzoͤſiſchen Armee
hei Roßbach. Das Bewußtſein der nationalen Zufammengehörig—
keit, ſchon geweckt durch das Aufblühen der natibnalen Litleratuk,
erſtarkte mit wunderbarer Schnelligkeit unter dem Eindrucke dieſes
wuchtigen Schlages gegen die verhaßten Fremdlinge. Man wurde
ſich mit Freuden bewußt, wie diefe gewaltige Schlacht zum erſten—
male wieder bewies, daß das deutſche Volk nicht bloß die Fähig—
keit, kühn und groß zu denken, ſondern auch die Kraft kühn zu
handeln beſitze, daß es nur des geeigneten Geiſtes bedürfe, um
dieſe ſchlummernden Kräfte zu wecken.
Als Friedrichs Abgeſandter in Regensburg den kaiſerlichen
Notarius, welcher ihm die Achtserklärung über feinen König inſi—
nuieren ſollte, reſolut die Treppe hinunlerwerfen ließ, da fühlte
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte re, 1885. Heft IV. 17