Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1907)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Peter Philippi
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0177

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nach in das ganz bestiminLe Zeitbild der nächsten nachbiedermeierischen
Iahrzehnte unsrer kleinen Bürgerlichkeit, wenn sie sich auch in be-
sonders dauerhasten Exemplaren bis heute konserviert haben. Schön,
aber zum Äberliefern von kulturhistorischem Studienmaterial brauchte
einer kein Künstler zu sein. Philippi ist's, weil all diese Kleinigkeiten
zu seinen Menschen gehören, wie der Rock zur Haut und die Haut
zum Blut, aus dem sie gemacht ist: weil das Drum und Dran im
psychologischen Sinne ganz und gar ein Daraus bedeutet, weil diese
Rmwelt als Ausleseprodukt Gebilde dieser Menschen ist. Philippi ist
ja auch sonst ein vorzüglicher Psycholog. Man vertiefe sich in den
„Besuch". Wie unübertrefflich fein kennzeichnet nicht nur Kleidung,
Wohnung und Mobiliar mit allen Pützchen und Zutätchen die recht-
liche und ordentliche, aber schwierige reiche Alte, die der ärmeren
Verwandten den Labetrank schenkt — wie viel sagt auch ihr Gesicht
und ihre Haltung, und was liegt alles auf den verkümmerten Zügen
der Iüngeren, die irgend etwas von ihr will! So ist es aus seinen
Bildern schier überall und ist es selbst auf dem groteskeften unter
ihnen, „Am Philosophenwege^: hat er nicht die beiden Plustervögel
da, die Lule sowohl wie die Gans, erstaunlich genau gekannt? Das
ist nicht Schwank ä la Blumenthal und Kadelburg, es ist auch nicht
Posse, es ist feinstes Lustspiel. Wir haben in der bildenden Kunst
unsrer Tage ungemein wenig Seitenstücke dazu. Humor freilich ist
es stets.

Philippi, der in Trier lebt, und sich in Düsseldorf befonders
bei Gebhardt gebildet hat, ist am 30. März M6 zu Trier geboren
worden. Er gehört also, wie Schönes er auch schon geleistet hat,
doch noch zu unsern Hofsnungen. A

Aus der NoveSe „Harmome"
von Ednard Grafen von Kehserling

fWir kommen auf diese Novelle aus dem bereits angezeigten Bande
„Schwüle Tage" (Berlin, S. Fischer) zurück, weil sie Keyserlings Er-
zählertalent von der besten Seite zeigt. Ihm liegen die „feinen" Men-
schen, die verfeinerten Abkömmlinge alter Geschlechter, und der Konflikt,
um den es sich hier handelt, entsteht aus dem Streit dieser Äberkultur mit
den Ansprüchen, die das alltägliche, aber gesunde und naive Leben er-
hebt. Dis Ehe des jungen Paares geht auseinander, weil sie von An-
fang an nicht recht dicht war. Dieser Auflösungsprozeß vollzieht sich
vor unsern Augen so selbstverftändlich überzeugend, wie das nur ein echter
Dichter darstellen kann. Vielleicht hätte er den Stoff noch fester ansassen
können; die Vorgeschichte dieser Ehe hätte sich, anstatt in kurzen Seiten-
bemerkungen, gewiß auch unmittelbar darstellen lassen. Doch dürfen wir
auch mit dem zufrieden sein, was Kehserling hier als letzten Akt gibt:
wir haben eine so durchaus feine Dichtung vor uns, wie in den letzten
Iahren nicht viele geschrieben worden sind, obgleich doch gerade diese
letzten Iahre an feinen Dichtungen nicht arm waren.

Felix, der junge Gutsherr, ist nach längerer Abwesenheit zu seiner
Gattin zurückgekehrt. Der Tod des ersten Kindes hatte die zarte Frau

(. Maiheft (907 kqt
 
Annotationen