Mitteilungen und Berichte. 477
Eine Königin von England vor Gericht.
Im erſten Viertel dieſes Jahrhunderts ſpielte ſich ein ſeltſamer Prozeß vor
den Schranken des Londoner Chancery-Gerichtshofes ab, der merkwürdige Streif⸗
lichter auf die Handlungsweiſe der Königin Karoline von England, Gemahlin
Georgs IV. wirft und bei dem das Endurteil eigentlich Ihre Majeſtät der
Fälſchung beſchuldigt. Schon als Prinzeſſin von Wales war die Genannte oft
die Urſache höchſt ärgerlicher Vorkommniſſe am Hofe von St. James geweſen,
ſo daß, da ſie ſich durchaus nicht zu einer andern Lebensweiſe bequemen wollte,
ſie im Auguſt 1814 aus dem Lande verbannt wurde. Sie wandte natur—
gemäß ihre Schritte nach ihrer Heimat Braunſchweig und langte gerade dort
zu einer Zeit an, als ihr Bruder Friedrich Wilhelm von Braunſchweig Lüneburg
wiederum Beſitz von ſeinem Reich ergriffen hatte. Mitten. in ſeine Beſchäftigung,
die Verhältniſſe des Herzogtums wieder zu ordnen und die Armee zu reorgani—
ſieren, fiel die Rückkehr Napoleons I. von Elba; franzöſiſche Truppen näherten
ſich Braunſchweig, und der Herzog ſah ſich genötigt, Deutſchland zu verlaſſen.
Er begab ſich nach England, wo er die Ausrtiſtung ſeiner Soldaten vervoll—
ſtändigte, an deren Spitze er nachher den Heldentod bei Quatre Bras erlitt.
Bevor er indes Großbritannien wieder verließ, um von neuem in den Kampf
zu ziehen, machte er, von Todesahnungen ergriffen, ſein Teſtament. Er ernannte
zu Exekutoren Lord Liverpool, den Geſandten am Hofe von St. James, Grafen
Münſter und den früheren Miniſter Georg Canning, welcher letztere indes das
Amt ablehnte.
Sogleich nachdem das Teſtament eröffnet war, erhielten Lord Liverpool und
Graf Münſter eine Mitteilung der Prinzeſſin von Wales, die noch immer in
Braunſchweig reſidierte, daß ſie eine Forderung von 15000 Pfd. Sterl. an den Nach—
laß habe. Sie habe dieſe Summe ihrem verſtorbenen Bruder vor ſeiner Abreiſe
von Braunſchweig im Auguſt 1814 geliehen und von dieſem einen Schuldſchein
erhalten, der ſich im Beſitz ihres Bankiers befände. In dieſem Dokumente
habe ſich der Herzog verpflichtet, das Kapital mit Zinſen im Jahre 1816 zu—
rückzuzahlen, und zur vermehrten Sicherheit ſei ihr noch ein Duplikat des Schuld⸗
ſcheins eingehändigt worden, welches ſie vorlegen könne. Dieſe Nachricht ſetzte be—
fonders den Grafen Münſter in Erſtaunen, weil er mit den Verhältniſſen des Her—
zogs zu genau bekannt war, um glauben zu können, daß der Verſtorbene ſich an
ſeine Schweſter wegen eines Darlehens gewandt haben würde. Die Beziehungen
zwiſchen den Geſchwiſtern waren mehr als kühl geweſen, und Friedrich Wilhelm
hatte im Gegenteil zu ſeinen näheren Freunden oft die Befürchtung ausgeſprochen,
daß die Prinzeſſin von Wales verſuchen würde, Geld von ihm zu leihen. Die letztere
befand ſich auch ſtets in finanziellen Verlegenheiten, und gerade im Auguſt 1814
war ſie ſo knapp an Geld geweſen, daß ſie unmöglich 15000 Pfd. Sterl.
beſeſſen haben konnte, alſo noch viel weniger eine ſolche Summe vorzuſtrecken
imſtande war. Es blieb allerdings noch die Möglichkeit, daß die Prinzeſſin
für den Betrag Wechſel acceptiert haben könne, aber dann mußten dieſelben
durch die Hände von Bankiers gegangen ſein, und davon war trotz aller
Nachforſchungen keine Spur aufzufinden.
Eine Königin von England vor Gericht.
Im erſten Viertel dieſes Jahrhunderts ſpielte ſich ein ſeltſamer Prozeß vor
den Schranken des Londoner Chancery-Gerichtshofes ab, der merkwürdige Streif⸗
lichter auf die Handlungsweiſe der Königin Karoline von England, Gemahlin
Georgs IV. wirft und bei dem das Endurteil eigentlich Ihre Majeſtät der
Fälſchung beſchuldigt. Schon als Prinzeſſin von Wales war die Genannte oft
die Urſache höchſt ärgerlicher Vorkommniſſe am Hofe von St. James geweſen,
ſo daß, da ſie ſich durchaus nicht zu einer andern Lebensweiſe bequemen wollte,
ſie im Auguſt 1814 aus dem Lande verbannt wurde. Sie wandte natur—
gemäß ihre Schritte nach ihrer Heimat Braunſchweig und langte gerade dort
zu einer Zeit an, als ihr Bruder Friedrich Wilhelm von Braunſchweig Lüneburg
wiederum Beſitz von ſeinem Reich ergriffen hatte. Mitten. in ſeine Beſchäftigung,
die Verhältniſſe des Herzogtums wieder zu ordnen und die Armee zu reorgani—
ſieren, fiel die Rückkehr Napoleons I. von Elba; franzöſiſche Truppen näherten
ſich Braunſchweig, und der Herzog ſah ſich genötigt, Deutſchland zu verlaſſen.
Er begab ſich nach England, wo er die Ausrtiſtung ſeiner Soldaten vervoll—
ſtändigte, an deren Spitze er nachher den Heldentod bei Quatre Bras erlitt.
Bevor er indes Großbritannien wieder verließ, um von neuem in den Kampf
zu ziehen, machte er, von Todesahnungen ergriffen, ſein Teſtament. Er ernannte
zu Exekutoren Lord Liverpool, den Geſandten am Hofe von St. James, Grafen
Münſter und den früheren Miniſter Georg Canning, welcher letztere indes das
Amt ablehnte.
Sogleich nachdem das Teſtament eröffnet war, erhielten Lord Liverpool und
Graf Münſter eine Mitteilung der Prinzeſſin von Wales, die noch immer in
Braunſchweig reſidierte, daß ſie eine Forderung von 15000 Pfd. Sterl. an den Nach—
laß habe. Sie habe dieſe Summe ihrem verſtorbenen Bruder vor ſeiner Abreiſe
von Braunſchweig im Auguſt 1814 geliehen und von dieſem einen Schuldſchein
erhalten, der ſich im Beſitz ihres Bankiers befände. In dieſem Dokumente
habe ſich der Herzog verpflichtet, das Kapital mit Zinſen im Jahre 1816 zu—
rückzuzahlen, und zur vermehrten Sicherheit ſei ihr noch ein Duplikat des Schuld⸗
ſcheins eingehändigt worden, welches ſie vorlegen könne. Dieſe Nachricht ſetzte be—
fonders den Grafen Münſter in Erſtaunen, weil er mit den Verhältniſſen des Her—
zogs zu genau bekannt war, um glauben zu können, daß der Verſtorbene ſich an
ſeine Schweſter wegen eines Darlehens gewandt haben würde. Die Beziehungen
zwiſchen den Geſchwiſtern waren mehr als kühl geweſen, und Friedrich Wilhelm
hatte im Gegenteil zu ſeinen näheren Freunden oft die Befürchtung ausgeſprochen,
daß die Prinzeſſin von Wales verſuchen würde, Geld von ihm zu leihen. Die letztere
befand ſich auch ſtets in finanziellen Verlegenheiten, und gerade im Auguſt 1814
war ſie ſo knapp an Geld geweſen, daß ſie unmöglich 15000 Pfd. Sterl.
beſeſſen haben konnte, alſo noch viel weniger eine ſolche Summe vorzuſtrecken
imſtande war. Es blieb allerdings noch die Möglichkeit, daß die Prinzeſſin
für den Betrag Wechſel acceptiert haben könne, aber dann mußten dieſelben
durch die Hände von Bankiers gegangen ſein, und davon war trotz aller
Nachforſchungen keine Spur aufzufinden.