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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 18 (2. Juniheft 1907)
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P. de Ch..: Die Umgestaltung des Theaters: Meinungen eines in Deutschland lebenden Nichtdeutschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0350

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^Iahrg. 20 Zweites Iuniheft 1907 Heft 18

Die Llmgestaltung des Theaters

Meinungen eines in Deutschland lebenden Nichtdeutschen*

Ehe ich eine Kritik der deutschen Theaterverhältnisse versuche,
betone ich, daß mir diese Verhältnisse in Deutschland besser erscheinen,
als sonst irgendwo. In Frankreich richtet die Alleinherrschaft der
Hauptstadt den größten Schaden an, und der Einfluß der radikalen
Politiker ist dem Theater noch verhängnisvoller als hier die höfische
Abhängigkeit. Italien ist den Unternehmungen der Impresarien und
den Wandertruppen hoffnungslos verfallen, England und Amerika
ebenso; und auch in Rußland scheinen, von der glänzenden Ausnahme
des neuen Moskauer Theaters abgesehen, vorsintflutliche Zustände zu
herrschen, während die nordischen Länder, wenigstens in Sachen der
Musik, noch unbekümmert dahinträumen. Deutschland opfert dem Theater
ungeheure Summen. Wenn ihre Verwendung ebenso zweckmäßig wäre»
wie die Opsersreudigkeit groß ist, so lebten die Deutschen in einem
Theaterparadies.

Eben das ist es, was mich, der ich zwar kein Deutscher, aber
ein begeisterter Theatersreund bin, zum Leben in Deutschland veran--
laßt und zur eingehenden Beschästigung mit seinen Verhältnissen an--
geregt hat. Es ist die Liebe, die zu dem folgenden Tadel und zu
der Frage führt: ob die Deutschen nicht bei den gleichen Aufwen-
dungen viel mehr noch erreichen könnten, als sie erreichen.

Da die subventionierten Opernbühnen beinahe ohne Konkurrenz
find, so treten die Mißstände hier am deutlichsten ins Licht, während
die Schauspiele an den Höfen durch den wohltätigen Wettbewerb der
Privatbühnen gezwungen werden, wenigstens einige Verbesserungen
einzuführen. Bei dem engen Zusammenhang des Betriebes jedoch
werden sich gewisse Äbelstände da wie dort finden; schon die Hof--
theater als solche sind ihrer Form nach veraltet. Selbst ein kunst--
sinniger Fürst würde nie die nötige Zeit und Gelegenheit haben, sein
Institut wirksam zu kontrollieren. In bestem Falle kann er einen
guten Intendanten ernennen. Aber die Fälle, wo das geschah, sind

* Die folgenden Betrachtungen eines feingebildeten Ausländers be--
rühren sich in mehr als einem Punkte mit unserm Vorschlage, eine Äm-
wandlung der Hoftheater in Staatstheater anzustreben, wie sich ja unsre
meist trefflich verwalteten staatlichen Museen großenteils aus Hofkunst-
kammern usw. entwickelt haben. Äbrigens sind wir wie der Herr Ver-
fasser dem Wahne fern, daß mit den nachstehenden Sätzen schon Ab-
schließendes gesagt sei. Es würde uns freuen, wenn sie zunächst
einen Meinungsaustausch nicht so sehr im Kunstwart wie in der Tages-
presse anregten, die ja für Theaterangelegenheiten stets Raum in Fülle
hat und zur Erörterung gerade dieser Fragen auch sehr berufen wäre.
Der Münchener Hoftheaterprozeß hat sie ja zudem jetzt auch „aktuell"
gemacht. A

2. Iuniheft B07 289
 
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