Mitteilungen und Berithte.
Die Wallfahrtsberge von Oberitalien.
Von Karl Meyer.
Unter den immer noch zahlreichen Wallfahrts- und Gnadenorten des mitt—
leren und ſüdlichen Europa zeichnen ſich die italieniſchen, und zwar namentlich
die oberitalieniſchen, in mehr als einer Beziehung aus. Es befinden ſich dieſelben
meiſt auf mehr oder weniger erhabenen Punkten, von welchen man bald eine
weit ausgedehnte, bald eine enger begrenzte, aber darum nicht weniger maleriſche
Ausſicht hat. Man ſieht etwa die weite Po-Ebene mit ihren Flüſſen und Seen,
oder man blickt in die nächſten Gebirgszüge mit ihren Thälern und Schluchten,
oder man hat wohl auch beides in dem nämlichen landſchaftlichen Bilde ver—
einigt. Ich erinnere, um zunächſt bei allgemein bekannten Punkten dieſer Art.
zu verweilen, an die Madonna di S. Luca bei Bologna oder an die Madonna
del Monte bei Vicenza, zu welchen Hunderte von Arkaden in ununterbrochener
Reihe führen. Die zuerſt genannte bietet überraſchende Blicke auf die weite
Ebene und das Adriatiſche Meer, während ſie zugleich auf einem Hügel ſteht,
der ſich nach der andern Seite den Apenninen zuwendet. Auch die italieniſche
Schweiz beſitzt mehrere Wallfahrtsberge dieſer Art, z. B. die Madonna della
Salute über Bellinzona, an und für ſich zwar ein ſchmuckloſes Kirchlein, aber
eines Beſuches wegen der Ausſicht auf Bellinzona und ſeine drei Schlöſſer ſowie
auf den entfernteren Lago Maggiore wohl wert. Auch die in künſtleriſcher Hin—
ſicht nicht unintereſſante Madonna del Saſſo über Locarno und die noch hüher
gelegene Kapelle des Monte S. Salvatore bei Lugand gehören hierher. In
Bezug auf Anlage und Ausſtattung ſchließt ſich namentlich die Madonna del
Saſſo trotz ihrer Lage auf ſchweizeriſchem Boden ganz den italieniſchen Wall—
fahrtsbergen an.
Der erhabenſte Punkt dieſer Art aber iſt entſchieden die Kapelle Notre Dame
des Neiges auf Roccia Melone. Sie ſteht auf der Spitze des genannten Berges
über der Stadt Suſa, in einer Höhe von 3584 Metern über dem Mittelländiſchen
Meer, alſo ſchon über der Schneelinie, welche freilich hier bedeutend höher als
in den Schweizer oder Tiroler Alpen anfängt. Ein piemonteſiſcher Kreuzfahrer,
Die Wallfahrtsberge von Oberitalien.
Von Karl Meyer.
Unter den immer noch zahlreichen Wallfahrts- und Gnadenorten des mitt—
leren und ſüdlichen Europa zeichnen ſich die italieniſchen, und zwar namentlich
die oberitalieniſchen, in mehr als einer Beziehung aus. Es befinden ſich dieſelben
meiſt auf mehr oder weniger erhabenen Punkten, von welchen man bald eine
weit ausgedehnte, bald eine enger begrenzte, aber darum nicht weniger maleriſche
Ausſicht hat. Man ſieht etwa die weite Po-Ebene mit ihren Flüſſen und Seen,
oder man blickt in die nächſten Gebirgszüge mit ihren Thälern und Schluchten,
oder man hat wohl auch beides in dem nämlichen landſchaftlichen Bilde ver—
einigt. Ich erinnere, um zunächſt bei allgemein bekannten Punkten dieſer Art.
zu verweilen, an die Madonna di S. Luca bei Bologna oder an die Madonna
del Monte bei Vicenza, zu welchen Hunderte von Arkaden in ununterbrochener
Reihe führen. Die zuerſt genannte bietet überraſchende Blicke auf die weite
Ebene und das Adriatiſche Meer, während ſie zugleich auf einem Hügel ſteht,
der ſich nach der andern Seite den Apenninen zuwendet. Auch die italieniſche
Schweiz beſitzt mehrere Wallfahrtsberge dieſer Art, z. B. die Madonna della
Salute über Bellinzona, an und für ſich zwar ein ſchmuckloſes Kirchlein, aber
eines Beſuches wegen der Ausſicht auf Bellinzona und ſeine drei Schlöſſer ſowie
auf den entfernteren Lago Maggiore wohl wert. Auch die in künſtleriſcher Hin—
ſicht nicht unintereſſante Madonna del Saſſo über Locarno und die noch hüher
gelegene Kapelle des Monte S. Salvatore bei Lugand gehören hierher. In
Bezug auf Anlage und Ausſtattung ſchließt ſich namentlich die Madonna del
Saſſo trotz ihrer Lage auf ſchweizeriſchem Boden ganz den italieniſchen Wall—
fahrtsbergen an.
Der erhabenſte Punkt dieſer Art aber iſt entſchieden die Kapelle Notre Dame
des Neiges auf Roccia Melone. Sie ſteht auf der Spitze des genannten Berges
über der Stadt Suſa, in einer Höhe von 3584 Metern über dem Mittelländiſchen
Meer, alſo ſchon über der Schneelinie, welche freilich hier bedeutend höher als
in den Schweizer oder Tiroler Alpen anfängt. Ein piemonteſiſcher Kreuzfahrer,