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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Hartleben, Otto Erich: Der römische Maler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0353

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Der römische Maler, von Dtto Erich ksartlcbcn.

277


Der römische Maler.

von Dito Lrich Darlleben.

(ß>7r kommt nach Rom, hat die Taschen voller Geld
und wird sich an deiner Eigenart freuen." Mit
diesen Worten hatte mich ein etwas schadenfroher Freund
bei ihm, dem römischen Maler, angemeldet in einem
Briefe, der mir vorausgeeilt war. Ich erfuhr diese Form
der Empfehlung erst zwei Jahre später durch eine In-
diskretion Sor Rodolfos, nachdem ich inzwischen bereits
sattsam Gelegenheit gehabt hatte, mich „an seiner Eigen-
art" zu freuen und ihm schon lange nichts mehr pumpte.

Um gleich vorweg von seiner Kunst zu reden, so
hat er damit entschieden Glück. Er ist nämlich Porträt-
maler und da sich seine Porträts sämtlich in dem Privat-
bcsitz der Gemalten befinden, so ist es klar, daß fast nur
günstige Urteile darüber gefällt werden, denn nur wenige
Menschen sind so gemütsroh, einem gütigen Gastgeber die
Laune dadurch zu verderben, daß sie seine ihm schließlich
von Gott verliehene Visage, wenn auch nur in der
Wiedergabe scheußlich finden. Was mich betrifft, so bin
ich außerdem so vorsichtig, das lebensgroße Bild meiner
Frau, das er damals vor fünf Jahren gemalt hat, nur
solchen Menschen zu zeigen, von deren reiner Herzens-
güte ich untrügliche Beweise habe.

Jedoch ebenso sehr, wie man Michelangelo Unrecht
thun würde, wollte man ihn ausschließlich als Tafel-
maler betrachten, ebenso falsch wäre es, in Ludovico, dem
römischen Maler, lediglich den Porträtisten und bildenden
Künstler zu schätzen. Zu allen Zeiten einer rege werdenden
Kultur hat es Persönlichkeiten gegeben, deren Geist und
Wesen mehr bedeuteten, als das Werk ihrer Kunst, die
weit weniger durch ihre fertigen Schöpfungen, als durch
das Wollen, das in ihnen lebte, durch den ganzen Zauber
ihrer Individualität auf andere wirkten. Ludovico, der
Porträtmaler, wäre wohl kaum würdig, einen Geschichts-
schreiber zu finden, Ludovico, der Mensch, verdient einen
solchen im höchsten Grade.


Er besitzt ein ganz merkwürdiges Sprachtalent.
Schon in seiner frühesten Jünglingszeit, als er noch in
seiner ostpreußischen Heimat bei einem Rechtsanwalt
Akten kopierte, lernte er heimlich auf eigene Faust Eng-
lisch, Französisch und Italienisch und bildete sich im ge-
heimen durch Lektüre in diesen Sprachen fort. Kein
Wunder also, daß er jetzt, wo er schon zehn Jahre in
Italien lebt, die italienische Sprache in der vollendetsten
Weise beherrscht und daher in der Lage ist, den nach
Rom kommenden Fremden ein idealer Führer
zu sein.

Sein psychologisches Interesse an dem
ewig wandelbaren Menschenbilde ist so stark,
daß es seinen Trieb nach eigener künstle-
rischer Bethätigung fast stets überwiegt —
so daß er weit lieber mit den immer wieder
frisch ankommenden nordischen Fremden die
Straßen und Plätze der ewigen Stadt durch-
wandert, oder auch wohl in kühlen Osterien
die besten Quellen des Frascatanerweines mit
ihnen aufsucht, als daß er daheim im dumpfen
Atelier unbedeutende Menschenköpfe in Oel
setzt. „Es bietet meiner künstlerischen Natur
— so pflegt er zu sagen — unendlich mehr
künstlerische Anregung, wenn ich mit meinem
unbefangenen Küustlerauge die verschiedenen
Typen meiner Landsleute betrachten kann —
weshalb immer gleich malen."

Es ist nicht mehr als recht und billig,
daß die Fremden, denen er in solcher Weise
seine Tage und oft auch seine Nächte weiht,
sich hierfür in taktvoller Manier erkenntlich
zeigen, seine Eigenart zu schätzen wissen und

In der Laube. j)bilippAlein p!nx.

Ausstellung der „Secession", München, ^898.
 
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