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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 2
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Schricker, August: Georg Kobenhaupt: der Meister des Prachtpokals der königlich bayerischen Schatzkammer
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Riehl, Berthold: Der Alterthümler und das moderne Kunstgewerbe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0027

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Wenn es erst jetzt gelang, das Meisterzeichen des
Georg Aobenhaupt an dem Pokal der königlich bayerischen
Schatzkammer festzustellen, so muß betont werden, daß dies
nur dadurch möglich wurde, weil wir uns im Besitz der
Bleitafeln mit den Goldschmieds-Merkzeichen befanden.
Das Zeichen ist bei Marc Rosenberg vollständig genau,
wenn auch in Bergrößerung, wiedergegeben; aber die
Zeichen am Pokal sind bei dem Gin- und Ausschrauben
und etwa auch durch die zu irgend einer Zeit beliebte
Anwendung eines metallenen Schlüssels so verkratzt, daß
man die Wahrheit ohne die Vleitafel mit dem Abdruck
des Driginalstempels nicht hätte feststellen können.

Nachdein die Auffindung des Straßburger Beschau-
zeichens auf die richtige Spur geführt hatte und einige
Linien und besonders der Punkt zwischen dein Anker das
Aobenhaupt'fche Meisterzeichen als wahrscheinlich ergeben
hatten, verfuhren wir in der Weise, daß wir den Stempel
der Bleiplatte und den Stempel am Pokal aus Staniol-
plättchen abdrückten und die beiden Abdrücke sodann unter
einem starken Vergrößerungsglas auf das gleiche Gesichtsfeld
brachten. So erkannte man deutlich, wo im Meisterzeichen
am Pokal einzelne Stücke ausgesprengt waren, und so ergab
sich die unzweifelhafte Gewißheit für die Anwendung des
gleichen Stempels auf der Bleiplatte und an dein Pokal.

A. Schricker

M ÄlAGiickk und i>!is moderne Runslgkimök.

Bon Prof. Br. Berthold Riehl.

(Schluß.)

Gines Tages waren die beiden Freunde in ihrem
Streit über die Verwerthung alter Möbel zur Ausstattung
neuer Wohnungen besonders scharf hinter einander ge-
rathen. Verstimmt schieden sie, und der Aritiker begab
sich in seine moderne Villa, die durchgehends praktisch und
bequem und doch auch mit wirklich feinem Geschmack
eingerichtet war. Lr freute sich jetzt ganz besonders der-
selben, zündete sich eine Tigarre an, streckte sich aus
die bequeme Ottomane und überdachte nochmals den
Streit, den er eben so leidenschaftlich geführt. Zunächst
natürlich erscheint ihm der Alterthüinler einfach als ein
Sonderling, der sich in Folge seiner Launen für viel Geld
eine höchst unpraktische Ginrichtung zusammengetragen
hat. Allmählich aber beurtheilt er ihn doch gerechter.
Gr muß sich eingestehen, daß seine Villa ohne jenes Vor-
bild nie so schön geworden wäre; er erinnert sich der
mannigfaltigen Anregungen, die er dort empfangen; die
schönen, stimnrungsvollen Räume treten vor feine Phan-
tasie, die Freude, die er selbst an zahlreichen der alten
Kunstwerke hatte, der Reiz des Originals und schließlich
auch die Freude an einer so mühsam erworbenen Samm-
lung. Gr überdenkt schließlich deren Geschichte und ge-
winnt dabei manchen Gesichtspunkt für die geschichtliche
Bedeutung des Alterthümlers in: jst. Jahrhundert, der
ihn: jetzt keineswegs inehr blos als ein Sonderling er-
scheint, und er wird weiter zu Betrachtungen angeregt
über das Verhältniß alter und neuer Aunst, das im Laufe
dieses Jahrhunderts gar wesentliche, wohlbegründete Ver-
änderungen erfahren, welche für die Geschichte unserer
Run st und unseres Aunstgewerbes höchst bedeutend und
charakteristisch sind.

Zur Zeit der Romantiker, als der Vater unseres
Alterthümlers, wie oben erzählt, die Sammlung begann,
war die Bedeutung des Alterthümlers eine wesentlich
andere als heute. Zn: Gegensatz zu dem vorausgehenden
internationalen Glassicisnms trat mit der Romantik eine

für ui:fere Aunst und Aunstgeschichte höchst wichtige natio-
nale Richtung aus. Suchte der Glassicist die Zeit seiner
Ideale bei den Griechen und Römern, so suchte sie der
Romantiker in der Geschichte des eigenen Volkes, dessen
glänzendste Periode er in: Mittelalter sah. Man träumte
und dichtete sich ein Mittelalter, das so nie existirt hatte,
aber inden: man für die Zeit schwärmte, begann inan
die Ueberreste ihrer Gultur zu sammeln und zu studiren.
So dilettantisch das alles Anfangs war, so war es eben
doch der Beginn des wissenschaftlichen und künstlerischen
Studiums deutscher Gultur, dessen wir schon aus diesen:
Grunde dankbar gedenken sollen. So gebührt auch den
Liebhabersammlungen jener Zeit neben den: Verdienst,
zahlreiche Werke alter Aunst erhalten zu haben, das noch
größere, der ersten Anregung zu unseren Museen vater-
ländischer Aunst. Manche unter diesen, wie das Ger-
inanische Museun: in Nürnberg, wuchsen direct aus
solchen Sanunlungen hervor, andere, wie das Münchener
National-Museum und das Berliner Aunstgewerbe-Museum,
verzeichnen die Erwerbung derartiger Sanunlungen als
bedeutendste Mon:ente ihrer Gntwicklung.

Das wissenschaftliche Interesse, das für die Museen
bald ein Pauptgesichtspunkt wurde, trat für den Alter-
thümler, obgleich er auch hier eine erste Anregung gab,
zunächst allerdings sehr in die zweite Linie; ihn: war es
vor Allen: darun: zu thun, stimmungsvolle Räume zu
schaffen, sein Zimmer als Aunstwerk zu gestalten. Wer
sich damals modern einrichtete, konnte bei den geringen
Leistungen des deutschen Aunstgewerbes jener Zeit dies
Ziel nicht verfolgen; un: so wichtiger war es, daß der
Gedanke, das paus wirklich künstlerisch zu gestalten, durch
den Freund alter Aunst wieder geweckt wurde.

Als dieser Gedanke dann weitere Areise ergriff,
inußte sich desselben natürlich auch die neue Production
ben:ächt:gen, und da boten ihr die Aunstwerke der „guten,
alten Zeit", welche die Wohnung des Alterthümlers so
 
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