Die Entwidkelung unferer bürgerlichen kreiheit.
Studien zur alten und neuen Geſellſchaftsgeſchichte.
Von
Chriſtian Aener.
III. Feudalität und ritterliche Geſellſchaft. (Schluß)
Der Schwerpunkt des Adelsbegriffs lag in der merowingiſchen
und der erſten fränkiſchen Zeit in gefolgſchaftlichen Beziehungen;
nach den nunmehr eingetretenen Veränderungen aber iſt er in dem
Beſitze eines reichsunmittelbaren Gebietes und dem damit gegebenen
Reichsſtandſchaftsrechte zu ſuchen. Trotz der weſentlichen Verände—
rungen, welchen hiernach dieſer Begriff jetzt unterlag, bleiben gleich—
wohl deſſen frühere Attribute noch erkennbar; nur treten ſie jetzt
entwickelter als in der vorigen Periode hervor. Die fränkiſchen
Edlen beſaßen Reichsämter und Grundherrlichkeiten: ebenſo der
mittelalterliche Adel, nur freilich mit ausgedehnteren Befugniſſen.
Selbſt der kleinere Herrenſtand hatte nunmehr das volle Grafen—
recht über ſeine immunen Beſitzungen erworben. Die Reichsämter,
welche ehedem als Benefizien vom Könige verliehen worden waren,
hatten ſich in erbliche Reichslehen verwandelt und einen patri—
monialen Charakter erhalten. Aus dem urſprünglichen Immunitäts—
recht der Adligen, d. h. der Befugnis, die königlichen Beamten
bezüglich der Handhabung ihrer Amtsgewalt von ihren Beſitzungen
fern zu halten, hat ſich allgemach das Recht der vollen Gerichts—
barkeit über alle in ihrem Herrſchaftsbezirk Anſäſſigen entwickelt.
Haben ſie früher lediglich ihre Hinterſaſſen zur Leiſtung ihrer Ver—
pflichtungen angehalten, ſo hat ſich jetzt der privatrechtliche Charakter
ſolcher Abgaben in einen öffentlich-rechtlichen verwandelt und er—
ſcheint demgemäß ausgedehnt auf alle Unterthanen des Territoriums.
Waren ſie vordem als Mittelsperſonen lediglich zwiſchen dem König
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte rc., 1885. Heft XII. 58
Studien zur alten und neuen Geſellſchaftsgeſchichte.
Von
Chriſtian Aener.
III. Feudalität und ritterliche Geſellſchaft. (Schluß)
Der Schwerpunkt des Adelsbegriffs lag in der merowingiſchen
und der erſten fränkiſchen Zeit in gefolgſchaftlichen Beziehungen;
nach den nunmehr eingetretenen Veränderungen aber iſt er in dem
Beſitze eines reichsunmittelbaren Gebietes und dem damit gegebenen
Reichsſtandſchaftsrechte zu ſuchen. Trotz der weſentlichen Verände—
rungen, welchen hiernach dieſer Begriff jetzt unterlag, bleiben gleich—
wohl deſſen frühere Attribute noch erkennbar; nur treten ſie jetzt
entwickelter als in der vorigen Periode hervor. Die fränkiſchen
Edlen beſaßen Reichsämter und Grundherrlichkeiten: ebenſo der
mittelalterliche Adel, nur freilich mit ausgedehnteren Befugniſſen.
Selbſt der kleinere Herrenſtand hatte nunmehr das volle Grafen—
recht über ſeine immunen Beſitzungen erworben. Die Reichsämter,
welche ehedem als Benefizien vom Könige verliehen worden waren,
hatten ſich in erbliche Reichslehen verwandelt und einen patri—
monialen Charakter erhalten. Aus dem urſprünglichen Immunitäts—
recht der Adligen, d. h. der Befugnis, die königlichen Beamten
bezüglich der Handhabung ihrer Amtsgewalt von ihren Beſitzungen
fern zu halten, hat ſich allgemach das Recht der vollen Gerichts—
barkeit über alle in ihrem Herrſchaftsbezirk Anſäſſigen entwickelt.
Haben ſie früher lediglich ihre Hinterſaſſen zur Leiſtung ihrer Ver—
pflichtungen angehalten, ſo hat ſich jetzt der privatrechtliche Charakter
ſolcher Abgaben in einen öffentlich-rechtlichen verwandelt und er—
ſcheint demgemäß ausgedehnt auf alle Unterthanen des Territoriums.
Waren ſie vordem als Mittelsperſonen lediglich zwiſchen dem König
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte rc., 1885. Heft XII. 58