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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

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Zwiedineck-Südenhorst, Hans von: Aus den Briefen eines deutschen Diplomaten
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https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0958

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Aus den Zriefen eines deutſchen diplomaten.

Von

H. d. Zwiedineck-Hüdenhorſt.

Es gab eine Zeit, in welcher man nicht mit Unrecht behaupten
konnte, die Deutſchen verſtünden es nicht, lesbare Geſchichte zu
ſchreiben, und es iſt noch nicht lange her, daß Karl Hillebrand
der Welt gezeigt hat, welcher Entwickelung gerade im Deutſchen
der Eſſay fähig iſt, deſſen ſich unſere weſtlichen Nachbarn als einer
Spezialität rühmen durften. Noch heute aber — da man unſexen
Ranke, Freytag, Treitſchke, Gregorovius, Riehl und ihren Schülern
und Nacheiferern kaum irgend einen fremdländiſchen Hiſtoriker ent—
gegenzuſtellen hat — findet ein gewiſſer Teil unſeres gebildeten
Lefepuͤblikums, daß es doch eigentlich nur eine dem Laien gefäl—
lige Form geſchichtlicher Darſtellung gebe, und in dieſer, der Brief-
und Memoirenlitteratur, ſeien die Franzoſen die unübertrefflichen
Meiſter. Intereſſante Briefe könne man in unſerer Sprache über—
haupt nicht ſchreiben, denn Leute von Geiſt bedienten ſich, wenn
fie ihre Gedanken an ihresgleichen richten, wie von einem unwider—
ſtehlichen Naturgeſetze getrieben, nur der Sprache Voltaires und
Sdinte-Beuves. Wir bedauern unendlich, ſo unhöflich ſein und
auch dieſen Glaubensartikel unſerer vornehmen Welt als einen
unhaltbar gewordenen bezeichnen zu müſſen.

Es liegt ein Buch vor uns, das gerade aus jenen Kreiſen
hervorgegangen iſt, in welchen man ähnlichen Verdammungs—
urteilen über den politiſch-hiſtoriſchen Stil der Deutſchen am häufig—
ſten begegnet, und geſtützt auf die neueſte und überraſchende Er—
ſcheinung der modernen Geſchichtſchreibung wagen wir die Be—
hauptung, daß dieſelbe ſich eine neue Etappe auf dem Wege zu
höchſter Bedeutung und Vollendung geſichert hat. Das Buch ent—
hält die politiſchen Privatbriefe des königlich ſächſiſchen Legations—
ſekretärs, ſpäteren Geſchäftsträgers in Petersburg und London,
 
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