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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Hevesi, Ludwig: Carl Fröschl
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0093

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Carl Fröschl.

von L. Deveü.

schöner als in der Jacquin-
gasse braucht ein Wiener
Künstler nicht zu wohnen.
Sie steigt vom Rennweg zur
Belvederehöhe hinan, am bota-
nischen Garten vorbei, dessen
Direktor unter Maria Theresia
der berühmte Freiherr von
Jacquin gewesen. Ringsum
grüne Gärten, aus denen sich
blaugrün angerostete Kuppeln
erheben. Als Kaiser Franz Josef
einmal an einem Atelierfenster
Fröschls stand und hinaussah,
wies er plötzlich nach einem
lauschigen Gartenwinkeldrüben
und sagte: „Das ist ja der reservierte Garten beim Belve-
dere; ich erinnere mich noch genau, wie ich als Kind
dort spazieren geführt wurde". Auch das „Fröschl-Haus",
wie die Leute es nennen, steht nämlich in der Jacquin-
gasse, unter lauter seltsamen Häusern, mit merkwürdigen
Erkern oder Loggien, wie Meister Zumbusch eines be-
wohnt. Selbst hochadelige Paläste giebt es da. Ganz
oben hat sich Graf Karl Lanckoronski, der berühmte Kunst-
freund und Jndienfahrer, ein Barockpalais bauen lassen,
und neben ihm Fürstin Pauline Metternich ein schlichtes
Heim, dessen Thüre man nicht leicht findet. Auch der
regierende Fürst von Liechtenstein, der große Mäcen
Wiens, hat sich in dieser Gasse angekaust, weil seine
Aerzte ihm sagten, daß in der Jacquingasse die beste
List Wiens zu finden sei. Das Fröschl-Haus aber ist
ein reizendes, altdeutsches Nest, von Giesel gebaut. Un-
erfahrene sahen sich verwundert das zweite Stockwerk an,
das nach der Straße ganz fensterlos ist; dafür öffnet
es um die Ecke eine mächtige Glaswand, die des Ateliers.
Auch dieses ist ein reizvoller Raum. Alte Spanier und
Venezianer dunkeln an den Wänden; eine kühn ver-
kürzte Scene, die in die Holzdecke cingefügt worden, ist
beinahe ein Paolo Veronese. Altes Schnitzwerk
ist für die hohe Kaminverkleidung, auch für die
kleine Orgel verwendet, alte Möbel fügen sich philo-
sophisch in die Neuzeit. Denn auf den Staffcleien
blüht junge, moderne Schönheit, rosig, goldig, von
freundlichen Lüften umweht; reizende Kinder, schöne
junge Damen, zur Abwechselung einmal ein schräg
gestrichener weißer Vollbart, .... wahrhaftig, es
ist Billroth, der Großmeister der Wiener Chirurgie.

Auf einer Estrade steht ein Lehnstuhl; vor einer
Viertelstunde saß eine der schönsten Bräute Wiens
darin. Sie kommen gern zu Fröschl, die Verlobten
aus der Sphäre der oberen Zehntausend, und lassen
sich in seinen duftigen Pastelltönen verewigen, die
so geeignet sind, den Hellen Schein bräutlichen
Glückes, der ein anmutiges Mädchenhanpt umweht,
in aller Frische seiner Vergänglichkeit festzuhalten.

Auch die Erzherzogin Marie Valerie hat der
Künstler als Braut gemalt, in jenem reizenden
Kniestück, das so frühlingshell in seinem Rahmen
stand, daß die beiden Augensterne das dunkelste

daran waren. Es entstand in Lainz, dem idylllischen
Jagdschlößchen der Kaiserin Elisabeth, unter ihren
Augen. Und ein andermal malte der Künstler sie
mit ihrem Bräutigam zusammen. Und nach einigen
Jahren wurde er nach Ischl berufen, um ihre drei
niedlichen Kinder zu malen, wie sie Hand in Hand
dastehen, das älteste tapfer auf seinen Pfeilbogen ge-
stützt. Kaum daß in der familienhaften Enge der kaiser-
lichen Villa Raum genug für diese Arbeit zu finden
war; der Künstler saß schließlich auf dem Balkon und
malte die Kinder, die sich in einem kleinen Gemach be-
fanden, durch die Thüre. Die Kaiserin kam und ging
dabei und freute sich ihrer Enkelchen. Und der Kaiser
selbst wünschte, daß das gemütliche Bild auch dem Publi-
kum, in der Jahresausstellung, bekannt werde. Vier-
zehn Erzherzoginnen hat Fröschl bisher gemalt, manche
zu verschiedenen Zeiten. Darunter wahre Gegensätze der
Farbe, wie die blonde Helle der Kronprinzessin Stephanie
und den ticfsüdlichen Typus der Erzherzogin Maria
Theresia. Tie Töchterchen der Erzherzogin Jsabella in
Preßburg, eine ganze Reihe, denen die älteste, Erz-
herzogin Marie Christine, so hausmütterlich würdig
präsidiert, waren dem Meister der Kindermalerei eine
besonders gelegene Aufgabe. Und dann in Salzburg
der zweijährige Prinz Georg von Sachsen, in seinem
Kinderhemdchen, mit seinem behaglichen hellblonden Kopf.
Und dazu sein dreieinhalbjähriges Tantchen, die Prinzessin
Agnes, jüngste Tochter der Großherzogin Alice von
Toskana; zwei Arme voll roter Aepfel hält sie fest an
sich gedrückt.

Ach, sie sind lieb, die Pastellkinder Fröschls. Das
ist, weil er Kinder so abgöttisch liebt. Seine kleinen
Neffen und Nichten waren auch die ersten, deren Pastell-
porträts er in München ausstellte. Die Fürstin Thurn
und Taxis sah sie und ging sofort zum Künstler, damit
er auch sie male. Die geistvolle Frau batte das Herz
seiner Kunst erkannt. Sie war es dann auch, die die
höchsten Kreise auf ihn aufmerksam machte. Bald darauf
 
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