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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Mendelsohn, Henriette: Das Kunstjahr 1897
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Neue Bücher - Personal- und Atelier-Nachrichten - Vom Kunstmarkt - Denkmäler - Ausstellungen und Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0140

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Das Kunstjahr I8Y7. von Henriette Mendelsohn. — Neue Bücher.

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ist nur sein Milieu", lautet das literarische Paradoxon.
„Das Kunstwerk ist sein Milieu" wird es von den Aus-
stellungen demnächst heißen. Wird durch das An-
häufen an und für sich noch so geschmackvoller Zimmer-
einrichtungen auf den Kunstausstellungen das Interesse
an den Kunstwerken nicht gemindert? Was an Zug-
kraft gewonnen, geht durch Zersplitterung verloren. Tritt
nicht zu bewußt bereits als selbständige Erscheinung in
den Vordergrund, was nur als bescheidener Rahmen
wirken sollte?

Aber die Rahmenfrage ist heute eine Kardinal-
frage geworden. Der Rahmen im engeren Sinne nimmt
einen immer anspruchsvolleren Platz im Verhältnis zum
Bilde ein. Die Geschichte der heutigen Malerei müßte
als notwendigen Appendix die Geschichte des Rahmens
enthalten. Nicht genug, daß auch in ihm alle Stilarten
und raffinierten Farbenprobleme ihren Ausdruck finden:
man setzt das Bild bereits in dem Rahmen selbst fort,
oder beginnt den Rahmen als selbständigen Raum für
Darstellungen zu benutzen.

So vereinigt das Jahr in seinem Kreislauf die
schroffsten Gegensätze. Ein Haschen nach Originalität und
Absurdität, ein absichtsvolles, mit den großen malerischen

Errungenschaften dieses Jahrhunderts unverträgliches Pri-
mitivitätskokettieren. Die archaisierende Strömung ist vom
Gesichtspunkte historischer Betrachtung aus ein Zeichen
künstlerischer Erschöpfung. „Der kranke Knabe", in dessen
Rahmen der Tod wartet (Münchner Ausstellung), ist hoffent-
lich das ominöse Symbol dieser Richtung.

Das Gefühl für Farbe, die Verfeinerung und Aus-
breitung des Kunstgewerbes, das Streben, dem Bild nicht
einen „geistigen Inhalt" (wie die ausgetretene Akademie-
parole lautet) Wohl aber künstlerischen Stimmungsinhalt
auch in der Komposition zu geben, sind die lebensfähigen
Elemente unseres Zeitbildes.

Künstlerischer Ernst bekundet sich in den technischen
und chemischen Versuchen der Künstler: man will malen,
man will für die Ewigkeit malen. Man präpariert
seine Farben und Leinwand selbst — man greift zur
haltbarsten und leuchtendsten Technik: zur Temperamalerei.

Dort, wo in der Stille der Werkstatt nicht in
äußerer Nachahmung aber mit dem feierlichen Ernst
alter Meister der solide Untergrund geschaffen wird, wo
mit echter Künstlerfreude an einer Vertiefung des
Farbenproblems und der Auffassung gearbeitet wird —
dort liegt unsere künstlerische Zukunft!!

Neue Wucher.

Klassischer Skulpturenschatz. I. Bd. (gebd. 15 M.)
Ihrem mit so glänzendem Erfolg gekrönten „Klassischen Bilder-
schatz" haben die Herausgeber Frz. v. Reber und A. Bayers-
dorfer einen „Skulpturenschatz" (München, Berlagsanstalt
F. Bruckmann) zugesellt, welcher vielleicht für die Verbreitung
allgemeiner Bildung noch wertvoller ist, da das Material
zu demselben viel mehr in allen Weltteilen zerstreut erscheint
als unsere fast sämtlich in Europa befindlichen und auch meist
leicht zu erreichenden klassischen Bilder. So wird man denn
beim Aufschlagen dieses jetzt vollendet vor uns liegenden ersten
Bandes sehr oft angenehm überrascht werden durch die Bekannt-
schaft mit klassischen Werken, von deren Existenz man bisher kaum
eine Ahnung hatte. Ohnehin ist die ganze Publikation wenigstens
in Deutschland bisher ganz ohne Vorgänger und befriedigt daher
um so mehr ein langgehegtes Bedürfnis als der niedrige Preis
die Erwerbung fast jedem ermöglicht. So hat sie denn auch
gleich beim ersten Band fast hundertmal mehr Abnehmer gefunden
als die großen Werke dieser Art, die so kostspielig wurden, daß
sie für Private fast unerreichbar sind. Besonders dankenswert
aber ist, daß die bisher bei allen Publikationen so sehr vernach-
lässigte Skulptur der christlichen Zeit hier gleich von Beginn des
Werkes an mitherangezogen wurde, was beständig zu den inter-
essantesten Vergleichen Veranlassung giebt. So kann man sich da
leicht überzeugen, daß z. B. der König Arthur unseres Peter
Bischer es recht gut mit all' seinen italienischen Rivalen aufnehmen
kann. Auch über das Verhältnis Michel Angelas zur Antike
kann man sich schon aus diesem ersten Bande ein Urteil bilden,
wie über die nun schon bald ein Jahrhundert dauernde Ueber-
schätzung der letzteren, die der Selständigkeit unserer eigenen
Skulptur so lange im Wege stund. Dazu, wie zu einer richtigeren
Würdigung überhaupt, könnte nun die Abbildung einzelner Köpfe
z. B. von Luca della RoLbia u. a., besonders aber die Wiedergabe
schöner Kindercharaktere noch sehr beitragen, da sie die Ueberlegen-
heit der Renaissance-Kunst nach dieser individualisierenden Seite
hin erst recht deutlich machen würde. Jedenfalls kann man dem
Werke die Dauer seines glänzenden Erfolges Voraussagen.

Wilhelm Steinhaufen. Randzeichnungen zu
El. Brentanos „Chronika einessahrenden Schülers".
(Frankfurt a. M., H. Keller, 18 M.) Bon allem was wir bis
jetzt an Versuchen zur Gewinnung eines neuen ornamentalen
Stils gesehen, sind diese ebenso liebenswürdigen als durch und
durch neuen und selbständigen Randzeichnungen, die nebenbei be-
merkt, der frühesten Schaffensperiode des Künstlers entstammen,
das bedeutendste. Ganz deutsch und ungewöhnlich naturalistisch,

überraschen sie auss höchste durch ihre so gelungene Benützung
unserer heimischen Pflanzenwelt, die uns wirklich einen neuen
Weg weist, da sie zugleich entschiedenes Stilgefühl zeigt.

ÜMMIIWick

Firmin Bouisset fee.

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Die Kunst für Alle XIII.
 
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