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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1926)
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Bartsch, Rudolf Hans: Gemüt und Behagen
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Trentini, Albert; Molo, Walter von: Offene Briefe, [2]: Albert Trentini an Walter von Molo [und] Walter von Molo an Albert Trentini
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0324

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und, wenn du ganz groß bift, wie dich selber. Dann lebst du ewig. Dieseü Feuer
zünde in dir an, das Feuer der Freundschast zum All.

Nur Behagensnaturen eignen sich zu solch dauernder Freundschasi. Der Mensch,
der sich mit dem Menschen, mehr aber noch mit dem Tier, mit Baum und Blume
und Nakur, mit Gott Eins sühlt, er allein hat die ewige Flamme und wird nicht zu
Asche. Alle andern sind gehetztes Wild des wilden Jägers Lebensseuer, oder lederne
Tottreter der von ihnen niemals gekannten Flamme.

Eure Urseele muß in allem sein. Wer sie in sich sühlt, verzichtet lachend aus die
ganze Mitwelt, die ihm so wenig dreinzureden hat, wie der Atheist dem Gotte. Die
Rechnung des Atheisten steht so: Gott hat mich, ich aber nicht ihn. Du aber, dcr
die Natur hat und ties von ihr durchlebt ist, Du bist Er; als Er geboren für eine>
Spanne Zeit, damit Er sich sonne.

Sich sonnen, auch wenn es kalt und dunkel geworden ist. Behagen fühlen, wenn
alles um uns fröstelt. Rückt zusammen, Brüder, zu einem deutschen Winter, wie
nur der tiefe und in sich gehende Norden ihn allein zu geben vermag.

Horcht mir nach dem Ritte deS windheulenden, wilden Jägers in öen Nauhnächten
und zündet dagegen das Feuer eurer Seele an.

Das eigenartig wehmütige, deutsche Lächeln; das Wissen um Tod und Aufer-
stehung; aber nicht in asiakischer Sage aus Palästina anno ZZ. Das Wissen aus
jener Sage, mit dem dir jede Schmetkcrlingspuppe seit Jahrmillionen tröstlich ums
Herz schmeichelt.

Qffene Briefe

i.

Albert Trentini an Walter von Molo

Wien, am Z. Januar 1926.

/"Ueber Walter! Die schmetternde Chamade am Schluß Deines letzten Brieses
^ tras einen sriedlichen Mann. Der Weihnachtöbaum war bereits dreünal ange-
^^zündet worden, die Familie, im Nachschein der Geschenke, hielt sich bei ge-
neigten Mienen, das Haus döste im satten Dämmer dcr Festtage, und ich . . . ruhte
auö. Da tras mich Dein Schlachtruf: „Los! Zu ncuem, noch heftigerem Angriss!"
Und ich Gewissenloser . . . lächelte seiner! „Nein, mein wackerer Krieger," dachte
ich mir in meinem pslichterfüllthabenden Busen, „nein, ich nicht! Rassele Du jetzt
Ausfall, Belagerung, Sturm, Siegcödrommete; ich schalte das Telefon aus, lege
mich hinter dreimal versperrten Türen auf nieinen Diwan, rauche meine geliebte
Zigarette, und greife nicht an!" Nichts! Fällt mir nicht ein! Jch bin cln Ge-
schöpfchen, das noch lebt, stellte ich mir vor. Es ist ja noch Erdentag, besann ich
mich. Du bist auch ein Mensch, versicherte ich mir. Eö ist im höchsten Grade
relativ, was Du leistest, und Gotteö Kosmos, . . . ach, du mein Herrje, erriet
ich, der dreht und webt sich, ob Du nun meinst, er brauche Dein Mitdrehen, oder
ob Du dieser Eitelkeit nicht srönst, gleicherweise wundersüchtig und erfolgreich
fort, wie immer! Und es kam jene unschuldige Gleichgültigkeit über mich, jeneü
Hochgefühl pflanzenhafter Bescheidenheit, wclches heroische Naturen wie Du ohne
Zweifel alö daS Derbrechen des Geistes vcrdammen. Und es war so unver-
wundbar und unüberwindlich, dieses Hochgefühl, daß ich, auch wenn Du mir
einen goldenen lorbeerumwundenen Pallafch aus Deinen walhallhin stürmenden
Horizonten herabgereicht und überdies, mit Deincr berüchtigten Faust, einen Schlag
in die Brust vcrsetzt hättest: „Auf, Unwürdiger! Zu neuem, noch heftigerem An-
griff!" . . . daß ich auch dann fchamloö das Haupt (hier soll es wohl richtiger

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