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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 13 (1. Aprilheft 1907)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0070

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Kehrseite? Kein Sturm und auch
kein Regen schützt die Blume auf
der Wiese vor dem Ausgerauft--
werden mit Stumpf und Stiel,
schützt den Wald vor der Berau--
buug in wüst abgerisseuen Zweigen,
vor der Schmückung durch Stullen--
papiere, Eierschalen und Flascheu--
scherben. Es sind regelrechte Raub--
züge, diese freundnachbarlichen Be--
suche der städtischen Herrschaften bei
der Mutter Natur, die in unend--
licher Langmut immer wieder er-
gänzt, verjüngt, und den Lisch
mit ihren holden Gaben Jahr um
Iahr aufs neue bestellt und schmückt.

Aber unerschöpflich ist am Lnde
keine lebendige Kraft auf dieser
Erde, und so wird auch der grüne
Wald und die blühende Wiese kar--
ger grade an den schönsten und
daher begehrtesten Gaben. Die Na-
tur seufzt mit Recht: ihr nehmt mir,
aber ihr gebt mir nichts. Ihr ver-
wundet, aber ihr heilt nicht. Amd
doch könnte und sollte jeder Zaun-
gast tun, wie der verstorbene Hein-
rich Seidel tat, der, ein stillerer
Naturfreund alten Schlages, ein
Schächtelchen mit Samen seiner
rankenden Lieblingsblume auf Aus-
flügen stets bei sich führte und an
altem Gemäuer entlang stillvergnügt
seine heimliche Aussaat betrieb.
Kam er dann übers Iahr des
Weges vorbei, so hatte er seine
ganz besondere Freude an der er-
blühten Pracht. Hundert andere,
die vorüber kamen, freuten sich mit.
Der Naturfreund hatte als Men-
schenfreund gehandelt. Wenn nun
jeder dritte, jeder zehnte Ausflügler
ähnlich verführe, an heimlichen
Waldwinkeln und beschaulichen Phi-
losophenwegen, wo die Sonne lagert
und die Vögel singen — wär' da
die Welt nicht noch schöner? „And

ein Garten das Land!" singt Schu-
mann.

Sofern es die Polizei erlaubt.
Denn der können freilich die ein-
samsten Mauerwege nicht blitzeblank
und frei genug von „Ankraut" sein.
Guckt z. B. der Rosenstrauch über
den Zaun auf die Straße hinaus
oder klettert gar ein fürwitziger wil-
der Wein nur einen Meter hoch
an die Telegraphenstange, so kommt
der Beamte und duldet das nicht.
Bei Bekannten von uns hat er
sogar schon gemahnt, weil der Efeu
durchs Geländer hinausguckte. O
gepriesene Ordnung! Wofür zahlen
wir auch sonst unsre Gemeinde-
steuern? E K

Zu viel!

Der abgelaufene winterliche Kunst-
wartband ist rund hundert Seiten
korpulenter geworden, als der win-
terliche vom vorigen Iahrgang —
es ist schrecklich, aber es ist so: Die
Halbmonatshefte sind jetzt so dick,
wie von manchen teureren Zeit-
schriften die Monatshefte. Viele
Leser werden darüber klagen, und
unsrer Meinung nach haben sie
recht. Das Streben nach Reich-
haltigkeit entschuldigt uns nicht, es
ist schon so, daß die Kraft zum Zu-
sammendrängen des Stoffs ohne
Vermindsrung der Klarheit und Ge-
diegenheit noch nicht ausreicht. Also
muß sie dazu erzogen werden. Wenn
aber unsre Leser bedenken, daß das
von allen Mitarbeitern abhängt
und daß die Fülle des zudringen-
den Stoffs mit jedem Iahre sich
mehrt, so werden sie uns glauben:
es ist nicht ganz einfach. Den Kunst-
wart knapper zu machen ohne Ver-
lust an Wesentlichem und an Klar-
heit, das ist unsre allerschwierigste
Aufgabe. Aber wir erkennen es als
unsre Ausgabe an. A

^ s. Aprilheft sZO?___^
 
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