Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

DOI Artikel:
Ausstellungen und Sammlungen - Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Vom Kunstmarkt - Vermischte Nachrichten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0259

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ausstellungen und Sammlungen.

20>




Kch Frankfurt a. M. Schneiders Kunstsalon bringt uns eine
neue und angenehme Ueberraschung in Gestalt einer Stuck-
Ausstellung. Für unser einheimisches Publikum ist Stuck, so
wie er sich hier präsentiert, eine neue Erscheinung. Unsere
Sammler wußten wohl schon vordem insgemein von dem Urheber
der so beliebten Frauenköpfe und anderer amüsanter Studien,
die man zu kaufen Pflegte, ohne sich in den Preisen allzuweit zu
engagieren, aber als ein wirklicher Meister war Franz Stuck
bisher doch nur einzelnen unter den Frankfurter Liebhabern be-
kannt, die ihre Kenntnisse nicht bloß vom einheimischen Kunst-
markt haben, sondern sich dann und wann auch sonst in der
Welt umsehen. Diesmal hat Stuck in Frankfurt wohl allgemein
nicht nur gefallen, sondern auch imponiert, das ist mit wenig
Worten der Erfolg seiner Ausstellung, die vor allem auch einmal
neben den kleineren Warenproben ein paar Werke von größeren
Dimensionen und dementsprechender Auffassung zu Gesicht brachte.
Wir wollen die oft erhobenen und zum Teil begründeten Ein-
wände hier nicht wiederholen, die gegen Stuck und seine Art
geltend gemacht zu werden pflegen, wie etwa, daß seine Kunst
von einseitig sinnlicher Natur ist, ein Triumph der Sünde, die
er ja auch mit Vorliebe zu allegorisieren pflegt: es ist wahr,
um soviel „Sünde" auch nur anzusehen, geschweige denn zu
produzieren, dazu gehören gesunde Nerven. Aber darin liegt
auch wieder das Gesunde und das Glaubhafte dieser Kunst, daß
ihr Träger sich in vollkommener Analogie zu seinen Werken be-
findet; man sieht es auch seinem Porträt an, das mit ausgestellt
ist: baumstark und kerngesund, wie der bekannte Athlet, den er
gemalt hat, ein Sinnbild naturwüchsiger Energie. Irgend einen
ausgesprochenen Gesühlsanteil wird man — und darin liegt die
Beschränkung dieses Talentes — bei Stuck nicht erwarten. Uns
schien, mit Ausnahme des Porträts des Prinzregenten, auf das
wir noch zu sprechen kommen, als ob hier nicht einmal ein
eigentliches Verständnis jener grundlegenden Merkmale des
geistigen Lebens vorhanden sei, ohne welche normalerweise die
einzelne menschliche Erscheinung überhaupt nicht zu denken, ge-
schweige denn vom Gattungstypus zu unterscheiden ist: in den
zahlreichen weiblichen Sludienköpfen, die wir ausgestellt sahen,
ist es immer ein und dieselbe „schöne Frau", die uns anschaut,
recht temperamentvoll, gewiß, aber doch auch nur das. Trotzdem
gelingt diesem Künstler manches, was ihm von Haus aus gar
nicht zu liegen scheint, und besser, als manchem anderen, dem
man eine weit höhere Prädisposition zutrauen möchte. Selbst
der so heiklen Historien religiösen Inhalts, denen — man denke
an die entsetzliche „Christus-Ausstellung" — schon so manches

Studienkopf. Franz Stuck pinx.

Die Aunst für Alle XIII.



Talent erlegen ist, weiß er Herr zu werden. Auf seine Weise
freilich, aber es wird doch etwas daraus. In der großen Kreuzi-
gung Christi vermag seine, wie es scheint von der Weihe des
Vorganges selbst gebändigte Naturkraft sich sogar zu einem echten
edlen Pathos zu erheben: die tllcies crueiu-u-r dieses Gekreuzigten
hätte einem Schüler des Rubens Ehre gemacht. Und besser noch,
wo Ueberirdisches ausgeschieden und reine Menschennatur zur
Entfaltung gebracht ist, wie in der „Austreibung aus dem
Paradiese", der zweiten monumentalen Schöpfung Stucks, die
uns vorgeführt wird. Wenn dieser Gegenstand den Künstlern
aller Zeiten willkommene Gelegenheit zur Schaustellung des
menschlichen Körpers in vollkommener Bildung gegeben hat, so
ist auch hier auf diese Seite der Sache alles Gewicht gelegt.
Das Fleisch hat die Oberhand, aber es behauptet sich auch mit
einer Bravour, die ihre Daseinsberechtigung in sich selbst trägt.
Das Bild ist nicht gerade brillant in der Farbe, abgesehen von
der prächtigen weiblichen Aktfigur; stärker oder wenigstens reich-
haltiger im Kolorit sind andere kleinere Darstellungen, so eine
„Sünde", hinter der ein höllisches Feuer brennend rot aufleuchtet,
so ein „Meerweib", dessen Körper aus einer Flut von grünen
und ultramarinfarbenen Tönen kalt und gleißend hervortaucht.
Das beste als farbige Komposition leistet aber doch das Porträt
des Prinzregenten, lebensgroß, in ganzer Figur, und in der
kleidsamen spanischen Tracht der Hubertusritter. Es ist ein ge-
wagtes Stück: eine weiße Draperie, die ganze Breite des Bildes
ausfüllend, umfließt wie ein glänzender Schmelz die kräftig be-
wegte schwarzgekleidete Gestalt; was sonst noch mitspricht, ist
eigentlich nur in dem nach oben dunkel gehaltenen Hintergründe
ein kleines Stück blauen Lufttons, das mit der Draperie zusammen
wohl nicht unabsichtlich doch in erlaubtem Scherz die wohl-
bekannten Landesfarben anzeigt. Das Ganze ist doch sehr ernst-
haft zu nehmen, auch die Figur des Fürsten selbst eine hoheitsvolle
Erscheinung; solch einen Wurf sieht man nicht alle Tage. Die
Münchener Universität, für die das Werk bestimmt ist, kann sich
schmeicheln, daß sie damit ein historisches Bildnis von erstem
Rang besitzt. UW4)

8. Berlin. In Keller L Reiners neuem Kunstsalon
in der Potsdamerstraße haben in geschmackvoller Darbietung die
Dachauer ausgestellt. In München wird ja viel gedachauert,
zu dieser Vereinigung der Dachauer haben sich aber nur wenige
Münchener Maler gefunden, die von Ludwig Dill geführt und
meist auch von ihm künstlerisch geleitet werden. Das Dachauer
Moor ist ihr Arbeitsgebiet. Sie malen seinen weichen Nebel, der
die Formen löst, den Dunst, der alle Farben dämpft, die ver-
lassene beschränkte Oede des kümmerlichen Lundes, das nur dem
Maler Freude bringt, Freude, aber auch Gefahr. Die künstlerische
Gefahr wird noch vermehrt, wenn das, was von den Schotten

26
 
Annotationen